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Warum wird die Frau „durch Kindergebären gerettet“?

25. August 2015

1.Timotheus 2,15 ist einer der rätselhaftesten Aussprüche im Neuen Testament. Ich zitiere ihn hier mit den vorhergehenden und den nachfolgenden Versen, um den Zusammenhang im Blick zu behalten:

„Zu lehren erlaube ich einer Frau nicht, noch über den Mann zu herrschen; sondern dass sie in Ruhe sei. Denn Adam wurde zuerst gebildet, danach Eva. Und Adam wurde nicht getäuscht, sondern die Frau kam in Übertretung, indem sie getäuscht wurde. Sie wird aber gerettet werden durch das Kindergebären, wenn sie in Glauben (bzw. Treue), Liebe und Heiligung bleibt mit Mässigkeit (oder: Besonnenheit). Treu ist das Wort. Wenn jemand einen Aufseherdienst anstrebt, verlangt er nach einem guten Werk. Der Aufseher soll nun unbescholten sein, Mann einer Frau, nüchtern, mässig (oder: besonnen), ordentlich, gastfreundlich, fähig zu lehren, kein Trinker, kein Raufbold, sondern gütig, nicht streitsüchtig, nicht das Geld liebend, der seiner eigenen Familie gut vorsteht, der Kinder hat in Unterordnung, mit aller Ehrbarkeit; denn wer seiner eigenen Familie nicht vorzustehen weiss, wie kann er für die Versammlung Gottes sorgen?“
(1.Timotheus 2,12-3,5)

Nun haben es schon viele Ausleger unternommen, diesem Wort einen Sinn abzugewinnen, mit sehr unterschiedlichen Ergebnissen. Ich wage deshalb nicht zu behaupten, meine Ausführungen hierzu seien der Weisheit letzter Schluss. Ich möchte lediglich ein paar Gedanken dazu weitergeben, insbesondere vor dem Hintergrund dessen, was ich in „Das biblische Konzept der Familie“ näher ausgeführt habe.

Warum soll eine Frau Kinder gebären? – Zuerst einmal, weil dadurch das allererste Gebot Gottes an den Menschen erfüllt wird, der Ur-Auftrag Gottes an das erste Menschenpaar und alle folgenden: „Seid fruchtbar und vermehrt euch“ (1.Mose 1,28). Mutterschaft ist nach Gottes Willen das eigentliche Wesen der Weiblichkeit. Das wird in 1.Mose 3,20 nochmals unterstrichen: „Und der Mensch nannte seine Frau Eva; denn sie wurde die Mutter aller Lebenden.“ Bedeutsamerweise wurde das gesagt, noch bevor das erste Kind gezeugt wurde.

Seit Adam und Eva, durch das ganze Alte Testament hindurch, war ausserdem jede Geburt ein Vorzeichen auf die Geburt des Messias hin. Gott hatte verheissen, dass durch den „Samen der Frau“ der Kopf der Schlange zertreten würde (1.Mose 3,15). Jede Frau, die ein Kind zur Welt bringt, verkündet damit zeichenhaft Gottes Erlösungsplan. Das mag mit ein Grund sein, warum durch die ganze Bibel hindurch Kinderreichtum als ein Segen, Kinderlosigkeit dagegen als ein Fluch gilt.

Im Abschnitt, der unserem Vers vorangeht, verbietet Paulus einer Frau das „Lehren“, und „über den Mann zu herrschen“. – Ich halte es für müssig, hier eine Diskussion darüber zu beginnen, ob eine Frau „predigen“ dürfe oder nicht. „Predigten“ im heutigen kirchlichen Sinn waren nämlich im neutestamentlichen Gemeindeleben ohnehin eine Ausnahme; das gab es fast nur, wenn ein Apostel oder ein reisender Lehrer zu Besuch kam. Auch die Männer – inbegriffen Älteste – „predigten“ in den normalen Gemeindeversammlungen kaum je. Die Ältesten hatten vor allem die Aufgabe, die Beteiligung aller (!) Anwesenden zu „moderieren“, und wo nötig zu ermutigen, zu ermahnen und zu korrigieren; evtl. auch im gemeinsamen Gespräch geistliche Wahrheiten zu lehren; aber nicht im Alleingang eine „Predigtversammlung“ zu halten.
– Frauen beteten und prophezeiten in den neutestamentlichen Gemeindeversammlungen (1.Korinther 11,5, Apostelgeschichte 21,9). In 1.Timotheus 5,5.10 werden u.a. als Beiträge der Frauen erwähnt: Gebet, Gastfreundschaft, Taten der Barmherzigkeit. Paulus hat also nicht die aktive Beteiligung der Frauen grundsätzlich verboten. Deshalb sollte auch das Wort „häsychía“, das ich oben mit „Ruhe“ wiedergegeben habe, nicht mit „Schweigen“ übersetzt werden. Das griechische Wort für „Schweigen“ ist ein anderes („sigáo“). „Häsychía“ hat vielmehr einen Beiklang von Zufriedenheit, Ungestörtheit, Eintracht, u.U. auch Andächtigkeit.

Was Gottes Wort aber hier verbietet, ist in erster Linie das „Herrschen“ der Frau; insbesondere ihr Herrschen über den Mann. Anscheinend haben Frauen von Natur aus gewisse Eigenschaften, durch die sie weniger geeignet sind als Männer, Leiterschaft auszuüben. (Paulus verweist als Beleg wieder auf Adam und Eva zurück.) Das auszusprechen ist keine Frauenfeindlichkeit, sondern einfach die Anerkennung der Tatsache, dass es grundsätzliche Unterschiede zwischen Mann und Frau gibt. Die Frauen sollen „in Ruhe“ leben dürfen, d.h. ohne von eigenen Herrschaftsansprüchen und ehrgeizigen Ambitionen umgetrieben zu werden.

Und genau hier bringt Paulus nun – auf den ersten Blick zusammenhangslos – das Kindergebären ins Spiel. Könnte die Bedeutung darin liegen, dass Ehe und Mutterschaft (worin die Frau ihren Ur-Auftrag erfüllt) gewisse naturgegebene Schwächen der Frau aufhebt oder zumindest mildert, und zugleich ihre naturgegebenen Stärken potenziert und zu grösserer Geltung bringt? (Berücksichtigen wir, dass das Wort „gerettet werden“ nicht unbedingt die ewige Errettung bedeuten muss; es kann auch übersetzt werden mit „geholfen werden“ oder „geheilt werden“.)

„Mütterlichkeit“ ist ja sehr nahe verwandt mit den Bedeutungsnuancen, die ich oben für „häsychía“ angegeben habe. Zusätzlich könnte man hier noch anfügen: Geduld; Zuwendung; Einfühlsamkeit; Barmherzigkeit; Trost spenden; u.a.m. Nun entwickeln sich aber diese „mütterlichen“ Eigenschaften insbesondere in der Ehe und in der Mutterschaft; und inbesondere dann, wenn eine Frau diese bewusst als ihre Berufung annimmt und ausübt.

Als einen Erfahrungswert vom sogenannten „Missionsfeld“ möchte ich hier noch anführen, dass besonders ungute Einflüsse jeweils dort spürbar wurden, wo eine unverheiratete, kinderlose Frau eine Leiterschaftsposition innehatte. Sie hat nie gelernt, in der Ehe mit einem Mann zusammenzuleben und sich ihm unterzuordnen; und sie hat nie die Fürsorge und Barmherzigkeit einer Mutter für ihre Kinder entwickelt. Die ganze so wichtige Beziehungs- und Charakterschule, die in Ehe und Familie stattfindet, hat sie nie erlebt. Dieser Mangel an Mutterschaft drückt sich dann aus in ihrer Art, Leiterschaft auszuüben, und färbt auf ihre ganze Umgebung ab. Dann gibt es Zwietracht, Parteilichkeit, Verrat, Manipulation, Gemeindespaltungen, Verheimlichung von Sünden und Verbrechen, u.a.m. Und wenn sie sich anmassen, Ehen und Familien zu beraten oder sogar darüber zu bestimmen, dann gibt es viele zerrüttete Familien.
Ich habe oben schon angemerkt, dass das Neue Testament manche andere Möglichkeiten erwähnt, wie Frauen – auch unverheiratete Frauen – nach ihren Kräften und Gaben in der Familie Gottes dienen können. Aber insbesondere wenn sie nicht „durch Kindergebären heil geworden sind“, dann sollten sie sich des Leitens und des Herrschen-Wollens enthalten, zu ihrem eigenen Besten und zum Besten ihrer Umgebung. Organisationen – besonders Missionsgesellschaften -, die solche Frauen in Leiterschaft hieven, leisten der Sache Gottes einen Bärendienst.

Damit stimmt überein, dass auch die „Ältestinnen“ in Titus 2,3-5 selbstverständlich verheiratet waren und Kinder grossgezogen hatten. Wie könnten sie sonst „die jüngeren Frauen anleiten, ihre Männer und Kinder zu lieben“ usw.? Was man selber nie ausgeübt hat, dazu kann man auch niemanden anleiten.

Wie steht es dann mit den Männern? – Unser Abschnitt in 1.Timotheus 2 geht weiter mit den Anforderungen an „Aufseher“, also Leiter in der Gemeinde.

Zwei Anmerkungen:
1. Das griechische Wort für „Aufseher“ ist „epískopos“, wovon unser Wort „Bischof“ herkommt. Es so zu übersetzen, würde aber einer völlig falschen Vorstellung davon Raum geben, was ein „Aufseher“ zur Zeit des Neuen Testaments war. Wie die Parallelstelle Titus 1,5-7 zeigt, war „Aufsicht“ ein Aspekt der Leiterschaft, die von den Ältesten ausgeübt wurde. Es gab also damals neben der Ältestenschaft nicht noch ein anderes, gleich- oder gar höhergestelltes „Bischofsamt“.
2. Unsere Bibelausgaben beginnen nach dem Vers über das Kindergebären ein neues Kapitel. Aber Paulus schrieb seine Briefe ohne Kapitel- und Verseinteilung. Die erst später eingeführte Trennung der Kapitel reisst manchmal Zusammengehöriges auseinander und hindert uns damit, den Gesamtzusammenhang zu sehen. So auch hier: Im Kapitel 2 spricht Paulus zwar ab Vers 8 über „Männer und Frauen“; aber schon in den Versen 11 und 12 (Stichworte „Unterordnung“ und „herrschen“) beginnt der Übergang zum Thema „Leiterschaft“, das sich dann im Kapitel 3 fortsetzt. Wir müssen deshalb den Anfang von Kapitel 3 in unserer Betrachtung mit berücksichtigen.

Der Aufseher soll „Mann einer Frau“ sein. Aufgrund langjähriger Gewöhnung (sowie der römisch-katholischen Tradition) setzen viele hier in Gedanken automatisch hinzu: „Mann höchstens einer Frau“ – als ob es einzig um ein Verbot der Vielweiberei gehe, ein Mann keiner Frau aber durchaus Aufseher sein könne. Doch gibt es keine Hinweise darauf, dass Vielweiberei in den damaligen Gemeinden häufig (oder überhaupt) vorgekommen wäre, sodass eine solche Bedingung ausdrücklich ausgesprochen werden müsste.
Erinnern wir uns, dass die neutestamentliche Gemeindestruktur, genauso wie die jüdische Gesellschaftsstruktur, wesentlich und grundlegend auf der Familie beruht. Verse 4 und 5 machen es dann vollends klar, dass ein Ältester bzw. Aufseher Familienvater sein muss. Sonst könnte er nicht „seiner eigenen Familie gut vorstehen“. Dies ist aber (gemäss Vers 5) eine Bedingung dafür, der Versammlung Gottes vorzustehen. – Gleiches galt übrigens schon für das (politische) Ältestenamt im alten Israel.

Manche wenden hier ein, Paulus sei selber unverheiratet gewesen. Aber Paulus war ein Rabbiner, und ein Rabbiner musste in der Regel verheiratet sein! Wenn also Paulus zur Zeit seiner Missionsreisen keine Frau hatte, dann ist die naheliegendste Schlussfolgerung, dass er Witwer war. (Er muss damals schon um die fünfzig gewesen sein.) Es wäre sonst auch nicht vorstellbar, wie er in seinen Briefen Ratschläge und autoritative Weisungen über Ehe und Familie erteilen könnte. Das pharisäische „sagen und es nicht tun“ (Matthäus 23,3) hat keinen Platz im neutestamentlichen Christentum. Somit müssen wir davon ausgehen, dass Paulus in Tarsus viele Jahre lang durch Ehe und Familienleben geschult wurde, bevor er zu seinen Reisen aufbrach.

Es gilt also für Frauen und Männer gleichermassen: Ehe und Familie sind äusserst wichtige Vorbedingungen, um eine ernsthafte Leitungsverantwortung auf eine Gott wohlgefällige Weise wahrnehmen zu können. 1.Timotheus 3,4-5 wirft in dieser Hinsicht weiteres Licht auf unseren Vers 2,15. Was Mutterschaft für die Frau ist, das ist Vaterschaft für den Mann. Und auch hier gilt: Nur wer als Mann die Ehe und Vaterschaft als seine vorrangige Berufung von Gott annimmt, wird auch deren vollen Segen erfahren.