Archive for Mai 2013

Unterzeichnen Sie diese Petition zugunsten einer verfolgten christlichen Familie!

20. Mai 2013

Im Januar 2010 hat die deutsche Familie Romeike in erster Instanz politisches Asyl in den USA erhalten, weil sie in Deutschland verfolgt werden aufgrund ihrer Entscheidung, ihre Kinder selber zu erziehen und auszubilden. Bei einer allfälligen Rückkehr nach Deutschland würde ihnen der Entzug ihrer Kinder drohen (sprich staatliche Entführung), sowie die Enteignung ihrer Güter und evtl. auch eine Gefängnisstrafe. Dies alles, weil sie aus christlicher Überzeugung ihr Menschen- und Elternrecht auf die Erziehung ihrer eigenen Kinder wahrnehmen.

Ich habe damals hier einen kurzen Bericht über jenes Gerichtsurteil geschrieben.

Vor wenigen Tagen hat jetzt ein Berufungsgericht jene erstinstanzliche Entscheidung umgestossen – merkwürdigerweise aber aufgrund einer Entscheidung von nur drei der fünfzehn amtierenden Richter. Ein Bericht darüber kann hier eingesehen werden:

http://derblauebrief.net/dieselbe-verfolgung-wie-vorher/

Die HSLDA,  welche die Romeikes rechtlich vertritt, wird weiter für ihre Freiheit kämpfen und das Urteil anfechten. Gleichzeitig ist eine Petition an die amerikanische Regierung lanciert worden, um eine allfällige Abschiebung der Familie Romeike nach Deutschland zu verhindern. Diese Petition kann von Menschen aus der ganzen Welt unterzeichnet werden. (Zuerst auf  „Create an Account“ klicken, Namen und E-Mail-Adresse eingeben. Dann muss noch ein Bestätigungs-Link in einem eingehenden e-Mail angeklickt werden, wonach die Petition unterzeichnet werden kann.)

https://petitions.whitehouse.gov/petition/immediate-action-requested-romeikes%E2%80%94grant-permanent-legal-status-persecuted-german-homeschool-family/06vqtgCp

Bitte schreiben Sie auch an Organisationen, die sich für verfolgte Christen einsetzen, wie z.B. die „Hilfsaktion Märtyrerkirche“ oder „Open Doors“. Solche Organisation, die sich weltweit gegen Christenverfolgung einsetzen, sollten zuallererst aktiv werden, wenn ein Fall ihr eigenes Land und ihre eigenen Mitbürger betrifft.

Der Blog „Der blaue Brief“ berichtet regelmässig über den Fall.

Der Überrest des Volkes Gottes

19. Mai 2013

„Oder wisst ihr nicht, was die Schrift sagt über Elias, wie er Gott anfleht gegen Israel? ‚Herr, deine Propheten haben sie getötet, deine Altäre niedergerissen, und ich allein bin übriggeblieben, und mich wollen sie auch töten.‘
Aber was sagt die (göttliche) Anweisung? ‚Ich habe mir siebentausend Männer übrigbehalten, die nicht vor Baal niedergekniet sind.‘ So ist auch zur gegenwärtigen Zeit ein durch Gottes Gnade ausgewählter Überrest übriggeblieben.“

(Römer 11,2-5)

Diese Schriftstelle spricht über eine Zeit des Abfalls von Gott. Unter dem bösen Königspaar Ahab und Isebel hatte ganz Israel angefangen, fremden Göttern zu folgen. Der Prophet Elias musste sich mehrere Jahre lang versteckt halten, weil der König ihn töten wollte. Dann sagte ihm Gott, er solle sich dem König zeigen und die Propheten des falschen Gottes Baal herausfordern. In dieser Konfrontation zeigte Gott vor dem ganzen Volk, dass er der wahre Gott ist, indem er Feuer vom Himmel über das Opfer Elias‘ fallen liess (1. Könige 18).
Aber dann drohte Isebel, Elias zu töten, und er musste wiederum in die Wüste fliehen. Dort, völlig erschöpft und deprimiert, rief er vor Gott aus: „Ich habe geeifert für den Herrn Gott der Heerscharen; denn die Kinder Israels haben deinen Bund verlassen, haben deine Altäre niedergerissen, und haben deine Propheten mit dem Schwert getötet; und ich allein bin übriggeblieben, und sie suchen mich, um mich zu töten.“ (1.Könige 19,14). – Als Antwort trug Gott ihm auf, zwei neue Könige und einen neuen Propheten zu salben (seinen Nachfolger Elisa), und versicherte ihm, er sei nicht völlig allein: „Und ich werde bewirken, dass in Israel siebentausend übrigbleiben, die nicht vor Baal niedergekniet sind…“ (1.Könige 19,18).

Auf diese Situation bezieht sich also Paulus im Römerbrief, und er vergleicht sie mit seiner eigenen Zeit: „So auch zur gegenwärtigen Zeit …“ Was war denn zur Zeit des Paulus geschehen? – Das jüdische Volk hatte sich wiederum von Gott abgewandt. Sie hatten Jesus abgelehnt, ihren von Gott gesandten Erlöser. Und wenn Paulus als Jude das Evangelium verkündete, dann wurde er oft von seinen eigenen Volksgenossen verfolgt. Er hätte auch oft ausrufen können: „Ich allein bin übriggeblieben …!“ – Aber dann sagt er: So wie zur Zeit Elias‘ ein treuer Rest des Volkes Gottes übrigblieb, so auch jetzt. Obwohl die Mehrheit des Volkes Gott ungehorsam war, so hat er sich doch eine kleine Zahl von Menschen übrigbehalten, die sich auf seine Seite stellen. Und an vielen Orten, wo Paulus auf seinen Reisen hinkam, konnte er einige Menschen finden, die zu diesem Überrest gehörten. Obwohl die meisten Juden seine Botschaft ablehnten, so gab es auch immer einige, die glaubten und treu dem Herrn folgten.

„So auch zur gegenwärtigen Zeit“ hat sich die Mehrheit derer, die sich „Christen“, „Volk Gottes“, etc. nennen, von Gott abgewandt. Sie haben zwar ihre äusseren religiösen Formen beibehalten (so wie die Juden zur Zeit Paulus‘ ihre Synagogen hatten), aber sie lehnen die Botschaft des biblischen Evangeliums ab. Doch gibt es einige wenige unter ihnen, die merken, was geschieht; die nicht dem Strom der Zeit folgen, sondern weiterhin dem Herrn treu sind. Das ist der Überrest Gottes in der heutigen Zeit.

Dasselbe ist im Lauf der Kirchengeschichte mehrmals geschehen. Die grossen institutionalisierten Kirchen haben sich sehr schnell von dem Weg abgewandt, den Jesus und die Apostel vorgezeichnet hatten. Übrig blieb ein kleiner, versteckter, unbekannter Rest, der dem Herrn treu blieb. Ab und zu, bei besonderen historischen Gelegenheiten, trat dieser Überrest plötzlich wieder ins Rampenlicht – so wie Elias in seiner Konfrontation mit den Baalspropheten – und wurde zum Kern einer neuen Erweckung. Dann konnte die Welt für kurze Zeit wieder das helle Licht eines echten christlichen Lebens und echter christlicher Gemeinschaft sehen. Aber mit der Zeit wandten sich auch diese erweckten Gemeinschaften wieder dem Traditionalismus zu, dem Menschenwerk statt Gottes Werk, und fielen von Gott ab. Und sie organisierten sich sogar unter genau den Namen, die ihnen die Welt mit Verachtung gegeben hatte: „Protestanten“, „Täufer“, „Quäker“, „Methodisten“, usw. So hörten sie auf, erweckte Gemeinschaften zu sein, und wurden zu institutionalisierten Kirchen wie alle anderen. Mit Ausnahme eines neuen kleinen Überrests.
(Siehe dazu: „Der fortlaufende Zyklus von Erweckung und Abfall“.)

Der Überrest Gottes ist also während der meisten Zeit ein verborgenes, zerstreutes, verachtetes und verfolgtes Volk. Jene, die zu ihm gehören, fühlen sich oft einsam und denken: „Ich allein bin übriggeblieben, sonst folgt niemand mehr dem Herrn.“ Und doch sagt der Herr: „Ich habe mir siebentausend übrigbehalten…“

Dieser Überrest ist also keine „Kirche“, „Gemeinde“ oder „Organisation“. (Auf gar keinen Fall ist er eine institutionalisierte Kirche, die das Wort „Überrest“ in ihren Namen setzt – wie es tatsächlich schon vorgekommen ist!) Einige derer, die zum Überrest gehören, befinden sich in institutionalisierten Kirchen; aber sie wissen, dass sie auch innerhalb dieser „Kirche“ von Namenschristen nur „Pilger und Fremdlinge“ sind. Andere haben zwei oder drei Geschwister „nach dem Herzen Gottes“ gefunden und ermutigen einander gegenseitig in diesem kleinen Kreis. (Nach Hebräer 10,24-25, richtig verstanden.) Und wieder andere wandern völlig allein durch die Wüste und fragen sich, ob es wohl noch andere gibt, die denselben Weg gehen.

Das ist die „Herde“, von der Jesus sagte: „Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir“ (Johannes 10,27). Der Herr selber ist es, der sie weidet, führt und „organisiert“. Oft führt er sie auf Wegen, die die Welt (inbegriffen die religiöse Welt) nicht versteht. Aber sie folgen ihm, denn „sie hören nicht auf die Stimme der anderen“ (Johannes 10:5).

Auch so sind sie nicht frei von Versuchungen und Gefahren. Jeder von ihnen weiss, dass er zum Überrest gehört (oder wird sich dessen allmählich bewusst); aber voneinander können sie es nicht mit Sicherheit wissen. So sind sie manchmal in Gefahr, sich in einem ungleichen Bund zusammenzuschliessen mit jemandem, der fälschlich vorgibt, zum Überrest zu gehören. Oder umgekehrt, jemandem zu misstrauen, der sehr wohl zum Überrest gehört, aber irgendwie „anders“ ist.
Der Überrest definiert sich mit keinem Namen, mit keiner Etikette, mit keinem Versammlungsort, mit keinem Glaubensbekenntnis ausser dem Wort Gottes, und mit keinem Leiter ausser dem Herrn Jesus Christus. Deshalb kann es unter ihnen eine grosse Vielfalt an Hintergründen und theologischen Strömungen geben. So stehen sie manchmal in Gefahr, einander gegenseitig anzugreifen wegen zweitrangiger theologischer Differenzen. Dies umso mehr, als sie in den institutionalisierten Kirchen so viele Irrlehren und abwegige Praktiken gesehen haben, dass sie manchmal auch ihren wirklichen Glaubensgeschwistern misstrauen.
Wenn sie unter der Verachtung, der Ablehnung und der Verfolgung von seiten der Namenschristen leiden, dann können sie andererseits auch versucht werden, sich der sicheren, bequemen und respektablen Umgebung einer institutionalisierten Kirche zu unterwerfen. Oder ihre eigene Organisation zu gründen, um den anderen sichtbar zu zeigen, dass „wir besser sind“ und dass „unter uns der Herr tatsächlich wirkt“. Aber sie sollten eigentlich wissen, dass sie, sobald sie anfangen „respektabel“ zu werden, aufhören, der Überrest zu sein.

Die zum Überrest gehören, können mit allem Freimut von ihrem Glauben an Jesus Christus sprechen, in jeder Situation, wo ihnen der Herr Gelegenheit gibt dazu. Aber sie haben dabei keine „geheime Agenda“: Sie müssen nicht eine obligatorische Anzahl von „Evangelisationsstunden“ erfüllen; noch müssen sie Mitglieder für „ihre Gemeinde“ gewinnen; noch müssen sie die Spenden- und Zehnteneinnahmen erhöhen; noch müssen sie vor Gott „Punkte sammeln“. Deshalb brauchen sie keine aufsehenerregenden Veranstaltungen zu organisieren, und müssen auch niemanden manipulieren. Sie sind schlichte Zeugen dessen, was Gott in ihrem Leben getan hat.

Sie anerkennen und achten echte geistliche Autorität, wo immer sie ihr begegnen; aber sie kennen weder Ämter noch hierarchische Leiterschaftspositionen. Und jene, die zu solcher Anerkennung gelangen, nehmen dies nicht zum Anlass, sich über ihre Geschwister zu erheben. Im Gegenteil, sie demütigen sich noch mehr in der Furcht Gottes, und werden noch mehr zu Dienern ihrer Geschwister (Lukas 21,24-28).

Lernen Lehrer, wie Schüler lernen, oder lernen Lehrer, wie Lehrer lehren? (Anhang)

11. Mai 2013

In meiner Artikelfolge habe ich eine Unterlassung begangen. Ich habe nicht klar definiert, was ich unter „Lernen“ verstehe. Ich denke, ich sollte das nachholen, denn es ist wesentlich zum Verständnis meiner These, dass Lehrer nicht lernen, wie Schüler lernen.

Aus meiner Sicht schliesst „Lernen“ folgende Aspekte ein:

– Aneignung von Kenntnissen in einem logischen und sinnvollen Zusammenhang.
– Entwicklung des selbständigen Denkens und Schlussfolgerns; und der Fähigkeit, dieses Denken zu formulieren und anderen Menschen zu kommunizieren.
– Aneignung von praktischen Fähigkeiten mit dem Ziel, diese selbständig ausüben zu können und zu verstehen wie, warum und wozu es getan wird.

Alle meine Ausführungen in der Artikelserie beziehen sich auf das „Lernen“ in diesem Sinn. Der geneigte Leser wird aus meiner Definition zwei Schwerpunkte heraushören, die mir wichtig sind: 1. Das Wort „selbständig“. 2. Es geht nicht nur darum, das Was und das Wie zu wissen, sondern ebenso das Warum und das Wozu.

Ich möchte dies klarstellen, weil von einer anderen Warte aus argumentiert werden könnte, das Schulsystem bringe viel bessere Lernerfolge hervor als ich behaupte – nämlich wenn „Lernen“ auf andere Weise definiert wird. Versteht man unter „Lernen“ die mehr oder weniger gedankenlose Wiedergabe von zuvor aufgenommenem Stoff, oder die ebenso gedankenlose mechanisierte Wiederholung antrainierter Vorgänge und Verhaltensweisen, dann „lernen“ Schüler doch einiges in der Schule. „Gute“ Lehrer (im Sinne des normierten, „korrekten“ Lehrens) bringen es fertig, dass ihre Schüler zum Prüfungstermin einen recht grossen Anteil des durchgenommenen Stoffs wiedergeben können; und dass sie bestimmte Vorgänge (z.B. mechanisierte Methoden zur Lösung spezifischer mathematischer Problemstellungen) wiederholen können. Aber haben sich die Schüler damit wirklich Kenntnisse und Fähigkeiten „angeeignet“? Um dies zu überprüfen, müssten einige Kontrollfragen gestellt werden:

– Wieviel von diesem Stoff beherrschen die Schüler auch noch drei, sechs oder zwölf Monate nach dem Prüfungstermin?
– Können die Schüler auch erklären, was sie tun und warum sie es so tun (z.B. bei mathematischen Methoden)?
– Können die Schüler ihr Wissen auch in anderen Zusammenhängen ausserhalb der Prüfungssituation anwenden – insbesondere in praxisorientierten Problemstellungen? (Können sie z.B. ihre Geometriekenntnisse anwenden, indem sie Pläne eines Hauses zeichnen? Können sie ihre Biologiekenntnisse beim Gärtnern oder in der Tierhaltung anwenden? usw.)

Bei den Schülern, die in unsere Aufgabenhilfe kommen, stelle ich manchmal solche Kontrollfragen bzw. entsprechende Aufgaben. Dabei stelle ich regelmässig eine grosse Diskrepanz fest zwischen (guten) Prüfungsnoten und tatsächlich vorhandenen Kenntnissen und Fähigkeiten. Insbesondere in der Mathematik (dieses Fach nimmt den Löwenanteil an „Nachhilfebedürfnissen“ ein): Wenn die Schüler wissen, was an der Prüfung kommt, und diese nur ein eng umschriebenes Thema umfasst, dann ist es für sie relativ einfach, mit auswendiggelernten Methoden oder Formeln zu den richtigen Lösungen zu kommen. (Erst recht wenn, wie meistens heutzutage, lediglich unter vorgegebenen Mehrfachantworten ausgewählt werden muss – da muss man nur gut raten können.) Sie können aber nicht erklären, warum die Methode funktioniert, was die Formel bedeutet, oder wie man deren Richtigkeit zeigen kann. Sie verstehen auch die Zusammenhänge nicht zwischen ihrem augenblicklichen Prüfungsthema und früher durchgenommenen Themen. Deshalb vergessen sie nach der Prüfung alles wieder. Das ist kein „Lernen“; das ist nur Prüfungstraining. (Siehe „Mathematikunterricht: Eine Frage der Bürokratie oder der Prinzipien?“)

Nun stellt sich natürlich die Frage, welche Art von „Lernen“ vom Schulsystem bezweckt wird. Nehmen wir an, das Schulsystem sei einigermassen effizient, d.h. es erreiche einigermassen das, was es sich vorgenommen hat. Dann können wir vom Ergebnis auf die Absicht schliessen: Das Schulsystem bezweckt anscheinend, in den Schülern die zweitgenannte Art des „Lernens“ zu bewirken, also das gedankenlose Wiedergeben und Nachmachen. Das Schulsystem dient nicht dazu, selbständiges Denken und Arbeiten zu fördern. Im Gegenteil, es bezweckt die Formung von abhängigen, gedankenlosen Befehlsausführern. (Früher wurden solche Personen „Sklaven“ genannt.)
Falls dies zutreffen sollte, dann ist auch klar, warum Lehrer sich nicht dafür interessieren, wie Schüler lernen. In einem solchen System sind ja auch die Lehrer nur gedankenlose Befehlsausführende. Auch sie wurden nur daraufhin trainiert, den Richtlinien ihrer Vorgesetzten Folge zu leisten, ohne nach dem Warum und Wozu zu fragen. Konformität ist alles; ob es dem Schüler etwas nützt, ist unwesentlich.
Ich weiss, das ist eine unfreundliche Schlussfolgerung. Aber sie drängt sich auf; denn die einzige Alternative dazu wäre, unsere Vorannahme zu widerrufen und zu behaupten, das Schulsystem sei völlig ineffizient und unfähig – und dann müssten wir uns doch fragen, warum es überhaupt noch existiert.

Lernen Lehrer, wie Lehrer lehren, oder lernen Lehrer, wie Schüler lernen? (2.Teil)

6. Mai 2013

In einem ersten Teil haben wir gesehen, dass rund die Hälfte der Schüler in der Schule kaum etwas lernen. Das wird sowohl durch Statistiken wie auch durch unsere eigenen Beobachtungen von Einzelfällen bestätigt. Wir haben zudem gesehen, dass in der Lehrerausbildung offenbar das Thema „Wie Kinder lernen“ weitgehend übergangen wird (zumindest hier in Perú). Es wird einfach stillschweigend angenommen, wenn die Lehrer „nach Vorschrift“ lehrten, dann würden die Kinder automatisch lernen – was aber, wie gezeigt, nicht der Fall ist.

Wie lernen also Kinder? Im folgenden einige Punkte, auf die ich bei meinen Nachforschungen gestossen bin, und die anscheinend den meisten Lehrern unbekannt sind:

– Die Fähigkeit zum abstrakten Denken entwickelt sich in der Regel erst in der Pubertät. Abstrakte Übungen, die nicht mit konkreten Gegenständen oder einer konkreten Handlung verbunden sind, und zu denen sich der Schüler auch keine konkrete Vorstellung machen kann, sind deshalb für durchschnittliche Primarschüler sinnlos. Dazu gehören z.B: Definitionen aus dem Wörterbuch abschreiben; Synonyme zu zusammenhanglos ausgewählten Wörtern finden; Satzglieder bestimmen; Rechnen mit Zahlen, die zu gross sind, als dass der Schüler sich eine konkrete Vorstellung davon machen könnte; Auswendiglernen mathematischer Formeln und Definitionen; Rechnen mit algebraischen Ausdrücken; Beschreibungen naturwissenschaftlicher Gegebenheiten, die nicht der Erfahrungswelt des Kindes entstammen; usw.
Stattdessen braucht ein Primarschulkind konkrete Anschauungen, Erfahrungen und Handlungen, um etwas zu lernen. (Siehe dazu auch: „Wenn das Gehirn keine Hände hat“.) Also z.B. besser einen Froschteich besuchen oder Kaulquappen züchten, statt einen Text über Frösche ins Heft schreiben. Besser mathematische Operationen mit konkreten Gegenständen ausführen (Bohnen, Holzstäbe, Münzen, …) statt nur mit Zahlen im Heft. Besser die unterschiedlichsten Gegenstände messen, als seitenweise Meter in Zentimeter umrechnen und umgekehrt. (Ich hatte Schüler, die letzteres jahrelang getan hatten und immer noch keine Ahnung hatten, wie lang ein Meter wirklich ist.) Besser Geschichten lesen und nachspielen, oder konkrete Alltagstätigkeiten ausführen und darüber sprechen, um sich einen grösseren Wortschatz anzueignen, statt Definitionen neuer Wörter zu lernen.
Über diesen Punkt wissen Lehrer eigentlich Bescheid – auch hier in Perú wissen sie zumindest, dass Jean Piaget in der kindlichen Entwicklung eine „Phase der konkreten Operationen“ beobachtet hat. Aber sie wissen anscheinend nicht die Konsequenzen daraus zu ziehen; oder das Schulsystem erlaubt es ihnen nicht. Sie „müssen“ ihre Schüler dazu zwingen, während eines Schuljahres mehrere fünfhundertseitige Arbeitsbücher durchzuarbeiten; und es wird kontrolliert, ob sie bis zum Tag X das Thema Y im Lehrplan erreicht haben. Da bleibt natürlich keine Zeit mehr für wirklich lehrreiche Tätigkeiten wie z.B. die obenerwähnten.

– Formeller Unterricht, wie er in der Schule abgehalten wird, ist für Kinder im Primarschulalter überhaupt nicht geeignet zum Lernen. Kinder in diesem Alter lernen hauptsächlich auf „informelle“ Weise, z.B. indem man zusammen etwas tut und darüber spricht und nachdenkt. Sei es nun Kuchen backen, einen Garten zu bestellen, eine Reise zu planen und durchzuführen, eine Schreiner-, Glaser-, Metall- oder Strickarbeit – alles ist lehrreich und mit bleibenden Eindrücken verbunden, wenn man als Eltern oder Lehrer die Kinder zum Nachdenken und Austauschen über diese Tätigkeiten bringt. Der wichtigste „Motor“ zum Lernen ist die eigene Aktivität des Kindes – und gerade dieser „Motor“ wird im herkömmlichen Schulunterricht stillgelegt, indem die Kinder zum Stillsitzen und zum passiven Zuhören angehalten werden.

– Die emotionelle Umgebung hat einen bestimmenden Einfluss auf die Lernfähigkeit eines Kindes. Ob ein Kind vor einer Prüfung Angst hat oder gelassen und zuversichtlich darangehen kann, beeinflusst das Ergebnis stärker als das effektive Wissen des Kindes. Was mit Freude und Begeisterung getan wird, bleibt eher im Gedächtnis, als was mit Widerwillen oder Langeweile verbunden ist. Eine gute persönliche Beziehung zwischen Lehrer und Kind hat einen grossen Einfluss darauf, ob und wieviel ein Kind von diesem Lehrer lernen wird.
Wir hatten schon mehrere Nachhilfeschüler, die neben ihren Schulschwierigkeiten auch grosse persönliche oder familiäre Probleme hatten. Nachdem wir diese persönlichen Probleme seelsorgerlich aufgearbeitet hatten, verringerten sich auch die schulischen Schwierigkeiten drastisch. (Eine dieser Schülerinnen holte innerhalb von drei Wochen den Mathematikstoff des ganzen letzten Sekundarschuljahres nach.)
Manchmal kommen neue Schüler, die zunächst gar nichts zu verstehen scheinen. Aber nach ein paar Wochen verschwindet dieser Eindruck, und wir sehen, dass sie normal intelligent sind. Aber während der ersten Wochen konnten sie die meisten unserer Fragen nicht beantworten, weil sie noch kein Zutrauen zu uns hatten. Sobald das Vertrauen da war, konnten sie auch unsere Erklärungen verstehen und auf unsere Fragen antworten.
Wo Kinder von Erwachsenen lernen sollen, da ist die persönliche Nähe zu einer erwachsenen Vertrauensperson unerlässlich. Die Zuteilung zu einer Schulklasse und der weitgehend unpersönliche Schulunterricht können eine solch persönliche Nähe nicht bieten. Etwas besser wäre eine Alternativschule mit Kleinklassen – sofern den Lehrern wirklich etwas an der persönlichen Betreuung ihrer Schüler gelegen ist. Aber noch viel besser ist die von Gott ursprünglich eingesetzte Erziehungs- und Bildungseinrichtung: die eigene Familie.

– Damit zusammenhängend: Die beste Lernmotivation sind nicht Noten oder Belohnungen und Strafen; eine viel grössere Motivationskraft hat das eigene Interesse des Kindes, seine Begeisterung und seine Neugier. Das konnte ich bei meinen eigenen Kindern aus erster Hand beobachten.
Z.B. sind sie ausgesprochene Leseratten. Als sie etwa neun oder zehn Jahre alt waren, hatten sie bereits alle für Kinder einigermassen geeigneten Bücher fertig gelesen, die wir im Haus hatten, und ich musste dringend neuen Lesestoff suchen für sie. Wir hatten sie nie zum Lesen gezwungen; aber sie lieben spannende Geschichten und hatten schnell herausgefunden, dass der beste Zugang dazu darin besteht, selber zu lesen. Im Gegensatz dazu interessieren sich Schulkinder, die gezwungenermassen in einem bestimmten Alter lesen lernen mussten, kaum je für ein Buch.
Mein jüngerer Sohn hatte in dem Alter, in dem Schulkinder die fünfte oder sechste Primarklasse besuchen, etwa seinem Alter entsprechende Mathematikkenntnisse. Aber er war ein begeisterter Modellbogenbauer und fing auch an, eigene Modellbogen zu entwerfen. (Siehe „Modellbogen-Geometrie“.) Nun brauchte er für seine Flugzeug- und Raketenmodelle immer wieder gerade und schiefe Kegel. Die ersten konstruierte ich für ihn, aber mit der Zeit lernte er selber, Kegel und Kegelschnitte zu zeichnen und zu konstruieren – ein Thema, das erst in höheren Schuljahren behandelt wird. Aber sein Interesse motivierte ihn, dieses für sein Alter sehr fortgeschrittene Thema zu studieren, bis er es beherrschte.
Mein älterer Sohn war lange Zeit nicht für Geschichte zu begeistern und lernte deshalb auf diesem Gebiet kaum etwas. Dann bekam er das Computerspiel „Age of Empires“ geschenkt und begann plötzlich begeistert über die alten Griechen und Römer zu lesen, über die Hunnen und die Völkerwanderung, über die Kreuzzüge, über die Mayas und die Azteken, usw…

– Jedes Kind lernt anders. Jedes Kind hat seinen eigenen „Entwicklungsfahrplan“ und seinen eigenen Lernstil. Einige Kinder erreichen im Alter von vier Jahren die nötige Reife, um das Lesen zu lernen; andere erst im Alter von neun Jahren. Wenn man diesen Zeitpunkt geduldig abwartet, dann lernt das Kind viel besser und mit viel weniger Stress, als wenn man es unter einen starren Lehrplan zwängt, der voraussetzt, dass alle Kinder im selben Alter dasselbe lernen sollen. Gegenwärtig werden die allermeisten Kinder in einem viel zu frühen Alter dem formellen akademischen Unterricht unterworfen. (Siehe „Besser spät als früh“ und „Diese falsch verschalteten Gehirnzellen…“.) Am anderen Ende des Spektrums befinden sich die hochbegabten Kinder, die von der Schule gebremst und gelangweilt werden, weil man sie zwingt, sich dem mühsamen Schrittempo ihrer Mitschüler anzugleichen.
Einige Kinder sind „sequentielle“ Lerner, d.h. sie müssen Inhalte und Gedankengänge in einer klaren, geordneten Reihenfolge vor sich haben, um sie nachvollziehen und im Gedächtnis behalten zu können. Andere Kinder springen gedanklich von einem zum anderen, lösen Aufgaben in einer wahllosen Reihenfolge und kommen immer wieder auf unerwartete Assoziationen – etwa nach dem Motto: „Der Durchschnittsmensch hält Ordnung, aber das Genie überblickt das Chaos.“ Keine Frage: das Schulsystem bevorzugt einseitig die sequentiellen Lerner – und verliert die Genies.
Einige Kinder achten vor allem auf die Details, andere auf das „grosse Ganze“. Einige Kinder sind eher sprachlich orientiert, andere eher mathematisch-technisch, andere eher mitmenschlich. Einige Kinder lernen besser allein, andere in einer Gruppe. Keine dieser Eigenheiten ist „besser“ oder „schlechter“ als eine andere. Wichtig ist, dass dem Kind erlaubt wird, seinem eigenen „Stil“ gemäss zu lernen. Dann wird es viel schnellere Fortschritte machen, als wenn es einem Einheitsprogramm unterworfen wird, wo alle zur selben Zeit dieselben Dinge auf dieselbe Art tun müssen.
Einige Kinder nehmen Informationen vor allem über die Augen auf, also auf graphische und anschauliche Weise; andere nehmen das meiste im persönlichen Gespräch auf; und wieder andere über die Hände und mittels körperlicher Bewegung. (Ja, man hat herausgefunden, dass es Kinder gibt, die nicht richtig zuhören können, wenn sie dabei stillsitzen müssen – sie müssen einen Gegenstand in ihren Händen drehen und wenden oder sonstwie in Bewegung sein, damit sie zuhören können!) Diese letzteren Kinder sind natürlich in der Schule äusserst benachteiligt: Sie werden als „Unruhestifter“, „ungehorsam“ oder „hyperaktiv“ etikettiert, und im „Programm“ kommt kaum etwas vor, was ihrer Wesensart entspräche und ihnen so die Gelegenheit gäbe, einen Lernerfolg zu verbuchen. Deshalb bekommen diese Kinder oft schlechte Noten und werden dadurch zusätzlich entmutigt. In einer alternativen „aktiven Schule“ oder in einem flexiblen, auf ihre Bedürfnisse zugeschnittenen Homeschooling-Programm könnten sie viel besser (und glücklicher!) lernen.

Das wären also ein paar Themen aus dem Kurs „Wie Kinder lernen“, den wir autodidaktisch mittels unserer eigenen Erfahrungen und Beobachtungen, sowie zusätzlicher Lektüre zum Thema, studiert haben. Eigentlich sollte jeder Lehrer einen derartigen Kurs absolvieren – und vor allem dessen Ergebnisse in die Praxis umsetzen. Dann fände er vielleicht heraus, dass das Lernen der Schüler gar nicht so sehr am Lehren der Lehrer hängt, wie man es ihm in seiner Ausbildung beigebracht hat.

Lernen Lehrer, wie Lehrer lehren, oder lernen Lehrer, wie Schüler lernen? (1.Teil)

1. Mai 2013

Während der letzten Jahre hatte ich Gelegenheit, Dutzende von Schülern zu beobachten, die in der Schule offenbar (fast) nichts lernen. Das sind nicht nur Ausnahmefälle, und das ist auch nicht nur mein subjektiver Eindruck, sondern das ist statistisch bestätigt worden:

„In Mexico machte die OECD vor einigen Wochen bekannt, dass 66% der 15jährigen in Mathematik ungenügend sind, und 52% haben ungenügende Fähigkeiten im Lesen. Die Bildungs- und Kulturzeitschrift „La Tarea“ veröffentlichte die folgende Reportage:
„In der Primarschule wird der Anteil von Kindern, die keinerlei oder nur minimale Leistungen erbringen, mit 31,1% angegeben. Es besteht dabei eine umgekehrte Korrelation zwischen dem Schuljahr und dem Lernniveau. Das erklärt sich dadurch, dass das Kind jedes neue Schuljahr mit einem enormen Rückstand anfängt, welcher sich jedes Jahr kompliziert. In späteren Erhebungen wurde gefunden, dass in der sechsten Klasse das niedrigste Leistungsniveau der ganzen Primarschule herrscht…“
(Aus Kathleen McCurdy, „Die Neuronen, die von der Schule vergessen wurden“, 2006)

Also: Zwischen einem und zwei Drittel aller Schüler haben trotz (oder wegen?) langjährigem regelmässigem Schulbesuch so gut wie nichts gelernt. Woran liegt das? Darüber gibt die Statistik keinen Aufschluss, aber die Beobachtung einiger Einzelfälle kann uns vielleicht auf die Spur führen.

Ein Viertklässler bringt als Hausaufgabe eine Liste von zehn Wörtern, deren Definitionen er im Wörterbuch nachschlagen und abschreiben soll. (Eine Aufgabe, die Schülern hierzulande ziemlich oft und routinemässig aufgegeben wird.) Ich frage ihn, ob ihm diese Wörter bekannt sind. Nein, nur von einem oder zwei hat er eine ungefähre Vorstellung, was es bedeutet; die anderen sind ihm völlig unbekannt. Das erste Wort ist „Phänomen“. Im Wörterbuch steht dazu: „Jegliche Manifestation der Materie oder der Energie. – Aussergewöhnliche oder überraschende Erscheinung.“ – Der Schüler schreibt brav die Definition ab. Dann frage ich ihn: „Kannst du mir jetzt sagen, was ein Phänomen ist?“ – „Hm… so etwas ähnliches wie ein Gespenst.“ – Offenbar hat er die soeben abgeschriebene Definition nicht verstanden. Kein Wunder, denn sie enthält mindestens drei weitere ihm unbekannte Wörter. Ich versuche ihm zu erklären, was es bedeutet, aber der Schüler hat keine Geduld mit mir: „Machen wir schnell weiter, ich möchte fertigwerden, ich habe nachher noch eine Mathematikaufgabe.“

So verbringt der Schüler einen ganzen Nachmittag mit Hausaufgaben, aus denen er nicht das Geringste lernt. Er könnte ebensogut chinesische Schriftzeichen abzeichnen. Kinder im Primarschulalter, deren Denken noch völlig auf das Konkrete ausgerichtet ist, können neue Wörter nicht mit Hilfe abstrakter Definitionen lernen. Sie müssen sie im Zusammenhang einer konkreten Erfahrung oder einer für sie verständlichen Erzählung kennenlernen. Ich frage mich, ob der Lehrerin dieser Sachverhalt bekannt ist?

Viele Primarschüler berichten, sie würden von ihrer Lehrerin geschlagen, wenn sie die Hausaufgaben nicht gemacht hätten oder an einer Prüfung eine schlechte Note hätten. (Ich weiss, das gibt es in Europa in der Regel nicht mehr. Aber ich muss annehmen, dass europäische Lehrer einfach andere, raffiniertere Methoden finden, um „schlechte Schüler“ zu demütigen.) Kein Wunder, dass diese Schüler vor jeder Prüfung (oder sogar vor jedem Schulmorgen) Angst haben und deshalb erst recht versagen. Kümmert das irgendeinen Lehrer?

Seit ein paar Jahren haben peruanische Schüler jeden Morgen fünf bis sieben(!) Stunden Schule – am Stück, mit nur einer halbstündigen Pause zwischendrin. Und allmählich werden jetzt auch die Nachmittage mit jeweils zwei bis drei Schulstunden besetzt; dazu kommen noch zwei bis vier Stunden Hausaufgaben. (Schüler, die in einem Fach Mühe haben, brauchen u.U. noch länger.) Dabei haben Untersuchungen herausgefunden, dass das menschliche Gehirn – sogar bei erwachsenen Studenten – nach spätestens vier Stunden Studium nicht mehr aufnahmefähig ist und dann eine längere Pause benötigt. Was dem gesunden Menschenverstand schon von sich aus klar sein sollte: Ein Kind ist keine Lernmaschine, die man ununterbrochen laufen lassen könnte. Es braucht genauso auch Zeiten der Erholung, der körperlichen Betätigung, der praktischen Arbeit und des Spiels. Wenn man dem Kind diese Zeiten wegnimmt in der Meinung, es würde dann mehr lernen, dann ist das äusserst kontraproduktiv. Haben die Lehrer und Schulplaner irgendwann einmal davon gehört?

Nach einer Reihe solcher und ähnlicher Beobachtungen drängt sich unweigerlich die Frage auf, die ich im Titel gestellt habe: Hören die Lehrer in ihrer pädagogischen Ausbildung eigentlich auch etwas darüber, wie Kinder lernen? Oder wird ihnen nur beigebracht, wie sie nach den Vorstellungen staatlicher Schulplaner lehren sollen?

Da mehrere Mütter unserer gegenwärtigen Nachhilfeschüler selber Lehrerinnen sind, stellte ich diese Frage an einem Elternabend: „Wieviel Zeit wurde in Ihrer Berufsausbildung darauf verwendet, zu studieren, wie Kinder lernen?“ – Sie sahen mich nur gross an und verstanden die Frage gar nicht. Ich musste mich näher erklären: „Sicher haben Sie in Ihrer Ausbildung vieles gelernt über Unterrichtsplanung, Vorbereitung von Lektionen, Didaktik, Lehrmethoden, und wie Sie den ganzen bürokratischen Papierkram ausfüllen müssen. Das sind alles Dinge, die der Lehrer tut und die vom Lehrer erwartet werden. Haben Sie aber auch etwas gelernt darüber, was in den Kindern vorgeht: wie der Lernprozess von seiten des Kindes aussieht; was für eine Umgebung der Entwicklung der kindlichen Intelligenz förderlich ist; was für Arten des Lernens oder Lernstile es gibt, usw.?“ – Nun bekam ich ein paar Antworten, die aber alle auch wieder auf das Lehren abzielten, also auf die Tätigkeit des Lehrers: „Wie man Schulstunden interessant gestalten kann.“ – „In welcher Reihenfolge der Stoff aufgenommen werden soll.“
Ich muss daraus schliessen, dass durchschnittliche Lehrer – zumindest hier in Perú – so gut wie unwissend sind darüber, wie Kinder lernen. (Wie es in anderen Ländern ist, weiss ich nicht; ich schreibe hier aus der Warte meiner eigenen Umgebung.) Und wahrscheinlich interessiert es sie auch nicht besonders, denn sie werden in erster Linie daraufhin kontrolliert, ob sie „richtig“ (d.h. nach den staatlichen Richtlinien) lehren.
Dabei wird jeweils als selbstverständlich vorausgesetzt, dass bei „richtigem“ Lehren der Lehrer automatisch der Lernerfolg der Schüler einträte. Oder wie Ivan Illich sinngemäss sagte: „Das ganze Schulsystem beruht auf der irrigen Annahme, Lernen sei das Ergebnis von Lehren.“ – Diese Annahme wird schon durch die oben angeführten Statistiken widerlegt: Rund die Hälfte der Kinder, die solchem „Lehren“ ausgesetzt sind, lernen kaum etwas. (Und bei weiterem Nachforschen stellt sich heraus, dass jene, die wirklich etwas lernen, sich ihr Wissen zum grössten Teil nicht in der Schule aneignen, sondern von ihren Eltern oder durch selbständiges Lernen. Darüber vielleicht ein anderes Mal…)
Ausserdem gibt es dank der amerikanischen Homeschooling-Bewegung inzwischen tausende von Gegenbeispielen: Kinder, die mehr lernen als durchschnittliche Schulkinder, obwohl (oder weil?!) sie nur selten auf schulmässige Weise „belehrt“ werden. (Ein beträchtlicher Anteil der Homeschooling-Familien benützt keine starren Lehrpläne oder Schulbücher, sondern hat ein flexibles und praxisorientiertes Programm, das hauptsächlich durch die Interessen der Kinder selbst motiviert wird. Siehe „Die Moore-Formel“.)

Wie also lernen Kinder? Dieser Frage wollen wir in einem zweiten Teil nachgehen.