Die Schafe folgen dem Guten Hirten.
Das Gleichnis in Johannes 10 betont die enge Vertrauensbeziehung zwischen den Schafen und dem Guten Hirten:
„Die Schafe hören seine Stimme, und er ruft seine eigenen Schafe, jedes mit Namen, und führt sie hinaus. Wenn er seine eigenen Schafe hinausgeführt hat, geht er vor ihnen her, und die Schafe folgen ihm, denn sie kennen seine Stimme.“ (Johannes 10,3-4)
„Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie, und sie folgen mir …“ (Vers 27)
Hier in Perú (und möglicherweise auch in den anderen ehemaligen spanischen Kolonien) sind diese Worte noch schwieriger zu verstehen als in der europäischen Kultur. Peruanische Hirten gehen nicht vor ihren Schafen her. Sie gehen hinter ihnen und treiben sie vor sich her, so wie man es z.B. mit Kühen machen würde. Dieser kleine kulturelle Unterschied ist ein grosses Hindernis zum Verständnis des Evangeliums. Es macht einen grossen Unterschied in der Beziehung zwischen Hirte und Herde, ob der Hirte vor den Schafen hergeht oder hinter ihnen.
Wo der Hirte die Schafe vor sich hertreibt, besteht eine Beziehung der Überwachung und des gegenseitigen Misstrauens. Die Schafe haben niemanden, dem sie folgen können; sie müssen den Weg selber finden. Ausserdem fühlen sie sich ständig von hinten bedroht. Statt ihrem Hirten zu vertrauen, fürchten sie ihn. Der Hirte vertraut seinen Schafen ebensowenig: er muss sie antreiben, damit sie vorwärtsgehen, und er muss sie ständig überwachen, damit sie nicht vom Weg abkommen.
Das ist genau die Art von Beziehung, die in Perú seit der spanischen Eroberung herrscht zwischen Leitern und Geleiteten in der Gesellschaft, in der Politik, in der Arbeitswelt, und auch in den Kirchen: Antreiben und angetrieben werden; manipulieren, andere ausnützen, und ausgenützt werden. Auch in europäischen Kirchen habe ich diese Art kontrolliender, überwachender und manipulierender „Leiterschaft“ beobachten müssen. Aber wo diese Art von Beziehungen herrscht, da ist nicht neutestamentliche Gemeinde. Diese Beziehungen müssen vom Evangelium grundlegend verändert werden.
Wo der Hirte vor den Schafen hergeht, da sieht es ganz anders aus: Es herrscht eine gegenseitige Vertrauensbeziehung. Die Schafe vertrauen, dass der Hirte sie zu einem guten Ort führen wird, wo es zu essen gibt, und deshalb folgen sie ihm vertrauensvoll. Aber auch der Hirte vertraut seinen Schafen: er vertraut ihnen, dass sie ihm freiwillig folgen werden, und muss sie nicht ständig überwachen. – Ausserdem ist der Hirte derjenige, der als erster den Weg begeht. Wenn irgendwo ein gefährlicher Abgrund ist, eine kaputte Brücke, ein Sumpf, oder sonst ein Hindernis, dann ist der Hirte der erste, der der Gefahr begegnet und sie von den Schafen abwendet.
Das ist die Art von Beziehung, die wir mit dem Herrn Jesus haben können; und das ist auch die Art von Beziehung, die in einer echten christlichen Gemeinde zwischen „Leitern“ und anderen Christen besteht.
Wir stellen ausserdem fest, dass die Schafe immer dem Guten Hirten folgen, nicht einem anderen Schaf! In diesem Gleichnis muss jeder Älteste, „Pastor“ oder „Leiter“ sich selber als Schaf identifizieren, nicht als „Hirte“. Sicher, einige Schafe kennen den Weg besser als andere; aber das rechtfertigt nicht, dass sie sich über die Herde erheben und die Rolle des Hirten an sich reissen würden. Auch jene Schafe, die eine „Leitungsfunktion“ ausüben, werden dadurch nicht zu etwas anderem als Schafe. Eine Gruppe von Christen hört auf, neutestamentliche Gemeinde zu sein, wenn ihre Leiter sich anmassen, die Leben ihrer Mitchristen so zu überwachen und zu dirigieren, wie es allein dem Guten Hirten zusteht.