Die neutestamentliche Gemeinde als „Familie Gottes“ – Teil 3

Auswahl von Ältesten in der neutestamentlichen Gemeinde

In Apostelgeschichte 14:23 wird der Prozess der Einsetzung von Ältesten in neugegründeten Gemeinden mit dem griechischen Wort cheirotonéo beschrieben. Wörtlich bedeutet es „durch Handaufheben bestätigen“. („Einsetzen“ ist also keine genaue Übersetzung.) Die Idee dahinter ist, dass Paulus gewisse Männer als Älteste vorschlug, aber die gesamte Gemeinde musste ihre Einsetzung bestätigen. Es handelte sich also um eine Art Mischform zwischen einer Einsetzung durch eine übergeordnete Leiterschaft (der Apostel) und einer demokratischen Wahl.
Aber wenn wir uns nur bei diesen Einzelheiten der äusserlichen Form aufhalten, verpassen wir das Wichtigste: Dieser Prozess wird vor dem Hintergrund der familiären Struktur der jüdischen Gesellschaft beschrieben. Das Entscheidende ist, dass die Apostel und die Gemeinden ein Vorgehen wählten, durch das sie zu einem geistlichen Konsens kommen konnten. Die hier beschriebene „Einsetzung“ war nur die Endphase. Dieser muss ein längerer Prozess vorangegangen sein des Sich-Kennenlernens in den Familien, des Kennenlernens der Weisheit und des Erziehungsstils eines jeden der möglichen Ältesten, und alles weitere, was nötig war, um zu einer Gott wohlgefälligen Entscheidung zu kommen.

Ein biblischer Ältester ist also etwas ganz anderes als ein „Mitglied eines Leitungsgremiums“ in einem Verein oder in einer heutigen Kirche. In heutigen Kirchen werden Leiter auf eine viel unpersönlichere und vom Familienleben abgeschnittene Weise gewählt. Es gibt dabei demokratischere und diktatorischere Varianten; aber so oder so werden selten die Weisesten oder die Geistlichsten gewählt. Oft haben menschliche Fähigkeiten das grössere Gewicht: Redebegabung, Durchsetzungsvermögen, eine gute äussere Erscheinung, theologische Ausbildung, usw. Aber nichts von dem ist eine Garantie für Geistlichkeit oder Integrität.
Infolgedessen funktionieren viele dieser Leitungsgremien eher wie weltliche Regierungen, oder wie die Verwaltung eines Grossunternehmens, als wie eine Familie. Dann gibt es Heuchelei, Bürokratie, Korruption, Habsucht, Intrigen, Machtkämpfe, Unmoral (mit den darauffolgenden Vertuschungsmanövern), und was man sonst noch in der nichtchristlichen Welt beobachten kann. In einem solchen System können Leiter ihre wahre Persönlichkeit hinter der Kanzel verstecken, weil ihnen niemand genügend nahe steht, um sie so kennenzulernen, wie sie wirklich sind. Deshalb kann sie auch niemand warnen oder zurechtweisen, wenn sie in Gefahr stehen, abzuirren oder in Sünde zu fallen. Der Verlust der familiären Strukturen hat die Leiterschaft in vielen Kirchen derart verzerrt, dass es heute schwierig ist, sich überhaupt vorzustellen, was echte geistliche Leiterschaft ist.

In der neutestamentlichen Gemeinde geht Ältestenschaft auf natürliche Weise aus der Familie hervor, aus der Vaterschaft,
und aus den Versammlungen in den Häusern. Das wichtigste Kriterium für die Eignung als Ältester ist, ob jemand ein guter Ehemann und Vater ist. In der familiären Umgebung der neutestamentlichen Gemeinde, wo das tägliche Leben miteinander geteilt wurde, konnten die Mitglieder leicht das Familienleben anderer Mitglieder beobachten, und so deren wahren Charakter kennenlernen. So funktionierte die Anerkennung der weisesten und geistlichsten Väter als Älteste, und die gegenseitige Korrektur, wenn einer von ihnen in Gefahr kam, von den Wegen Gottes abzuweichen.

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