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Die neutestamentliche Gemeinde als „Leib Christi“ – Teil 1

10. November 2017

In den früheren Betrachtungen dieser Serie haben wir die neutestamentliche Gemeinde in den Worten Jesu untersucht, und in der Apostelgeschichte. Die Apostelgeschichte zeigte uns die ursprüngliche Praxis des neuen Gottesvolkes, nach dem vollkommenen Muster Gottes.
Nun gehen wir zu den apostolischen Briefen über. Viele dieser Briefe richten sich an das gesamte Volk Gottes. Hier finden wir also nicht konkrete historische Begebenheiten als Ausdruck der Gemeinde, aber allgemeine Prinzipien und Anweisungen. Versuchen wir das Grundmuster zu entdecken, das hinter diesen Anweisungen steckt – aber ohne dabei aus den Augen zu verlieren, was wir bereits gefunden haben in den Worten Jesu und in der Apostelgeschichte.

Die Apostel gebrauchten verschiedene Bilder und Vergleiche als Beschreibung der Gemeinde, des Volkes Gottes. Am häufigsten finden wir den Vergleich mit einem „Leib“. Untersuchen wir einige dieser Stellen, um herauszufinden, wie dieser „Leib“ funktioniert.

Einheit in der Verschiedenheit

Die ausgedehntesten Abschnitte zu diesem Thema sind Römer 12,3-10, und das ganze Kapitel 12 im 1.Korintherbrief. Paulus betont die Unterschiedlichkeit der Gaben und Funktionen der verschiedenen Glieder des Leibes:

„Denn so wie wie in einem einzigen Leib viele Glieder haben, aber nicht alle Glieder haben dieselbe Funktion, so sind wir, die vielen, ein einziger Leib in dem Christus, aber individuell Glieder voneinander, die wir unterschiedliche Gaben haben, nach der Gnade Gottes, die uns gegeben wurde …“ (Römer 12,4-6)

Es ist also kein biblisches Ziel, dass alle Glieder demselben Schema entsprechen sollten. Im Gegenteil, in ihrer Verschiedenheit ergänzen sie sich gegenseitig:

„Denn der Leib ist nicht ein einziges Glied, sondern viele. Wenn der Fuss sagte: ‚Weil ich nicht Hand bin, gehöre ich nicht zum Leib‘, gehört er etwa deswegen nicht zum Leib? Und wenn das Ohr sagte: ‚Weil ich nicht Auge bin, gehöre ich nicht zum Leib‘, gehört es etwa deswegen nicht zum Leib? Wenn der ganze Leib Auge wäre, wo wäre das Gehör? Wenn das Ganze Ohr wäre, wo wäre der Geruchssinn? Nun aber setzte Gott jedes einzelne Glied in den Leib, wie er wollte. Wenn alles ein einziges Glied wäre, wo wäre der Leib? Nun aber sind es viele Glieder, aber ein einziger Leib. Und das Auge kann nicht zur Hand sagen: ‚Ich brauche dich nicht‘; und auch nicht der Kopf zu den Füssen: ‚Ich brauche euch nicht‘. “ (1.Korinther 12,14-21)

Im Zusammenhang dieses Textes ist offensichtlich, dass kein Glied des „Leibes Christi“ mehr wert ist als ein anderes. Die Glieder haben unterschiedliche Funktionen; aber alle sind nötig zum Funktionieren des Leibes, und sie haben einander nötig.

Die Beziehung zwischen Paulus und Apollos gibt uns ein gutes Beispiel dafür, wie sich die Glieder gegenseitig ergänzen. Beide arbeiteten in der korinthischen Gemeinde – aber zu unterschiedlichen Zeiten -, jeder mit seinen besonderen Gaben. Sie mussten untereinander keine formelle Vereinbarung treffen, denn Gott selber koordinierte diese Form der Zusammenarbeit. Ihre Funktionen ergänzten sich gegenseitig. – Es scheint, dass einige der Korinther dies nicht verstanden, denn sie begannen sich als „Nachfolger von Paulus“ bzw. als „Nachfolger von Apollos“ zu identifizieren. Deshalb musste Paulus klarstellen, dass zwischen ihm und Apollos keine Konkurrenz bestand, im Gegenteil, der Beitrag von beiden war notwendig:
„Wer ist Paulus? Und wer ist Apollos? – Diener, durch die ihr zum Glauben kamt; und jeder dient, wie es ihm der Herr gab. Ich pflanzte, Apollos begoss, aber Gott liess es wachsen. So kommt es also nicht auf den an, der pflanzt, noch auf den, der begiesst, sondern auf den, der wachsen lässt, Gott. Und der pflanzt und der begiesst sind eins, aber jeder wird seinen eigenen Lohn empfangen gemäss seiner eigenen Mühe.“ (1.Korinther 3,5-8)

Es fällt auch auf, dass die neutestamentliche Gemeinde mit einem lebendigen Organismus verglichen wird, nicht mit einer Maschine, auch nicht mit einem Verein oder einer Institution. Wir finden keine Organigramme, Statuten oder Reglemente. Das muss betont werden in unserer heutigen Zeit, wo fast alle Gruppen der Christenheit sich eine reglementierte und (mehr oder weniger) hierarchische institutionelle Form gegeben haben. Wie wir in einer früheren Betrachtung gesehen haben, war diese Organisationsform von der römischen Militärdiktatur inspiriert worden, nicht vom Neuen Testament.

Diese Struktur eines „lebendigen Organismus“ bedeutet aber nicht, dass die Gemeinde „ungeordnet“ wäre. Der Leib Christi wächst, „zusammengefügt und geeint durch jedes unterstützende Gelenk, nach dem Mass der Aktivität jedes seiner Glieder …“ (Epheser 4,16). Nur dass diese lebendige und natürliche Ordnung von einer anderen Art ist als die institutionelle und künstliche Ordnung, die so viele heutige christliche Gruppierungen kennzeichnet. Eine Institution hält ihre innere Ordnung aufrecht mittels Organigrammen und Reglementen, die festlegen, wer was für Kompetenzen hat, und wer über wen bestimmt. In einem lebendigen Organismus dagegen bestimmen die Glieder nicht übereinander. Der Organismus hält seine innere Ordnung aufrecht, indem jedes Glied seine natürliche Funktion ausübt, zu der es geschaffen wurde; und indem jedes Glied mit dem Haupt kommuniziert.