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Lernprojekt „Arche Noah“

13. Februar 2018

Schon lange habe ich nicht mehr „aus der Schule geplaudert“, bzw. einen Artikel für diese Blog-Sektion geschrieben. Das liegt daran, dass wir in letzter Zeit nicht mehr viel „Schule“ haben. Unsere eigenen Kinder sind jetzt gross, studieren auswärts und haben unseren „Unterricht“ kaum noch nötig. In unserer Umgebung besteht nicht viel Interesse an unserem pädagogischen Modell. Dafür fragen uns manchmal Interessenten von weiter weg, ob sie von uns lernen dürfen. So war kürzlich eine Mutter aus Kolumbien mit ihrem neunjährigen Sohn für zwei Wochen bei uns, um zusammen einige Studien und Lernprojekte durchzuführen. Mit von der Partie war auch eine andere Homeschool-Familie, deren Kinder allmählich in das Alter kommen, wo man mit ihnen interessantere Aktivitäten durchführen kann.

Ein wichtiges Ziel dieser Zeit bestand darin, ein themenzentriertes Lernprojekt zu erarbeiten und praktisch durchzuführen, das Aktivitäten aus den verschiedensten Wissensgebieten bzw. „Schulfächern“ umfasst: Lesen, Schreiben, Rechnen, Naturkunde, Zeichnen, Basteln, Singen, Bibel, usw. Diese Arbeitsweise ist für „Homeschooling“ ideal: Das Thema wird entsprechend der Interessen der Kinder gewählt, sodass deren Motivation bereits sichergestellt ist. Der Schwierigkeitsgrad der Aktivitäten kann dem Entwicklungsstand der Kinder angepasst werden, wobei oft die Älteren den Jüngeren helfen. Neue Inhalte und Fertigkeiten werden nicht nach „Schulfächern“ fragmentiert aufgenommen, sondern zusammenhängend in Verbindung mit dem umfassenden Thema.

Der jüngste Teilnehmer (vierjährig) war schon seit über einem Monat von der Arche Noah fasziniert; er hatte während dieser Zeit fast täglich ein Bilderbuch mit der Noah-Geschichte angeschaut und hat insgesamt gegen hundert Archen gezeichnet. So wählten wir dies als Hauptthema für die Aktivitäten mit den Kindern.

Zuerst sammelten wir mit den Eltern Ideen für verschiedenste Aktivitäten:
– Lesen: über verschiedene Tiere und ihre Gewohnheiten; über Schiffsbau. Zusammenfassungen schreiben. (Das Lesen über Tiere schliesst zugleich das Fach „Naturkunde“ mit ein.)
– Zeichnen: Tiere zeichnen; die Arche; Regenbogen.
– Basteln: Ein Modell der Arche bauen.
– Rechnen: Die in der Bibel angegebenen Masse der Arche in heutige Masseinheiten umrechnen. Zum Bau des Modells massstäblich umrechnen.
– Singen: Lieder über Tiere singen.
– Bibelunterricht war durch das Lesen der Geschichte von Noah bereits eingeschlossen.

Dem Alter der Kinder entsprechend konnten wir noch keine allzu anspruchsvollen Aufgaben planen. Da die kleineren Kinder noch nicht lesen konnten, lasen die grösseren ihnen vor.

Bei der Durchführung der Aktivitäten ergaben sich ab und zu neue Ideen. Nachdem wir ein wenig über Löwen und über Fische gelesen hatten, fanden wir, dass unser neunjähriger Gast sich vor allem für Katzen interessierte und gerne selber eine Katze halten wollte. (Das ist jetzt das nächste Projekt für seine Familie…) Wir formulierten zuerst gemeinsam einige Fragen über Katzen und lasen dann ausgiebig, um die Antworten zu finden. Zum Beispiel:

Warum spielen Katzen?
Warum streiten sich Katzen und Hunde?
Wie muss man ein Katze erziehen, damit sie stubenrein wird?
Was für besondere Fähigkeiten haben Katzen?
Wann und wo wurden Katzen zuerst domestiziert?
Was fressen Katzen?
Wieviel frisst eine Katze im Tag?
Wie schwer ist eine Katze?

Da wir selber eine Katze haben, konnten wir die letzten beiden Fragen durch direkte Beobachtung beantworten. Der Junge hatte für die Zeit seines Aufenthalts das Füttern der Katze als sein Ämtchen übernommen. So musste er nur noch die tägliche Portion der Katze wägen. Wir stellten ihm dann noch die Aufgabe auszurechnen, wieviel die Katze in einem Monat frisst, und wie viel das kostet.

Komplizierter war das Wägen der Katze selber, denn sie wollte nicht auf der Personenwaage stillhalten. Wir gaben den Kindern absichtlich keine Anweisungen, sondern forderten sie heraus, selber eine Lösung zu finden. Zuerst versuchten sie der Katze auf der Waage etwas zu fressen zu geben, aber das funktionierte nicht. Dann versuchten sie die Katze in einen Eimer zu setzen und so zu wägen, aber sie wehrte sich mit allen Kräften. Schliesslich musste ich ihnen zeigen, dass die Katze stillhielt, wenn jemand von uns sie auf dem Arm trug. Das ergab eine neue Rechnungsaufgabe: Die Person mit der Katze wiegt so und so viel. Die Person allein wiegt so und so viel. Wieviel wiegt die Katze?

Beim Ausrechnen der Masse der Arche Noah kamen wir auf die Idee, diese Masse draussen auf der Strasse abzuschreiten, um eine bessere Vorstellung davon zu bekommen. Alle staunten, wie lang die Arche war (etwa 135 Meter). Die Breite der Arche wurde gut veranschaulicht durch einen Spielplatz in der Nähe, der ungefähr gleich breit war (22,5 Meter). Dann suchten wir ein Haus, dessen Höhe ungefähr der Höhe der Arche entsprach (etwa fünf Stockwerke).

Dann kamen wir auf die Idee, auf dem Zementboden des Spielplatzes mit Kreide einige grosse Tiere in Lebensgrösse zu zeichnen: Löwe, Elefant, Nilpferd, Giraffe. Dazu mussten wir natürlich zuerst in einem Tierbuch nachlesen, wie gross diese Tiere waren. Dann massen die grösseren Kinder auf dem Spielplatz die entsprechenden Masse ab, und alle halfen beim Zeichnen. Wir staunten am Schluss, wie „klein“ diese grossen Tiere sich ausnahmen im Vergleich zu den Ausmassen der Arche. Tatsächlich hätten auf jedem der drei Decks mehrere hundert Tiere dieser Grössenordnung bequem Platz gefunden.

Die Nilpferd-Zeichnung.

Hier entsteht eine Giraffe.

Der „Initiant“ unseres Themas musste natürlich auch hier eine Arche zeichnen; allerdings nicht in tatsächlicher Grösse.

Es blieb nicht mehr viel Zeit, um über Schiffsbau zu lesen. Wir fanden aber die interessante Information, dass auch moderne Hochseeschiffe oft in denselben Grössenverhältnissen wie die Arche gebaut werden; insbesondere Frachtschiffe, die nicht unbedingt schnell vorwärtskommen müssen, aber auch mit schweren Lasten auf hoher See stabil bleiben müssen. Und tatsächlich war ja bei der Arche die Stabilität und Tragfähigkeit das wichtigste Erfordernis, während die Geschwindigkeit unwichtig war.

Schliesslich bauten wir aus Kartonschachteln ein Modell der Arche im Massstab 1:100.

Die Arche im Bau. Innerhalb der Arche einige aus Karton ausgeschnittene grosse Tiere im selben Massstab.

Unser vierjähriger „Arche-Fan“ bestand darauf, dass die Arche in richtigem Wasser schwimmen müsse. Wir strichen sie deshalb mit flüssigem Kerzenwachs an, damit möglichst kein Wasser eindringen konnte. Das biblisch vorgeschriebene Material dazu wäre zwar Pech gewesen; aber darauf verzichteten wir, aus Rücksicht auf die Hände und Kleider der Kinder… Dann gingen wir zum Fluss, um die Probe zu machen. Die Arche schwamm prächtig, und wir fanden, dass sie sogar eine Last von etwa 15 kg gut aushalten konnte. Nur bildeten sich mit der Last dann doch einige kleinere Lecks, sodass wir den Versuch abbrechen und die Arche trocknen mussten. Pech hätte besser abgedichtet.

Die Arche wird zu Wasser gelassen.

Im Lauf dieses Projekts fanden wir wieder neu bestätigt, dass Lernen Freude macht, wenn dabei auf die Bedürfnisse und Interessen der Kinder Rücksicht genommen wird. Abgesehen von den „eigentlichen“ Themen (Arche, Tiere, Schiffe) kamen nebenbei und auf informelle Weise verschiedene „schulische“ Inhalte zum Zug: Fragesätze; Längenmasse; Proportionen; Auftrieb; u.a. Diese müssen jetzt nicht mehr als trockene Theorie eingeführt werden, weil die Kinder bereits praktische Erfahrungen damit gesammelt haben. Und nicht zuletzt sorgten die Ausflüge zum Spielplatz und zum Fluss für ausreichende Bewegung an der frischen Luft.