Archive for the ‘Autoritarismus und geistlicher Missbrauch’ Category

Christliche Institutionen, die politisch inkorrekte Rede zensurieren, schaufeln ihr eigenes Grab

11. November 2022

In letzter Zeit übernehmen auch kirchliche Leiter häufiger die Verhaltensweise des „virtue signalling“ (auf Deutsch etwa: „Zeichen von Tugendhaftigkeit aussenden“). D.h. gewisse Stellungnahmen und Handlungen erfolgen mit der kalkulierten Absicht, der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass man tugendhaft ist. „Tugendhaft“ natürlich nicht im biblischen Sinn, sondern im Sinn einer politischen Korrektheit und Regierungstreue. Z.B. indem man rhetorische Purzelbäume schlägt, um zum voraus jegliche Anklage zu vermeiden, man könnte „homophob“ oder „rassistisch“ oder „gesundheitsgefährdend“ oder „klimaschädlich“ sein. Oder indem man Beifall klatscht, wenn ein christlicher Prediger wegen sogenannter „Hassrede“ verurteilt wird. Oder indem man innerhalb der eigenen Gruppe politisch inkorrekte Aussagen zensuriert; oder wenn man einmal nicht verhindern konnte, dass solche Aussagen gemacht wurden, man diese sofort unterdrückt und sich davon distanziert.

Oft denken die Betreffenden, sich mit dieser Anpassung an den Zeitgeist mehr gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen, oder der drohenden Verfolgung entgehen zu können. Aber das ist eine Fehlkalkulation. Die deutschen Kirchen versuchten sich an den Nationalsozialismus anzubiedern. Als Ergebnis wurden sie zu so vollständiger Anpassung gezwungen, dass sie praktisch zu Sprachrohren der Regierung wurden. Sie machten sich der Irreführung von Millionen Menschen schuldig, und der Komplizenschaft mit der Judenverfolgung. Heute betrachten wir Persönlichkeiten wie Niemöller oder Bonhoeffer als die Helden jener Zeit. Aber damals galten sie als die Störefriede und Spalter, die man – eben – zensurieren musste.
– Viele chinesische Christen unterstützen Mao und die Kulturrevolution. Aber sobald die Kommunisten die Oberhand hatten, begannen sie die Christen auszurotten, auch und gerade jene, die sie vorher unterstützt hatten.

Christliche Leiter, die politisch inkorrekte Rede zensurieren, ermöglichen und fördern die gegenwärtige Kultur der „Annullierung“ und der Zensur. Sie werden mitschuldig am Verlust der Redefreiheit, und verhelfen den antichristlichen Strömungen zum Sieg. Eines von beiden wird deshalb immer geschehen: Entweder gehen diese Institutionen ihren Weg der Anpassung bis zum bitteren Ende, wo von Christlichkeit nichts mehr übrigbleibt. Damit mögen sie als Institutionen überleben, aber als antichristliche. Oder sie werden schliesslich selber von der Annullierungs- und Zensurkultur ausgerottet, zu deren Aufbau sie beigetragen haben.

Der Ausreden gibt es viele. Es wird z.B. gesagt: „Wir wollen den Glauben nicht politisieren.“ Aber indem Meinungsäusserungen je nach ihrer politischen Korrektheit zugelassen oder zensuriert werden, hat man den Glauben bereits politisiert. Wenn sich die herrschende Politik gegen christliche Wahrheiten oder Aktivitäten richtet, dann ist es für Christen nicht mehr möglich, dieser Politik gegenüber neutral oder gleichgültig zu bleiben. Wer auf „Neutralität“ setzt, hat bereits einen politischen Standpunkt bezogen.
Ähnlich wird gesagt: „Wir wollen die Gesundheitsvorschriften nicht zu einer Glaubensfrage machen.“ Aber wer das Einhalten dieser – ohne jede empirische Grundlage durchgesetzten – Vorschriften als „christliche Pflicht“ oder ähnlich bezeichnet, oder wer Menschen, die gewisse Vorschriften nicht einhalten, von seiner Gruppe oder Gemeinschaft ausschliesst, der hat bereits eine Glaubensfrage daraus gemacht.

In Wirklichkeit kommt kein Nachfolger Jesu darum herum, politisch zu sein. Zentral im christlichen Glauben ist das Bekenntnis: „Jesus ist der Herr!“ – nicht der Kaiser, nicht die irdische Regierung, nicht der „wissenschaftliche Konsens“, nicht die internationalen Arzneimittel- oder Internetfirmen, nicht die Milliardäre und die Banker, sondern Jesus. Jeder Herrscher, der die unumschränkte und totale Macht anstrebt, wird dieses Bekenntnis unweigerlich als Kampfansage gegen ihn persönlich interpretieren – auch wenn die Christen das überhaupt nicht beabsichtigen. Allein schon das Bekenntnis zu einem anderen Herrn, ausserhalb und über den Mächigen dieser Welt, ist eine hochbrisante politische Aussage. Wer sich selbst oder die Kirche „aus der Politik heraushalten“ möchte, der kann das nur tun, indem er dieses Bekenntnis verleugnet.

Die Freikirchen im Dritten Reich

1. November 2022

Die Geschichte des seinerzeitigen Kirchenkampfs unter den Lutheranern ist einigermassen bekannt; ebenso die widersprüchlichen Stellungnahmen und Verflechtungen des Vatikans. Weniger bekannt ist die Geschichte der Freikirchen, die sich damals als noch leichtgläubiger und verführbarer herausstellten als die grossen Landeskirchen.

Zwar haben damals nicht nur die Kirchenleiter, sondern die grosse Mehrheit der Deutschen die Bosheit des Nationalsozialismus nicht erkannt, und hielten an der Illusion fest, in einem freiheitlichen Rechtsstaat zu leben. Doch hätten gerade die Freikirchen, deren Mitglieder behaupten, Gottes Heiligen Geist zu haben, ein besseres geistliches Unterscheidungsvermögen an den Tag legen sollen. Stattdessen waren anscheinend gerade sie besonders bestrebt, ihre Mitglieder in die Gefolgschaft des (Ver-)Führers zu bringen.

Auf dieser Webseite kann man eine Sammlung von Originalzitaten damaliger Freikirchenleiter finden, sowie von späteren Historikern, die diese Geschichte aufarbeiteten. Ich gebe im Folgenden einen Auszug daraus wieder:

„Oft wurde ich gefragt: Wie ist denn eure, der Freikirchen, Stellung zum nationalsozialistischen Staat? Darauf kann ich nur antworten, dass die in der Vereinigung evangelischer Freikirchen verbundenen Kirchen dankbar sind für die volle Freiheit der Verkündigung des Evangeliums von Christo und für den Dienst in Evangelisation, Seelsorge, sozialer Fürsorge und Gemeindeaufbau.
Sie haben die nationale Erhebung des deutschen Volkes als eine Tat göttlicher Vorsehung betrachtet, ihre Gemeinden in den kritischen Tagen des Umbruchs auf die grundlegenden Worte des Apostels Paulus über die Stellung der Christen zum Staat in Römer 13 hingewiesen und sie ersucht, in treuer Fürbitte für die Obrigkeit anzuhalten.“
Bischof Dr. Otto Melle (1936-1946 Bischof der Methodistenkirche, Vorsitzender des Blankenburger Komitees der Ev. Allianz, Rede als Vertreter der Vereinigung evangelischer Freikirchen vor dem Plenum der ökumenischen Weltkirchenkonferenz in Oxford, 22.Juli 1937)

„Zur rechten Zeit hat Gott uns in Adolf Hitler den Führer gegeben, der unser Volk aus seiner tiefen Erniedrigung herausgeführt hat … Ich danke Gott, dass ich diesen Aufstieg Deutschlands aus tiefster Schmach noch habe erleben dürfen.“
Pfarrer Ernst Modersohn (1939, Leitung des Thüringischen Gemeinschaftsbundes u. Allianzhauses der deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg, Vorstandsmitglied des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, des Jugendbundes für entschiedenes Christentum und des Gemeinschafts-Diakonieverbandes, Mitbegründer des Pfarrergebetbundes. Er führet mich auf rechter Strasse, Harfe-Verlag Bad Blankenburg, 3. Auflage 1940, S. 387-388)

„Die Neugestaltung des gesamten Staats- und Volkslebens im Dritten Reich überwindet die bisherige Form der Jugendarbeit. Wir erkennen die einheitliche staatspolitische Erziehung der deutschen Jugend durch den nationalsozialistischen Staat und die Hitlerjugend als Trägerin der Staatsidee an […]
Im Hinblick darauf lösen wir mit dem 10. Februar den Jugendbund der deutschen Baptistengemeinden mit all seinen Gliederungen auf. Wir stellen es unseren jugendlichen Mitgliedern anheim, sich in das Jungvolk, in die Hitlerjugend und den Bund deutscher Mädel einzugliedern.“
Paul Schmidt 1934 (1958 bis 1967 Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, 1935 – 1959 Bundesdirektor Bund Ev-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland BEFG, Leiter des Baptistischen Jugendbund BJB. Zeitschrift Der Wahrheitszeuge 56, S. 59, Herausgeber: Bund der Baptistengemeinden, Kassel 1928–1939)

„Der nationalsozialistische Staat als Diener Gottes vertritt die Ordnungen der Gerechtigkeit, der Sittlichkeit und der Gemeinschaft. So sind wir berufen, uns hierbei mit allen Kräften einzusetzen.“
»Botschaft des Bundesältesten an die Gemeinden« (22. April 1934, Zeitschrift Der Wahrheitszeuge 56, S. 123, Herausgeber: Bund der Baptistengemeinden, Kassel 1928–1939)

„Ein düsteres Kapitel stellt das Verhalten der Baptisten gegenüber der Judenverfolgung dar. So bezog der Baptistenbund beispielsweise keine Stellung zum Novemberpogrom 1938. Über organisierte Hilfsmassnahmen des Bundes für verfolgte Juden ist nichts bekannt.
Christen jüdischer Herkunft erfuhren in einzelnen Fällen Unterstützung, vielfach wurden sie aber in den Gemeinden ausgegrenzt, so beispielsweise Joseph Haimos in der Baptistengemeinde in München; er kam 1943 in Auschwitz um. Erst 1997 wurde diese Schuld in einer Handreichung des BEFG explizit benannt.“
Dr. Andreas Liese 2009 (Die Geschichte der Baptisten in Deutschland, 1933 – 1945: Die Baptisten im Dritten Reich, 175 Jahre Baptisten in Deutschland, http://www.baptisten-nuertingen.de)

„Auf meinen vielen Reisen kreuz und quer durch Deutschland stosse ich in allen ernstchristlichen Kreisen beständig auf folgenden Tatbestand: Man steht mit ganzer, freudiger Hingabe zu und hinter Adolf Hitler und bekennt sich zum nationalsozialistischen Staat.“ (S.5)
„Den Christen möchte ich das Grundsätzliche im Nationalsozialismus deutlich machen, um sie aus ihrer Reserve zu herauszulocken und sie in die freudige Mitarbeit am Dritten Reich zu führen. […] Ohne die stille, freudige Mitarbeit der „Stillen im Lande“ wäre das hoffnungsvolle Werk  Adolf Hitlers in Frage gestellt.“ (S.6)
„Mit dem Durchbruch der nationalsozialistischen Revolution sind Staat und Volk grundsätzlich auf die „unerschütterlichen Fundamente des Christentums“ gestellt worden. Denn der nationalsozialistische Staat steht grundsätzlich auf dem Boden des positiven Christentums“ (S.39)
Friedrich Heitmüller, Februar 1934 (Prediger und Evangelist, 1933 Mitglied der NSDAP und der „Deutschen Christen“, stellvertretender Vorsitzender des Gnadauer Verbandes, Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, ab 1954 Präsident des internationalen Bundes freier evangelischer Gemeinden. Friedrich Heitmüller: Sieben Reden eines Christen und Nationalsozialisten, Hamburg 1934)

„Wir haben es am Anfang des Jahres 1927 für nötig gehalten und gewagt, unser Krankenhaus [Kranken- und Diakonissenhaus Elim, Hamburg] für jüdische Ärzte zu sperren. [… ] Wir kämpften um des Christen- und Deutschtums willen gegen die zersetzenden Einflüsse des gottlosen Reformjudentums nicht nur mit billigen Worten, sondern auch mit folgenschweren Massnahmen.“
Friedrich Heitmüller, Die Christliche Gemeinschaft Hamburg, Hamburg 1934

Heitmüller hat in späteren Jahren anscheinend einen Gesinnungswandel vollzogen und seine Mitschuld anerkannt:

„Im Blick auf meinen Weg spreche ich mich nicht frei von Schuld. Das Gegenteil ist der Fall […] Ich bekenne mich persönlich, meine Gemeinde, unsere Freikirchen und darüber hinaus unser ganzes Volk schuldig. [… ]
Wir Freikirchen sind, von Ausnahmen abgesehen, unseren Weg der Bejahung und der Unterstützung des Nationalsozialismus auch dann noch gegangen, als es bereits in voller Deutlichkeit am Tage lag, dass er eine von satanisch-dämonischen Geistes- und Geistermächten getragene und erfüllte Bewegung war. […]
Auch unser Bund der Freien evangelischen Gemeinden ging einen falschen Weg. [… ] Es ist allerhöchste Zeit, dass wir ein neues evangelisches Verständnis von Rom 13 und den anderen diesbezüglichen Schriftstellen gewinnen. […] Unsere Fehlrechnung von 1933 bis 1945 enthält eine erschreckende Zahl von Schuldposten [… ]
Wohl antworten viele oder die meisten, sie hätten von allem nichts gewusst. […] Aber seien wir ehrlich! Dass es KZ gab, wusste jeder. […] Dass Schwachsinnige systematisch ermordet wurden, konnte uns gleichfalls nicht entgehen, und dass Gotteshäuser brannten und Geschäfte geplündert wurden, haben wir doch mit eigenen Augen gesehen. Wir wussten auch, dass Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt und eingesperrt wurden. [… ] “
Friedrich Heitmüller (zitiert in: Heinz-Adolf Ritter, »Zur Geschichte der Freien evangelischen Gemeinden zwischen 1945 und 1995 – Teil I«, in: Christsein heute forum (1996) Nr. 94/95.)

Es ist erhellend und zugleich schockierend, die obigen Zitate mit gewissen freikirchlichen Stellungnahmen zur Gegenwart zu vergleichen. Auch heute wieder wird Römer 13 dazu missbraucht, die Unterwerfung unter eine menschenverachtende Diktatur zu rechtfertigen. Auch heute wieder polemisieren und diskriminieren kirchliche Leiter gegen gewisse Menschengruppen, die vom Staat als Untermenschen klassifiziert wurden (z.B. jene, die nicht an einem bestimmten risikoreichen medizinischen Experiment teilnehmen wollen). Auch heute wieder klatschen kirchliche Leiter Beifall, wenn ihre regierungskritischen Glaubensgeschwister wegen sogenannter „Hassrede“ und ähnlichen Scheinvorwürfen verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Auch heute wieder haben Kirchen aufgrund staatlicher „Empfehlungen“ manche ihrer Aktivitäten eingestellt, und haben ihre Predigtinhalte der Staatspropaganda angepasst.

Der amerikanische Bonhoeffer-Biograph Erich Metaxas hat gesagt:
„Das Schweigen der Kirche in Deutschland, das in die satanische Bosheit der Nazis und des Holocaust ausmündete, ist genau dasselbe wie das Schweigen der Kirche in Amerika [und in Europa] heute.“

Aber sogar mit diesem historischen Spiegel vor Augen leugnen viele kirchliche Leiter weiterhin jede Parallele zur damaligen Zeit, und wähnen sich moralisch hoch erhaben über die Urheber der oben zitierten Stellungnahmen – wohlgemerkt alles bekannte und geachtete Vorsteher von Gemeindeverbänden und/oder übergemeindlichen.Zusammenschlüssen. Und dass auch heute wieder in den ehemals christlichen Ländern ernsthafte Christen, die sich für die biblische Wahrheit und für Religionsfreiheit einsetzen – sowie viele Nichtchristen, die die Regierung offen kritisieren -, verhaftet, von der Polizei im eigenen Heim überfallen, gebüsst, und ins Gefängnis gesteckt werden, das wollen diese Leiter gar nicht wahrhaben. Solche Verblendung ist in sich selbst schon ein Gericht Gottes. „Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde. Da ihr nun aber sagt: ‚Wir sind sehend‘, bleibt eure Sünde.“ (Joh.9,41)

Die Begründung, die alle Diktaturbefürworter schuldig bleiben

5. August 2022

Wenn ich mich gegen die Diktatur und den Machtmissbrauch von seiten der Regierungen ausspreche, dann muss ich mich auf alle Arten von Anwürfen gefasst machen:

„Du bringst Menschenleben in Gefahr!“

„Du willst bloss egoistisch auf deinen Freiheiten beharren!“

„Hast du denn nicht verstanden, dass wir in einer *SC’H:R+ECK*LI;CH’EN_ *P’A·N*D+EM’I*E_ sind?!“

Meine Antwort auf alle diese Anwürfe kann mit zwei Worten zusammengefasst werden: „Begründung bitte.“

  • Begründe bitte wissenschaftlich, warum ich, wenn ich mit unbedecktem Gesicht auf der Strasse gehe, eine Gefahr für meine Mitmenschen darstellen soll. Und vor allem, warum diese Gefahr geringer sein soll, wenn ich mein Gesicht verhüllte.
  • Begründe bitte wissenschaftlich, warum ich, wenn ich normal zur Arbeit gehe, eine Gefahr für meine Mitmenschen darstellen soll. Und vor allem, warum diese Gefahr geringer sein soll, wenn ich zuhause bliebe.
  • Begründe bitte wissenschaftlich, warum ich, wenn ich an einem risikoreichen medizinischen Experiment nicht teilnehme, eine Gefahr für meine Mitmenschen darstellen soll. Und vor allem, warum diese Gefahr geringer sein soll, wenn ich an dem Experiment teilnehme.
  • Und falls deine Begründung davon ausgehen sollte, dass ich krank bin, dann solltest du zusätzlich wissenschaftlich begründen, warum du glaubst, ich sei krank. (Wenn nicht, dann hast du eine noch schwierigere Aufgabe: Dann müsstest du nämlich wissenschaftlich erklären, wie ein Gesunder eine Krankheit, die er gar nicht hat, auf andere Menschen übertragen kann.)

Nun muss ich aber noch etwas weiter ausführen, wie eine solche Begründung aussehen müsste, damit sie als wissenschaftlich gelten kann.

Das grundlegende Axiom

Soweit ich bis jetzt beobachten konnte, stützen sich alle Diktaturbefürworter in ihrer Argumentation auf dieselbe Voraussetzung, die etwa so lautet:

„Die stattgefundene Aufhebung von Rechtsstaat und Menschenrechten diente der Krankheitsbekämpfung, und hat diesen Zweck auch erfüllt.“

Sie nehmen das für so selbstverständlich, als sei es ein Dogma ihrer Religion, oder ein nicht hinterfragbares Axiom der Logik. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine unbewiesene Behauptung. Und falls diese grundlegende Behauptung falsch sein sollte, dann fällt die ganze Argumentation der Diktaturbefürworter in sich zusammen.

Um diese Behauptung zu beweisen, müsste man nachweisen, dass das, was sie behauptet, tatsächlich eingetroffen ist. Es gibt ja jetzt immerhin über zwei Jahre an Erfahrungsdaten mit diesen drakonischen Eingriffen in die bürgerlichen Freiheiten und Rechte. Also:

  • Wäre die Behauptung wahr, dann müsste regelmässig an allen Orten, wo bestimmte „Massnahmen“ eingeführt wurden, rund zwei Wochen später eine statistisch signifikante Abnahme der Krankheitsfälle zu beobachten sein; und einige weitere Wochen später eine ebenso signifikante Abnahme der Todesfälle.
  • Ebenso müsste im internationalen oder regionalen Vergleich festzustellen sein, dass Länder oder Landesteile mit strengen „Massnahmen“ signifikant niedrigere Krankheits- und Todeszahlen (im Verhältnis zur Bevölkerung) aufweisen als Länder ohne oder mit nur geringfügigen „Massnahmen“.

Ich bitte also alle Diktaturbefürworter, die wünschen, dass ich ihren Standpunkt ernst nehme, mir wissenschaftliche Untersuchungen oder offizielle Statistiken (mit Quellenangaben) zu senden, welche obige Behauptungen belegen. Solange ich keine überzeugende Begründung erhalte, werde ich mir weiterhin das Recht vorbehalten, ihren Standpunkt als irrational, unwissenschaftlich und vor allem unbelehrbar zu bezeichnen.

Noch einige Klarstellungen darüber, was als „wissenschaftliche Untersuchung“ gilt:

– Gemäss obiger Beschreibung soll untersucht werden, was in der wirklichen Welt wirklich geschehen ist; also „Real World Data“. Ob etwas zur Krankheitsbekämpfung dient oder nicht, kann nur dadurch verifiziert werden, dass man Krankheits- und Todesfallstatistiken untersucht. Solche Statistiken können aus unterschiedlichen Quellen stammen wie z.B. Regierungsstellen, Spitäler, Krankenkassen, Lebensversicherungen, usw. In einigen Fällen ist eine Statistik in sich selber schon genügend aussagekräftig, um gewisse Schlüsse ziehen zu können.
Ebenso gültig sind Analysen solcher Statistiken, oder eigens durchgeführte Erhebungen, sofern die verwendeten Statistiken überprüfbar sind, und korrekte statistische und mathematische Methoden angewandt werden. Solche Analysen können u.a. in medizinischen und anderen wissenschaftlichen Fachzeitschriften gefunden werden, oder auch in den Veröffentlichungen von Universitäten.

– Zeitungsartikel sind natürlich keine wissenschaftlichen Untersuchungen! Ich begegne manchmal journalistischen Ergüssen, die Dinge behaupten wie: „Wissenschaftlich erwiesen: Gesichtsbedeckungen sind zu 70% wirksam!“ – Sucht man dann aber im Text nach Quellenangaben, dann findet man entweder keine; oder als Quelle wird die persönliche Aussage eines vom Staat bezahlten Bürokraten (z.B. Institutsleiters) genannt, der wiederum nicht sagt, auf was für eine Untersuchung sich seine Aussage stützt. Oder wenn man ganz viel Glück hat, findet man als Quelle tatsächlich eine wissenschaftliche Studie; nur dass diese nicht das beweist, was der Journalist behauptet.

– Computermodelle und Laborsimulationen gelten zwar als „wissenschaftlich“, sind aber zum Beweis der obigen Behauptung nicht tauglich. Die Behauptung bezieht sich nämlich auf etwas, was tatsächlich geschehen sein soll. Modelle und Simulationen dagegen sagen voraus, was unter bestimmten Bedingungen geschehen würde; oder spekulieren darüber, was unter anderen Bedingungen geschehen wäre. Was aber nicht nachweisbar ist, da es ja keine überprüfbaren Daten gibt über Dinge, die gar nicht geschehen sind.
Das Ergebnis eines Computermodells ist vollständig abhängig von den Algorithmen und Anfangsparametern, die der Programmierer (bzw. sein Auftraggeber) willkürlich bestimmt. Diese Parameter und die sich daraus ergebenden Resultate können also nach Belieben verändert werden. Die wichtigste Frage dabei ist aber, ob diese Parameter und Algorithmen die Wirklichkeit zutreffend nachmodellieren oder nicht. Und genau diese Frage kann das Modell, für sich allein genommen, nicht beantworten. Man müsste dazu die Daten, die das Modell aufnimmt und liefert, vergleichen mit den Daten darüber, was in der wirklichen Welt wirklich geschehen ist. Soll das Modell also irgendwelchen wissenschaftlichen Wert haben, dann kommt man nicht darum herum, „Real World Data“ heranzuziehen.
Ähnliches gilt für Laborsimulationen. Diese untersuchen, was geschieht, wenn die Bedingungen dieselben sind wie im Labor. Aber die Bedingungen der wirklichen Welt sind nie dieselben wie in einem Chemie- oder Biologielabor. Z.B. ist meine Lunge nicht identisch mit einem Haufen im Labor gezüchteter Lungenzellen. Die Luft in meinem Wohnzimmer hat nicht dieselbe Temperatur, Feuchtigkeit, Strömungsverhältnisse und chemische Zusammensetzung wie die Luft im Labor. Usw. Deshalb sind auch solche Simulationen nicht aussagekräftig, solange nicht zusätzlich nachgewiesen wird, dass auch in der wirklichen Welt dasselbe geschieht wie im Labor.


Ich möchte hinzufügen, dass für unvoreingenommene Leser allein schon die Erfahrung hier in Perú ausreichen sollte zur Widerlegung der obigen Behauptung. Kaum ein Land hat im Jahr 2020 so strenge und langandauernde Einschränkungen durchgeführt wie Perú. Niemand durfte sein Haus verlassen, ausser um Lebensmittel oder Medikamente einzukaufen, oder wer im Lebensmittelhandel oder Gesundheitswesen arbeitete. Geschäfte, die nicht zu diesen Sparten gehören, mussten schliessen. Zusätzlich waren nur noch Banken, offiziell genehmigter Journalismus, sowie natürlich Polizei und Militär erlaubt. In den Geschäften galten strengste Desinfektionsvorschriften für Räumlichkeiten, Waren, Angestellte und Kunden. Nur eine Person pro Haushalt durfte einkaufen gehen; waren es zwei, dann wurden sie verhaftet. Überall galt Maskenzwang, sogar im Wald und auf dem Feld. Polizei und Militär patrouillierten ständig in den Strassen, um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen. Ein Taxifahrer, der einer Anweisung eines Soldaten nicht Folge leistete, wurde erschossen. Der Gebrauch sowohl öffentlicher wie privater Verkehrsmittel war verboten. Auch Warentransporte (ausser Lebensmittel), Post- und Kurierdienste waren stillgelegt; Geschäfte durften also auch keine Hauslieferungen durchführen. Nachts und sonntags herrschte totale Ausgangssperre.
Diese ganzen Massnahmen wurden eingeführt, als es noch keinen einzigen Toten wegen des Virus gegeben hatte, und in vielen Regionen noch nicht einmal einen Krankheitsfall. Und das Ganze dauerte – je nach Region – rund vier bis sechs Monate.
Das Ergebnis? Wäre das Axiom der Diktaturbefürworter wahr, dann hätte Perú den Virus restlos besiegen müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Nach vier Monaten dieses Hausarrests befand sich Perú an der Spitze der Weltrangliste von Toten pro Million, übertroffen nur noch vom Zwergstaat San Marino. Einen klareren Beweis kann es kaum geben, dass alle diese „Massnahmen“ kontraproduktiv waren.

Im übrigen sind auf dieser Seite über 400 (vierhundert) wissenschaftliche Studien aufgeführt, welche die Unwirksamkeit der Massnahmen belegen. (Zusätzlich hier zur I.) Solltest du also zehn oder zwölf finden, die deine Behauptung stützen, dann wäre das zwar ein Achtungserfolg. Aber du stündest damit immer noch gegen eine Übermacht von mehreren hundert.

Abschliessend möchte ich nochmals klar die Bedeutung dieser Überlegungen herausstellen:

Wenn du die obige Behauptung nicht belegen kannst, d.h. dass die „Massnahmen“ zur Krankheitsbekämpfung dienten, dann wird deine ganze Verteidigung der Diktatur sinnlos. Wenn der behauptete Zweck nicht erfüllt wurde noch wird, dann ist die ganze Aufhebung unserer verfassungsmässigen Rechte tatsächlich blosse Unterdrückung um der Unterdrückung willen, und nichts anderes.

Einige werden gegen den Ausdruck „Diktaturbefürworter“ protestieren. Sie werden sagen: „Ich bin gar nicht für eine Diktatur. Ich bin nur dafür, dass man die unbedingt notwendigen Massnahmen einhält.“
Aber es ist mir wichtig, die Dinge mit ihrem richtigen Namen zu nennen. Lüge und Propaganda beginnt da, wo man die Dinge nicht beim richtigen Namen nennt, wo man Definitionen nach Gutdünken abändert und umbiegt. Deshalb zur Erinnerung nochmals:
– Wenn die Regierung per Dekret regiert und grundlegende Menschenrechte mit Füssen tritt, dann nennt man das eine Diktatur, unabhängig davon, was als Begründung für ihre Einführung angegeben wird. Die meisten grossen Diktaturen des 20.Jahrhunderts wurden damit gerechtfertigt, dass ein „Notstand“ herrsche.
– Wenn eine Massnahme ihren angeblichen Zweck gar nicht erfüllt, dann kann man sie natürlich nicht „unbedingt notwendig“ nennen. Im Gegenteil, sie ist dann überflüssig und schädlich. Deshalb bestehe ich so sehr auf überprüfbaren Belegen für das grundlegende Axiom der Diktaturbefürworter.

Der Staat ist nicht Gott!

27. Mai 2021

In diesem Artikel möchte ich im Licht der Bibel einen der gegenwärtigen Megatrends untersuchen. Einen, der bibellesende Christen besonders beschäftigen sollte.

„…Und die ganze Erde staunte hinter dem Tier hier, und sie beteten den Drachen an, der dem Tier Autorität gegeben hatte, und sie beteten das Tier an, und sagten: Wer ist wie das Tier, und wer kann gegen es Krieg führen? (…) Und alle Bewohner der Erde beteten es an; alle, deren Namen nicht geschrieben standen im Buch des Lebens des Lammes, das geschlachtet wurde, seit dem Anfang der Welt. Wer Ohren hat, der höre.“ (Offenbarung 13,3-4.8-9)

Diese Vision erhielt Johannes vor dem Hintergrund des Römischen Reiches, dessen Kaiser sich als Götter anbeten liessen.
Im Römischen Reich wurden viele Götter verehrt. Jeder war frei, beliebige Götter anzubeten. Nur musste man zusätzlich an dem obligatorischen Ritus teilnehmen, ein wenig Weihrauch zu verbrennen als Anbetung an den Kaiser.
Das war der Grund, warum tausende von Christen als Märtyrer starben. Nicht weil sie Christus anbeteten; das war nicht verboten. Aber sie weigerten sich, zusätzlich zu Christus einen anderen Gott anzubeten, nämlich den Kaiser.
Die Anbetung des Kaisers richtete sich nicht nur an ihn selber als Person. Der Kaiser verkörperte die ganze Institution des Reichs, die zusammengefasst wurde mit der Abkürzung SPQR, „Senatus Populusque Romanus“ („der Senat und das römische Volk“). Bevor die Kaiser auftraten, war Rom eine quasi-demokratische Republik gewesen. Es gab ein Parlament, den Senat; und es gab eine Art Gewaltenteilung. Als Rom zu einem Kaiserreich wurde, wurden die demokratischen Formen dem äusseren Anschein nach beibehalten. Der Senat übte weiterhin seine Funktionen aus; aber die Kaiser manipulierten die Senatoren und setzten sie unter Druck, damit sie den Willen des Kaisers ausführten. Das römische Reich war eine als Demokratie verkleidete Militärdiktatur. Dieses Detail ist wichtig, um die gegenwärtige Zeit zu verstehen.
Die Kaiserverehrung bedeutete also zugleich die Anerkennung des ganzen Staatswesens als göttlich. In der biblischen Prophetie bedeutet das „Tier“ nicht eine Einzelperson. Es bedeutet ein Reich oder eine Regierung, bzw. ein ganzes Regierungssystem. Das wird klar ersichtlich aus Daniels Vision von den vier Tieren (Daniel Kap.7).
Die ersten Christen wussten genau, dass kein Mensch und keine Institution den Platz Gottes einnehmen kann. Deshalb weigerten sie sich, dem Kaiser Weihrauch zu opfern.

Die Vision des Johannes ist zugleich eine Prophetie über die letzte Zeit vor der Wiederkunft Jesu. Ein „Tier“, dem Römischen Reich wesensähnlich, wird über die ganze Erde regieren. Und dieses „Tier“ fordert, als Gott und Retter der Welt anerkannt zu werden.

Wir sollten nicht denken, dass dieses Tier urplötzlich auftreten und eine weltweite Diktatur aufrichten wird. Würde es auf diese plumpe Weise vorgehen, dann würde die Welt dagegen rebellieren. Vielmehr beeinflusst es die Weltbevölkerung dahingehend, allmählich ihre Freiheiten und Rechte aufzugeben, und Stück für Stück dem Tier mehr Macht zuzugestehen. Schon seit mehreren Jahrzehnten wird die Welt einer beispiellosen Propagandakampagne und Gehirnwäsche unterzogen von seiten der Regierungen, der Massenmedien (inbegriffen die Grossunternehmen und „sozialen Netze“, welche das Internet beherrschen), und der Schulsysteme. Die Botschaft ist immer dieselbe, wenn auch in immer neuen Variationen: „Der Staat ist beauftragt, alle Probleme zu lösen. Wenn etwas nicht funktioniert, wenn Menschen leiden, wenn es Ungerechtigkeiten gibt, was ist dann zu tun? Beim Staat reklamieren, damit er das Problem löst. Wir brauchen eine stärkere, mächtigere Regierung, damit sie die Probleme lösen kann.“ – Wenn das konsequent in die Praxis umgesetzt wird, was ist das Endresultat? Klar: eine Diktatur. Die Regierungsform mit der grössten Regierungsmacht ist die Diktatur.
Könnten wir uns für einige Momente vom allgegenwärtigen Einfluss der Propaganda befreien, dann sähen wir, dass in Wirklichkeit sehr oft der Staat die Probleme, das Leiden und die Ungerechtigkeiten verursacht, die es ohne sein Eingreifen gar nicht gäbe. Je stärker der Staat wird, desto mehr nehmen diese Probleme zu.

Während ich diese Zeilen schreibe, finde ich einen kürzlichen Leitartikel in einer peruanischen Zeitung: „Dreihunderttausend Opfer eines staatlichen Plans zur Bekämpfung der Armut warten immer noch auf Gerechtigkeit. So unglaublich es scheint: Das Argument, mit dem die Sterilisierung von beinahe 300’000 Personen während der Fujimori-Regierung begründet wurde, war der Kampf gegen die Armut. Nach einer Information der staatlichen Ombudsstelle wurden zwischen 1996 und 2000 272’028 Frauen und 22’004 Männer operativ sterilisiert. 19 Personen starben an Komplikationen nach der Operation.“ („La República“, Lima, 12.Mai 2021)
Besonders ironisch – und tragisch – sind die Umstände, unter denen dieser Leitartikel geschrieben wurde…
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Eine Kultur ist untergegangen

31. Juli 2020

Freiheit, Unabhängigkeit, Demokratie

Dieser Tage begeht die Schweiz ihren Nationalfeiertag. Als ferner Beobachter ist mir nicht bekannt, ob auch dieses Jahr Höhenfeuer angezündet, öffentliche Ansprachen gehalten, und Feuerwerke abgebrannt werden, oder ob das jetzt verboten ist. Eines aber sehe ich auch aus der Ferne: Die Werte und die Kultur, die diesen Feierlichkeiten zugrunde liegen, existieren spätestens seit diesem Jahr nicht mehr. Eine Kultur, die mit den Begriffen "Freiheit" und "Unabhängigkeit" umschrieben werden konnte; im Lauf der Jahrhunderte kamen noch "Demokratie" und "Rechtsstaatlichkeit" hinzu.

Historiker bezweifeln zwar den Wahrheitsgehalt der überlieferten Geschichten über den "Rütlischwur". Einwandfrei bezeugt ist aber, dass die Gründer der Eidgenossenschaft ihren Bund u.a. auf den folgenden Artikel gründeten:
"Wir werden nie einen Richter anerkennen, der nicht unser Landsmann ist."
Das ist ohne Zweifel eine Unabhängigkeitserklärung.

Wer richtet heute über die Vorgänge in der Schweiz?
Offiziell ist es immer noch die Schweizer Regierung. Inoffiziell aber mischen da viele ausländische Interessierte mit: Internationale Kommissionen und Organisationen; "Nichtregierungsorganisationen" (die in Tat und Wahrheit sehr wohl Regierungsbeteiligung beanspruchen, obwohl sie von niemandem gewählt wurden); internationale Unternehmen, insbesondere aus den Sparten Internetkommunikation und Pharmazeutik; und andere. (Von letzteren haben einige ihren Hauptsitz in der Schweiz … sicher ein zusätzlicher Anreiz für die Regierung, sich deren Forderungen zu beugen.)
Oder glaubt tatsächlich jemand, die einschneidenden Einschränkungen, die seit einigen Monaten auch den Schweizern auferlegt wurden, seien ganz allein den Köpfen der Schweizer Regierung entsprungen? Schon die weltweite Parallelität in den Handlungen und Argumentationen der nationalen Regierungen widerlegt eine solche Annahme. Nein, die Schweiz ist nicht mehr souverän und unabhängig – und dasselbe gilt für praktisch alle anderen Nationen der Welt. Nur dass manche anderen Nationen das nicht als so einschneidend empfinden, weil sie in ihrer Geschichte kaum je volle Souveränität erlebt haben; während das in der Schweiz seit Jahrhunderten sozusagen zum nationalen Erbgut gehört.

Dasselbe gilt für den Begriff der "Demokratie". Die Schweiz rühmt sich, eine der wenigen direkten Demokratien der Welt zu sein; also ein Land, wo bei wichtigen Entscheidungen jeder Bürger per Volksabstimmung mitbestimmen darf. Aber als es darum ging, Versammlungen, Reisen, und sogar das Arbeiten weitgehend zu verbieten, da gab es keine Volksabstimmung. Wenn ich richtig informiert bin, gab es nicht einmal eine Parlamentsdiskussion. Mit anderen Worten: Es wurde diktatorisch entschieden.

(Man kann natürlich darüber diskutieren, ob ein "Notstand" herrschte, der ein solches diktatorisches Vorgehen gerechtfertigt hätte. Aber wenn ich die aktuellen Zahlen vergleiche mit den weltweiten Zahlen über andere ansteckende Krankheiten, z.B. Influenza (jährlich bis 650’000 Tote) oder Tuberkulose (jährlich 1’600’000 Tote), dann erscheint mir dieses Argument zweifelhaft. Erst recht, wenn ich dann noch in den Nachrichten lese, dass viele Schweizer Spitäler während den letzten Monaten Kurzarbeit anmelden mussten.
In der jetzt nicht mehr existierenden Kultur von Freiheit und Rechtsstaatlichkeit galt noch, dass jeder eigenverantwortlich entscheidet über die Vermeidung persönlicher Risiken. Z.B. wäre es niemandem in den Sinn gekommen, mir gesetzlich zu verbieten, aus dem zweiten Stock meines Hauses zu springen. Jetzt aber ist zu erwarten, dass sich die Verbotskultur auf immer weitere Bereiche des täglichen Lebens ausdehnen wird.)

Das christliche Erbe, und die Folgen seines Verlustes

Doch das Gesamtbild ist viel grösser. Die Schweiz gehört ja zu einem grösseren Kulturraum, der bisweilen als "das christliche Abendland" bezeichnet worden ist. Wenn es auch nie eine wirklich christliche Gesellschaft gegeben hat, so war doch der Einfluss des Christentums auf diesen Kulturraum grösser als je in einer anderen Weltgegend oder Epoche.
Das betrifft insbesondere das Christentum in seiner reformierten Form, d.h. unter dem Prinzip "Sola Scriptura" ("Allein die Schrift"). Dieses Prinzip besagt, dass allein die Heilige Schrift massgebend ist für die Unterscheidung zwischen Wahrheit und Irrtum, und für unsere Lebensführung. Im reformierten Christentum gibt es (zumindest in der Theorie) keinen Papst, Kirchenlehrer oder Vorgesetzten, der mir vorschreibt, wie ich zu glauben und zu leben habe. Jeder Christ kann das selber in der Bibel nachlesen, verstehen, und ausleben. Hier haben wir wie in einem Samenkorn alle die Prinzipien angelegt, ohne die ein demokratischer Rechtsstaat nicht funktionieren kann: Gleichheit aller vor dem Gesetz; Eigenverantwortung und Freiheit; aber auf der Grundlage einer gemeinsamen, allgemein anerkannten Wertordnung; und im Bewusstsein, dass jeder vor Gott Rechenschaft ablegen muss.
Wahrscheinlich der erste, der diese Grundsätze auf die Staatspolitik übertrug, war der Schotte Samuel Rutherford mit seinem Werk "Lex Rex" ("Das Gesetz ist König", 1644). Der Grundgedanke ist folgender: So wie in der Kirche die Schrift allein massgebend ist, und jeder, auch der mächtigste Leiter, sich ihr unterordnen muss, so sollte auch der Staat auf einem Gesetz gegründet sein, dem jeder, auch der König, folgen muss. Die Regierung darf also nicht willkürlich herrschen oder sich Vorrechte herausnehmen. Es muss Instanzen geben, welche auch die Regierenden für Gesetzesübertretungen zur Rechenschaft ziehen können. Das ist der Kern des modernen Rechtsstaats auf verfassungsmässiger Grundlage. – Von seinem christlichen Hintergrund her setzte Rutherford als selbstverständlich voraus, dass das Gesetz des Staates seinerseits auf Gottes Wort begründet sein soll.

Werte wie "Freiheit" und "Demokratie" wurden also in dieser Kultur nicht als absolut verstanden. Sie galten nur im Rahmen der biblisch-christlichen Prinzipien und Werte, die zumindest in den Reformationsländern während mehreren Jahrhunderten allgemein anerkannt wurden – auch von jenen, die selber keine geistliche Wiedergeburt erlebt hatten. Francis Schaeffer bringt es folgendermassen auf den Punkt:
"In den Ländern der Reformation gab es eine Lösung für das Problem, in der Gesellschaftsordnung zwischen ‚Zwang‘ und ‚Chaos‘ wählen zu müssen."
Das bedeutet aber auch: Diese Lösung ist jetzt nicht mehr zugänglich. Seit dem Zusammenbruch der reformatorisch geprägten Kultur müssen auch die ehemaligen Reformationsländer entscheiden, entweder die Freiheit oder die Ordnung aufzugeben – oder beides zu verlieren. Gegenwärtig hat man sich offenbar für die Preisgabe der Freiheit entschieden.

Nun ist diese Kultur natürlich nicht von einem Tag auf den andern untergegangen. Gegner einer biblisch-christlichen Weltanschauung hat es immer gegeben, auch in den Reformationsländern. Und etwa seit der Mitte des 19.Jahrhunderts kann man deutlich einen zunehmenden gesellschaftlichen Einfluss antichristlicher Strömungen beobachten: Rationalismus, Materialismus, Bibelkritik, Darwinismus, Marxismus, Existenzialismus, Okkultismus, usw. usw. Die christlichen Prinzipien sind über einen langen Zeitraum hinweg ausgehöhlt worden. Der endgültige Zusammenbruch, den wir jetzt miterleben, war schon seit längerer Zeit unvermeidlich – ausser es hätte eine tiefgreifende Umkehr und Erweckung stattgefunden, zuallererst innerhalb der christlichen Kirchen selber.

Trotz ihrer zunehmenden Verleugnung des christlichen Erbes dienten die ehemaligen Reformationsländer bis in die jüngste Vergangenheit immer noch anderen Kulturen als lebendiges Beispiel dafür, dass christliche Prinzipien "funktionieren" – allein aufgrund ihrer andersartigen Lebensweise. So wurde mir vor Jahren folgendes Beispiel erzählt:
Eine Chinesin besuchte eine Schweizer Stadt. Nachdem sie mehrmals mit öffentlichen Verkehrsmitteln unterwegs gewesen war, sagte sie zu ihrer Gastgeberin: "Nicht wahr, in diesem Land glauben die Menschen an einen Gott, der alles sieht?" – Wie kam sie zu diesem Schluss? Sie hatte beobachtet, wie man am Automaten Fahrkarten lösen kann, in den Bus oder die Strassenbahn einsteigt, und während der ganzen Fahrt nie kontrolliert wird. Völlig undenkbar in einem Land wie China, dass eine Regierung oder ein Unternehmen dem gewöhnlichen Bürger zutrauen würde, auch ohne Überwachung die Regeln einzuhalten. Für diese Besucherin war es logisch: ein solches Vertrauen und eine solche Ehrlichkeit kann nur entstehen auf der Grundlage des Glaubens an Gott.
Übrigens wären auch hier in Perú solche auf Vertrauen und Ehrlichkeit basierende Systeme undenkbar, obwohl die überwiegende Mehrheit der Peruaner sich als Christen bezeichnen. Aber die biblische Ethik konnte das Alltagsleben nie in einer solchen Weise prägen, wie das in den Reformationsländern der Fall war. Die römisch-katholische Variante des Christentums führt die Menschen nicht zu einer persönlichen Lebenswende und Wiedergeburt, sondern zur Unterwerfung unter ein hierarchisches System und zur Erfüllung äusserlicher Riten. Das gilt hierzulande sogar für die evangelischen bzw. evangelikalen Kirchen. Diese haben zwar eine evangelische Theologie, aber weiterhin eine katholische Mentalität. Deshalb konnten sie trotz über hundertjähriger Existenz und zahlenmässigen Wachstums nie eine biblisch-christliche Kultur entwickeln.

Missionare aus dem reformatorisch geprägten Kulturraum konnten bis vor kurzem das Evangelium relativ wirksam in andere Kulturen tragen, weil sie selber in ihren Heimatländern die Überreste einer ehemals christlich geprägten Kultur "live" miterleben konnten. Wie wir im Beispiel sahen, konnten selbst diese kläglichen Überreste immer noch eine zeugnishafte Wirkung entfalten. Missionare konnten deshalb ihren eigenen Glauben auf ein "real existierendes Christentum" abstützen. Und sie hatten die Möglichkeit, auf dem Missionsfeld eine "Miniaturausgabe" einer christlich geprägten Kultur zu reproduzieren, zumindest mit ihrem eigenen Familienleben, ihrer persönlichen Integrität, ihrem Verhalten in mitmenschlichen Beziehungen, Arbeit, Wirtschaft, usw. Solange es ein solches "real existierendes Christentum" gab, konnte man am Glauben Interessierten sagen: "Komm und sieh (Joh.1,46), das gibt es wirklich."
(Allerdings haben viele Missionare diese Möglichkeiten nicht wahrgenommen, und haben sich stattdessen darauf beschränkt, religiöse Clubs zu gründen, oder die westliche Kultur in ihren äusserlichen Aspekten wie Technik und "Entwicklung" zu reproduzieren, statt in ihrem geistlichen Gehalt.)

Jetzt aber existiert diese christlich geprägte Kultur nur noch in der Erinnerung der älteren Hälfte der Bevölkerung, und in den Seiten einiger Geschichtsbücher. Und es sind eifrige Anstrengungen im Gang, sie auch von dort zu verbannen. Das bedeutet nicht nur das Ende der abendländischen Kultur; es bedeutet auch das Ende der abendländischen christlichen Mission in anderen Kulturkreisen. Es ist wohl kein Zufall, dass etwa seit der Jahrtausendwende die abendländische Mission stagniert, und dass immer mehr ehemalige Missionswerke die Bezeichnungen "Mission" und "Missionar" ablehnen und durch andere ersetzen ("Entwicklungshilfe", "interkulturelle Mitarbeiter", usw). Man kann darin eine Anpassung an den Zeitgeist sehen; ich sehe darin aber auch das stillschweigende Eingeständnis, dass die westlichen Kirchen und Missionsgesellschaften die geistliche Autorität zur "Mission" verloren haben. Nicht nur die "Welt" ausserhalb der Kirchen, auch die westlichen Kirchen selber (inbegriffen die Freikirchen) haben ihr geistliches Erbe weitgehend verloren.

Der Untergang der Kultur der Reformationsländer hat deshalb Auswirkungen weit über diesen Kulturkreis hinaus.

Eine gewisse Hoffnung sehe ich darin, dass in der Zwischenzeit – ziemlich unbemerkt von der westlichen Welt – eine andersartige christliche Kultur entstanden ist, nämlich in China. Diese hat kaum Gemeinsamkeiten mit der reformatorisch geprägten Kultur, aber dafür mit dem Urchristentum im Römischen Reich:
Während sich die Reformationsländer in weitgehender Freiheit entfalten konnten und christliche Kräfte sogar staatsgestaltend wirken konnten, mussten Christen im Römischen Reich und in China als Minderheit eine Gegenkultur entwickeln, die ständig von Verfolgung bedroht war und ist. Während die Kultur der Reformationsländer die Massen dazu gebracht hat, sich als "christlich" zu verstehen, selbst wenn sie es in Wirklichkeit nicht waren, so mussten und müssen dagegen im Römischen Reich und in China viele Christen ihre Identität verbergen. Während die Reformationsländer aus einer Position der Stärke heraus andere Länder und Kulturkreise beeinflussen und "missionieren" konnten, kann die chinesische Christenheit ebenso wie die Urchristen ihre Missionare nur als "Schafe unter die Wölfe" aussenden (siehe Matth.10,16-22).
Gerade wegen dieser andersartigen Umstände sind es jetzt nicht mehr westliche Missionare, sondern chinesische, welche den Hauptanteil an der Missionsarbeit unter den unerreichten Volksgruppen im sogenannten "10-40-Fenster" leisten. Von ihrem eigenen Hintergrund her sind die chinesischen Christen viel besser auf eine Arbeit in Armut, Isolation und Verfolgung vorbereitet. – In den letzten Jahrzehnten des vorigen Jahrhunderts wurde in der Missionstheologie viel von der "Vollendung des Missionsbefehls" gesprochen: Wenn "alle Volksgruppen" mit dem Evangelium erreicht sind, dann ist der Auftrag vollendet, und Jesus kann wiederkommen. (Siehe Matth.24,14; 28,19-20; Apg.1,6-8.) Dabei wurde meistens stillschweigend vorausgesetzt, dass westliche Missionare mit ihren strategischen Plänen, ihrem Geld, ihrer akademischen Bildung und ihrem technischen Know-How diesen Auftrag vollenden würden. Aber "Letzte werden Erste sein, und Erste werden Letzte sein". Nicht nur bleiben wir Westler jetzt mehrheitlich aussen vor; wir werden nicht einmal erfahren, ob und wie weit der Auftrag erfüllt ist. Denn die Arbeiter, an die Gott jetzt den Auftrag übertragen hat, geben mit gutem Grund keine Statistiken, Erfolgsmeldungen oder Werbebroschüren heraus.
Matth.24,14 sagt übrigens nicht unbedingt eine weltweite endzeitliche Erweckung voraus. Es heisst dort nur, dass das Evangelium unter allen Nationen verkündet wird; es steht aber nichts darüber, ob diese Nationen das Evangelium auch annehmen werden. Eine Erweckung ist deshalb nur insofern zu erwarten, als die erforderlichen Missionare hervorgebracht und geistlich vorbereitet werden müssen. Die gegenwärtige chinesische Erweckung könnte dazu bereits ausreichen. – Matth.24,14 steht mitten in einem Abschnitt über Verfolgungen und Abfall vom Glauben. Das sind offenbar die Umstände, unter denen der "Endspurt" des Missionsbefehls stattfinden wird; während gleichzeitig die Erfüllung von Off.13 in die Wege geleitet wird.
Zur falschen Lehre, die Christen würden vorher entrückt, habe ich hier (und folgende) und hier bereits geschrieben.
Fazit: Blicke nach China. Was in China geschieht (z.B. betr. Regierungspolitik, Überwachung und Beeinflussung der Massen, Verfolgung, usw.), wird bald auch im Rest der Welt geschehen. Aber auch die chinesische Ausprägung des christlichen Glaubens wird bald vielen anderen Völkern als Vorbild dienen. Waren in den vergangenen Jahrhunderten Europa und die USA die weltweiten "Trendsetter", im Guten wie im Schlechten, so ist diese Rolle jetzt an China übergegangen.

Freiheit und Wahrheit

Es besteht eine enge Verbindung zwischen Freiheit und Wahrheit. Jesus sagte: "Wenn ihr in meinem Wort bleibt, werdet ihr wahrhaftig meine Jünger sein, und ihr werdet die Wahrheit kennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." (Johannes 8,32). Im unmittelbaren Zusammenhang ist hier natürlich die Wahrheit über Gott und über Jesus gemeint. Aber wir können das durchaus anwenden auf alles, was wahrhaftig ist: Wer die Wahrheit kennt, lässt sich nicht so leicht manipulieren und versklaven. Und umgekehrt: In einer freien Gesellschaft werden die Menschen nicht daran gehindert, die Wahrheit zu suchen, zu kennen und bekanntzumachen. Insbesondere werden sie nicht daran gehindert, Lügen ihrer eigenen Regierung aufzudecken.

Ein wichtiges Kennzeichen einer Diktatur ist dagegen, dass Informationen und Meinungen zensuriert werden. Die Regierung und die Nachrichtenmedien verbreiten speziell ausgewählte und z.T. verzerrte Informationen, um ein bestimmtes Narrativ im Einklang mit der Regierungspolitik zu unterstützen. Mit anderen Worten: Was sich als Information ausgibt, ist in Wirklichkeit Propaganda. Und es werden Anstrengungen unternommen, um die Veröffentlichung und den Zugang zu abweichenden Informationen und Meinungen zu verhindern. Auch in der Schweiz sind neuerdings Personen diffamiert, bestraft, und Zwangsmassnahmen unterworfen worden, weil sie Informationen und Meinungen aussprachen, die dem offiziellen Narrativ zuwiderlaufen. Dagegen konnte anscheinend auch in Europa problemlos das Märchen verbreitet werden, Demonstrationen (angeblich) "gegen Rassismus" seien gut für die Volksgesundheit, während Demonstrationen gegen Reise- und Arbeitsverbote natürlich höchst gefährlich seien. Vielsagend ist auch, dass der hauptsächliche Autor der bestdokumentierten medizinischen Informationsseite zur aktuellen Situation (folge den entsprechenden Links) sich genötigt sieht, seine Identität geheimzuhalten.
Ein demokratischer Rechtsstaat gründet sich auf die freie und offene Diskussion aller Standpunkte. Eine Gesellschaft, die diese Diskussion unterbindet, kann sich nicht mehr "demokratisch" oder "rechtsstaatlich" nennen.

Die Bibel enthält auch folgende Prophetie über den "Menschen der Sünde": "[Er wird kommen …] mit aller Verführung der Ungerechtigkeit unter jenen, die verlorengehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, sodass sie gerettet würden. Und deshalb wird Gott ihnen eine verführerische Macht senden, damit sie die Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht glaubten, sondern an der Ungerechtigkeit Gefallen hatten." (2.Thessalonicher 2,10-12).
Der endzeitlichen Diktatur geht also eine Zeit voraus, in welcher die Menschen von vielen Lügen verführt werden. Und warum glauben sie die Lügen? Weil sie die Wahrheit nicht liebten. Menschen, die gerne lügen und einen falschen Anschein erwecken, werden selber mit Lügen verführt werden. Das schliesst viele ein, die sich "Christen" nennen. Ein echter, wiedergeborener Christ verabscheut die Lüge und jeden falschen Anschein. Aber auch in den christlichen Kirchen befinden sich viele Mitglieder und Leiter, die nicht wiedergeboren sind und weiterhin die Lüge lieben. Ihre kirchlichen Funktionen werden sie nicht vor der Verführung schützen. Viele Kirchen, grosse und kleine, werden dem "Menschen der Sünde" folgen. Um auf der Seite von Jesus zu sein, ist es nötig, umzukehren und wiedergeboren zu werden.


PS: Unter den gegenwärtigen Umständen ist natürlich auch der Fortbestand dieses Blogs in der Schwebe. Wenn dir gewisse Artikel wichtig sind, kannst du ja Sicherheitskopien anlegen. Evtl. werde ich hier einen Ersatz anbieten können (ohne Garantie).
So oder so werden Webseiten, die bestimmte Themen enthalten, von den Suchmaschinen aktiv gemieden bzw. aus den Ergebnissen verdrängt. Ich muss annehmen, das ist der Grund, warum die Besucherzahl hier markant zurückgegangen ist, seit ich angefangen habe, Artikel über aktuelle Ereignisse im Licht biblischer Prophetie zu veröffentlichen.

Die Gemeinde in der Endzeit: Die Herrschaft des „Tieres“

29. Mai 2020

Offenbarung 13 beschreibt die Weltherrschaft eines „Tiers“. Einige identifizieren auch dieses „Tier“ mit dem „Menschen der Sünde“ und dem „Antichristen“. Sicher besteht eine enge Verbindung zwischen diesen, aber sie sind nicht identisch. Das „Tier“ wird nicht als eine Person beschrieben. Aber es hat grosse Ähnlichkeit mit einem anderen Tier, das Daniel in einer Vision sah (Daniel 7,7). Dort heisst es:

„Das vierte Tier wird ein viertes Reich auf der Erde sein, grösser als alle anderen Reiche, und es wird die ganze Erde verschlingen und zertreten und zermalmen. Und die zehn Hörner bedeuten, dass aus jenem Reich zehn Könige aufstehen werden …“ (Daniel 7,23-24)

Das Tier ist also ein Reich, d.h. ein Kollektiv oder ein „System“. Es trägt „Hörner“, die einzelne Machthaber bedeuten; aber das Tier an sich ist viel mehr als eine Person. Wenn wir die Visionen Daniels mit der Entwicklung der Geschichte vergleichen, sehen wir, dass es dort das römische Reich bedeutet.

In Offenbarung 12,17, unmittelbar vor dem Kapitel 13, finden wir die Motivation, die das Tier antreibt:

„Und der Drache geriet in Wut gegen die Frau, und begann Krieg zu führen gegen die übrigen ihrer Nachkommenschaft, die die Gebote Gottes halten und das Zeugnis Jesu haben.“

Alle die gigantischen Anstrengungen zur Errichtung einer Weltregierung, wie sie im Kapitel 13 beschrieben werden, haben also ein einziges Ziel: die Nachfolger Jesu zu bekämpfen. Die politischen Tagesnachrichten beleuchten diesen Hintergrund kaum je. Aber Gott hat bereits offenbart, dass dies der Schlüssel ist, um die weltweiten Machtkämpfe zu verstehen: Es gibt Mächte, die das Volk Gottes bekriegen; und das ist ihre Motivation, um grössere Macht anzustreben.

Die Macht des Tieres

Die politische Macht wird auch in den folgenden Versen hervorgehoben:
„Und die ganze Erde staunte hinter dem Tier her, und sie beteten den Drachen an, der dem Tier Autorität gegeben hatte, und sie beteten das Tier an, und sagten: ‚Wer ist mit dem Tier vergleichbar, und wer kann gegen es Krieg führen?‘ … Und es wurde ihm gegeben, Krieg zu führen gegen die Heiligen und sie zu besiegen; und es wurde ihm Autorität gegeben über jeden Stamm und Volk und Sprache und Nation.“ (Offenbarung 13,3-4. 7)

Das Tier erwirbt auch religiöse Macht. Diese zeigt sich zuerst darin, dass es „die Heiligen besiegt“ im Krieg. Dann wird eine neue weltweite Einheitsreligion eingeführt: „Und alle Bewohner der Erde beteten es an; alle, deren Namen nicht geschrieben steht im Buch des Lebens des geschlachteten Lammes, seit Grundlegung der Welt.“ (Offenbarung 13,8)
Ebenso wie der „Mensch der Sünde“ setzt sich auch das Tier an die Stelle Christi: „Ich sah einen seiner Köpfe wie tödlich verwundet, aber seine tödliche Wunde wurde geheilt“ (Vers 3): eine Nachahmung der Auferstehung. – „Dann sah ich ein anderes Tier … und es hatte zwei Hörner wie eines Lammes“ (Vers 11): eine Nachahmung der Natur Jesu als „Lamm Gottes“. – Es ist gut möglich, dass die Religion des Tiers unter dem Namen „Christentum“ propagiert wird.

Das Tier hat auch wirtschaftliche Macht: „Und es macht, dass allen, den Kleinen und den Grossen, den Reichen und den Armen, den Freien und den Sklaven, ein Zeichen auf ihre rechte Hand oder auf ihre Stirn gegeben wird; und dass niemand kaufen oder verkaufen kann, als wer das Zeichen hat, den Namen des Tiers, oder die Zahl seines Namens.“ (Offenbarung 13,16-17).
Das „Zeichen“ bedeutet Eigentum. Die Untertanen dieses Reichs müssen dem Tier ihre Loyalität erklären, und sich zu seinem Eigentum machen; ebenso wie die Nachfolger Jesu sich ihm zu eigen gegeben haben.

Eine solche Machtkonzentration war der Traum vieler berühmter Staatsmänner, seit den Tagen Nebukadnezars und Alexanders des Grossen, bis zu den heutigen Architekten einer „neuen Weltordnung“. Offenbarung 13 deckt das „Muster“ auf, das sich hinter all diesen Unternehmungen verbirgt.

„Die Institution“, der Sitz der Tiernatur

Warum wird dieses Reich als „Tier“ beschrieben“? – Es handelt sich um eine unpersönliche Institution, die, obwohl sie aus Menschen besteht, als Kollektiv keine menschlichen Regungen mehr besitzt wie Gefühle, Vernunft, Mitleid, Liebe, oder auch Zorn oder Hass. Die Beteiligten unterdrücken und quälen ihre Mitmenschen, nicht weil sie sie hassten, sondern als schlichte Befehlsempfänger, und im Glauben, sie handelten „im besten Interesse der Institution“. Diese unheimliche Erscheinung der Institutionalisierung und Entpersönlichung habe ich hier bereits ausführlich beschrieben.

Ein Kennzeichen einer solchen „Tier-Diktatur“ ist, dass niemand dafür verantwortlich gemacht werden kann. Jeder Funktionär oder Machthaber ist nur ein Rädchen im Getriebe, und kann die Schuld anderen Rädchen zuschieben, oder einem unpersönlichen Reglement, oder dem „System“. Die meisten Beteiligten werden leugnen, dass es sich überhaupt um eine Diktatur handle.

Kennzeichen einer Diktatur

Wie ein Kommentator sagte, werden Diktaturen selten mit Gewalt eingeführt. Vielmehr begrüsst das Publikum die Zerstörung seiner Freiheiten mit tosendem Applaus. Wir leben gerade mitten in einer neuen Bestätigung dieses Ausspruchs.
Und in unseren modernen Zeiten versuchen sich Diktaturen auch immer einen Anstrich von „Demokratie“ und „Rechtsstaat“ zu geben. Aber wenn wir eines oder mehrere der folgenden Kennzeichen beobachten, dann müssen wir schliessen, dass dieser Anschein trügt:

– Die Gewaltentrennung funktioniert nicht. Die drei Staatsgewalten (Legislative, Exekutive, Judikative) sind nicht mehr unabhängig, sondern werden von gewissen Interessengruppen unter Druck gesetzt oder manipuliert, deren Anweisungen zu folgen. Und auf weltweiter Ebene wird die Souveränität der Nationen untergraben, indem die Regierungen von seiten internationaler Organisationen und Unternehmen unter Druck gesetzt werden.

– Der Meinungs- und Informationsaustausch unter der Bevölkerung wird überwacht und zensuriert. Insbesondere die Massenmedien können keine Meinungen oder Informationen mehr veröffentlichen, welche der Regierungspolitik widersprechen. Wenn eine überwältigende Mehrheit der Medien dieselben Informationen publizieren, und die Ereignisse in derselben Weise bewerten, dann liegt die Vermutung nahe, es werde Zensur ausgeübt. Wenn es zu bestimmten Themen keine offene Kontroverse über unterschiedliche Meinungen gibt, dann ist das ein Indiz von Zensur. Diese kann in der direkten Unterdrückung bestimmter Inhalte bestehen, oder auch darin, dass zum voraus die Personen oder Institutionen ausgewählt werden, die überhaupt Informationen veröffentlichen dürfen.
Gegenwärtig betrifft das nicht nur Presse, Radio und Fernsehen, sondern auch die „sozialen Netzwerke“ im Internet. Nicht nur von der Regierung, auch von grossen Medienunternehmen kann Zensur ausgehen.

– Harmlose Tätigkeiten des Alltagslebens werden eingeschränkt und kriminalisiert, wie z.B. Freunde zu besuchen, Kaufen und Verkaufen, Reisen, eine bestimmte Religion auszuüben, oder regierungskritische Meinungen zu äussern. Damit wird erreicht, dass jeder Bürger vor dem Gesetz schuldig wird. Wenn dann die Regierung jemanden als „Feind“ wahrnimmt (z.B. wegen einer regierungskritischen Haltung), kann sie immer einen Vorwand finden, um diese Person zu eliminieren.

– Bildung und Erziehung von Kindern wird strengen Normen unterworfen. Diktatoren und Manipulatoren wissen, dass jede Gesellschaft sich viel besser unter Kontrolle halten lässt, wenn die Leute von Kind auf mit der herrschenden Ideologie indoktriniert werden. Deshalb stellen sie einheitliche Lehrpläne auf, die detailliert vorschreiben, was die Kinder lernen sollen und was nicht, und aus was für einem sozialen, politischen und religiösen Blickwinkel. So brachte es z.B. Hitler seinerzeit fertig, eine ganze Generation aufzuziehen, welche die Juden hasste.

– Unter der Bevölkerung werden Angst und gegenseitiges Misstrauen geschürt. Als Vorwand wird oft irgendeine (reale oder vermeintliche) innere oder äussere Bedrohung verwendet. So hiess es z.B. während des Kalten Krieges in den USA: „Die Russen wollen uns erobern“; und in der Sowjetunion hiess es: „Die Amerikaner wollen uns erobern.“ So wurde in beiden Ländern erreicht, dass die Leute jedermann, der mit der Regierungspolitik nicht einverstanden war, als feindlichen Agenten beargwöhnten.
Leider haben die Menschen viele Ängste – besonders, wenn sie nicht auf Gott vertrauen: Angst vor einem Krieg, vor dem Terrorismus, vor dem Klimawandel, vor ansteckenden Krankheiten, vor einer Hungersnot, usw. Alle diese Ängste können instrumentalisiert werden, um Angst und Misstrauen zu erzeugen. Damit wird die gegenseitige Solidarität der Bevölkerung zerstört, und die Menschen werden abhängig von der Hilfe und Überwachung von seiten der Regierung.

– Die Menschen werden angestiftet, sich gegenseitig zu bespitzeln und zu denunzieren. Wenn die Menschen einander misstrauen und als potenzielle Feinde sehen, dann lassen sie sich verleiten, ihre Nächsten zu denunzieren wegen Handlungen, die in einem freien Land nicht als kriminell gelten: weil sei Informationen verbreiten, die der Regierungspolitik widersprechen; weil sie sich mit Hilfe von unzensurierten Medien informieren; weil sie sich mit Freunden oder mit einer christlichen Gruppe treffen; sogar weil sie Notleidenden helfen. So beginnt die ganze Gesellschaft die „Tiernatur“ anzunehmen: Jeder denkt, er handle „im besten Interesse der Gesellschaft“, wenn er seine Nächsten verrät.

Die beschriebenen Eigenschaften sind nicht auf Regierungen beschränkt. Wir können Ähnliches auch in Wirtschaftsunternehmen beobachten, und ebenso in institutionellen Kirchen.

Lügnerische Wunder

Wie der „Mensch der Sünde“, so tut auch das Tier machtvolle Wunder. (Und ebenso ein „zweites Tier“, das in Offb.13,11-14 beschrieben wird.) Auch dieses Thema ist hochaktuell. Alles, was Gott tut, versucht sein Feind zu fälschen. Wir können verschiedene Arten solcher Fälschungen beobachten:

– Psychologische Fälschungen: Unter Predigern und deren Zuhörern gibt es manche, die darauf brennen, Wunder geschehen zu sehen, nur um der Sensation willen, etwas Aussergewöhnliches zu sehen; oder auch, um ihr eigenes Selbstbewusstsein oder das Ansehen ihrer Organisation zu stärken. Damit stimmen sie sich selber darauf ein, auch da an Wunder zu glauben, wo es gar keine gibt. Z.B. haben viele Krankheiten eine ausgesprochene psychosomatische Komponente, die auch durch Suggestion geheilt werden kann. Daran ist nichts Übernatürliches oder Göttliches. Es gibt Prediger, die diese Tatsache bewusst ausnutzen, um Menschen, die an solchen Krankheiten leiden, zu manipulieren und zu heilen.

– Satanische Fälschungen: Übernatürliche Heilungen und andere Wunder können auch als Folge okkulter Praktiken auftreten (Geistheilung; heidnische Religionen; Anrufung von katholischen „Heiligen“; usw.) Aber der Preis dafür ist hoch: Die Menschen öffnen sich damit dämonischen Einflüssen. Sie mögen körperlich geheilt werden, kommen dafür aber in geistliche Bindungen. Insbesondere erfahren sie starke Widerstände, wenn sie sich Gott und Jesus nähern wollen.
Bei manchen solchen Praktiken werden sogar die Namen Gottes und Jesu verwendet. Aber wenn wir nachforschen, was die Betreffenden in Wirklichkeit glauben, dann werden wir finden, dass es nicht damit übereinstimmt, was die Bibel über Gott und über Jesus sagt. Sie verkünden einen „anderen Jesus“ und ein „anderes Evangelium“ (2.Korinther 11,3-4; Galater 1,8-9).

– Technologische Fälschungen: Mit der modernen Technik können viele Phänomene hervorgerufen werden, die in biblischen Zeiten als übernatürlich oder göttlich angesehen worden wären. So heisst es z.B, dass der falsche Prophet „Feuer vom Himmel fallen lässt vor den Augen der Menschen“ (Offb.13,13), und „es wurde ihm gegeben, dem Bild des Tieres Geist zu verleihen, damit das Bild des Tieres redete, und jeden zu töten befahl, der nicht das Bild des Tieres anbetete“ (Vers 15). Zur Zeit des Johannes war das alles völlig undenkbar. Aber seit dem 20.Jahrhundert bekriegen sich die Machthaber der Völker mit Bomben, die „Feuer vom Himmel fallen lassen“. Und viele Politiker, Ideologen und religiöse Verführer manipulieren die Menschen mit „sprechenden Bildern“ im Fernsehen, im Internet, und in Computer-Animationen.
Auch die moderne Medizin bewirkt Heilungen, die in früheren Zeiten als übernatürlich gegolten hätten. Nur dass auch hier der Preis hoch ist: nicht nur finanziell, sondern auch weil die Medikamente und Operationen schädliche Nebenwirkungen haben. Während der gegenwärtigen Coronavirus-Pandemie haben wir gesehen, dass die Medizin tatsächlich ein Götze unserer Zeit ist: Eine überwältigende Mehrheit der Bevölkerung lässt es zu, dass ihre grundlegendsten Freiheiten annulliert werden, nur weil einige „medizinische Experten“ dies fordern.
So sehen wir, dass viele endzeitliche Verführungen, wie sie in der Bibel vorausgesagt sind, mit Hilfe der modernen Technik zustande kommen können. Die Erfindungen wurden zwar von Menschen gemacht; aber ihr Gebrauch kann in gewissen Fällen von verführerischen Geistern inspiriert sein.

Digitalisierung und Überwachung

Die Offenbarung sagt es zwar nicht ausdrücklich, aber die Herrschaft des Tieres wäre nicht möglich ohne eine totale Überwachung unserer Handlungen und Kommunikationen. In den letzten Jahren geschahen einige gewaltige Schritte zur weltweiten Digitalisierung von Kommunikation, Arbeit, Bildung, und sogar von Alltagsgegenständen („intelligente Fernseher, Kühlschränke, usw“). Und die totale Überwachung schreitet im selben Tempo voran. Die Unternehmen, welche die sozialen Netzwerke verwalten, häufen eine Unmenge persönlicher Daten über ihre Benutzer an, über ihre Gewohnheiten, ihre Finanzen, ihren sozialen Status, ihren Bildungsstand, ihre politischen und religiösen Ansichten, usw. Diese Daten werden mit anderen Unternehmen geteilt, und mit den Geheimdiensten der Grossmächte. Die Strassen werden mit Kameras und mit Gesichtserkennungs-Software überwacht. In Mobiltelefonen werden immer mehr Anwendungen installiert zur Überwachung der Kommunikation, des Aufenthaltsortes, und sogar des Gesundheitszustandes der Benutzer. Noch vor wenigen Jahrzehnten empörte sich die ganze westliche Welt, wenn bekannt wurde, dass eine Regierung die Telefongespräche ihrer Bürger abhörte oder deren Briefe öffnete. Heute nimmt man das offenbar als selbstverständlich hin.

In China ist man bereits einige Schritte weiter: Die Überwachungsdaten werden kombiniert mit den computerisierten Abläufen für Arbeitssuche, Reisegenehmigungen, medizinische Behandlung, usw. Für jede Person wird Buch geführt über ihre „soziale Kreditwürdigkeit“, je nach ihrem Wohlverhalten. Der Punktestand kann z.B. steigen, wenn jemand in Studium oder Arbeit gute Leistungen erbringt, oder wenn er der Kommunistischen Partei beitritt. Es können Punkte abgezogen werden, wenn jemand das Gesetz übertritt, die Regierung kritisiert, oder an christlichen Versammlungen teilnimmt. Je weniger Punkte, desto weniger Rechte – z.B. bezüglich Arbeitsstelle, Reisen, usw.
Neuerdings wird das chinesische System offenbar von vielen Ländern als Vorbild angesehen. Auch das ein unerhörter historischer Umschwung in kürzester Zeit: Es ist noch nicht allzulange her, als genau dieses chinesische System international als „Verletzung der Menschenrechte“ kritisiert wurde.

Die computerisierten Verwaltungsabläufe sind vielleicht der bezeichnendste Ausdruck der „Tiernatur“. Beim Verkehr mit Regierungsstellen und Institutionen haben wir es nicht einmal mehr mit Menschen zu tun, sondern nur mit unpersönlichen Algorithmen. Wenn deine Daten im Überwachungssystem nicht oder fehlerhaft gespeichert sind, dann kannst du plötzlich keine Versicherungsleistungen mehr erhalten, keinen Arzttermin buchen, keine Fahrkarten kaufen … und es gibt niemanden, mit dem du sprechen und deine Situation erklären könntest. „Das (Computer-)System funktioniert nicht“, oder „Das System verweigert mir den Zugang“, sind zu alltäglichen Klagen geworden. Und der Benutzer weiss auch nicht, ob seine Gesuche wirklich nach den angegebenen Kriterien behandelt werden; oder ob vielleicht seine Daten mit einer Datenbank über politisches Wohlverhalten verglichen werden, und sein Gesuch abgelehnt wird, wenn das System eine kritische Haltung der Regierung gegenüber feststellt.

Auch die gegenwärtigen Bestrebungen zur Abschaffung des Bargeldes müssen in diesem Zusammenhang gesehen werden: ein weiterer Schritt hin zur Erfüllung von Offenbarung 13,17.

Die Gemeinde in der Endzeit: Der „Mensch der Sünde“

25. Mai 2020

In 2.Thessalonicher 2,3 heisst es, dass Jesus nicht wiederkommen wird, bevor nicht der „Abfall“ kommt, und sich der „Mensch der Sünde“ zeigt. Von diesem heisst es: „Er setzt sich in den Tempel Gottes als Gott, und gibt sich als Gott aus“ (Vers 4). Diese Person wird auch der „Gesetzlose“ genannt (Vers 8), und er verführt die Welt auf sehr wirksame Weise (Verse 9 bis 12). Was können wir daraus schliessen?

– In der letzten Zeit gibt es einen Abfall vom Glauben. Das griechische Wort apostasía bedeutet wörtlich „wegtreten“. Das hat nichts mit der Bosheit einer ungläubigen Welt zu tun. Es bedeutet, dass viele jener, die sich als Nachfolger Jesu identifizieren, sich von ihm distanzieren werden.
In mehreren früheren Betrachtungen haben wir die neutestamentliche Gemeinde mit heutigen Kirchen verglichen. Diese schneiden im Vergleich sehr unvorteilhaft ab. Nach allen biblischen Kriterien befinden wir uns heute mitten in einer Zeit des Abfalls. Bleibt einzig noch die Frage: Ist das bereits der „grosse“ endzeitliche Abfall?
Gegen das Ende des Mittelalters war die römisch-katholische Kirche von einer extremen Korruption dominiert. Deshalb dachten viele wahre Nachfolger Jesu, der endzeitliche Abfall sei gekommen. Aber mit der Reformation gab es einen Neuanfang. In vielen Ländern begann eine Rückkehr zu Jesus, und das brachte sogar gesellschaftliche und materielle Verbesserungen mit sich.
Wird uns Gott eine neue Reformation schenken? – Wenn nicht, dann erleben wir gegenwärtig tatsächlich das Anfang vom Ende.

– Der „Mensch der Sünde“ gibt sich als Gott aus. Deshalb identifizieren ihn einige mit dem „Antichristen“, obwohl dieses Wort nur in den Johannesbriefen vorkommt, in einem anderen Zusammenhang. Aber wörtlich bedeutet „Antichrist“: „anstelle-von-Christus“. Es wäre also eine durchaus zutreffende Beschreibung für jemanden, der sich selber an die Stelle von Christus oder Gott setzt.

Tatsächlich gibt es heute manche religiöse Leiter, die den Begriff „Gesalbter Gottes“ auf sich selber beziehen. „Gesalbt“ ist aber nichts anderes als die deutsche Übersetzung von „Christus“. Der Mensch der Sünde könnte sich nicht als Gott ausgeben, wenn er sich nicht zuvor einen Ruf als besonders „gesalbter“ Mann Gottes erwirbt. Er wird also kein offener Gegner der Christen oder Gottes sein. Im Gegenteil, er wird vorgeben, die Christenheit zu höheren Höhen zu leiten. Auf subtile Weise wird er sich mehr und mehr Funktionen aneignen, die nur Jesus Christus selber gebühren – wie es verschiedene Leiter bereits jetzt machen.

Es heisst ausserdem, dass er „sich in den Tempel Gottes setzt“. Von daher nehmen einige an, der Mensch der Sünde könne sich nicht zeigen, solange der Tempel in Jerusalem nicht wieder aufgebaut sei. Aber in der neutestamentlichen Ordnung ist der „Tempel Gottes“ kein von Menschen erbautes Haus mehr. Gegenwärtig ist der „Tempel“ die aus lebendigen Steinen erbaute geistliche Wohnung Gottes (1.Petrus 2,5; 1.Korinther 3,16-17), die geistliche Gemeinschaft der Nachfolger Jesu. Das bestätigt, was wir soeben sagten: Der „Mensch der Sünde“ wird als ein grosser Leiter in der Gemeinde Jesu auftreten.

– Dieser Leiter heisst auch der „Gesetzlose“. In der Bibel bedeutet „Gesetz“ normalerweise die Gebote Gottes. Ein „Gesetzloser“ ist nicht einfach jemand, der dem Gesetz ungehorsam ist. Er ist jemand, der prinzipiell die Existenz eines göttlichen Gesetzes ablehnt.

Diese Gesetzlosigkeit kann die Form von Zügellosigkeit annehmen, wie es Petrus beschreibt:
„Sie äussern aufgeblähte Worte ohne Wert, um mit zügellosen fleischlichen Begierden jene zu verführen, die tatsächlich dem Irrtum entflohen sind. Sie versprechen ihnen Freiheit, während sie selber Sklaven des Verderbens sind. Denn von was jemand überwältigt wird, darunter ist er versklavt.“ (2.Petrus 2,18-19).
Diese Haltung zeigt sich z.B. in jenen, die sagen: „Wir sind nicht mehr unter dem Gesetz, wir sind unter der Gnade, also können wir leben, wie wir wollen, und Gott wird uns vergeben.“ Paulus antwortet darauf entschieden: „Keinesfalls!“ (Siehe Römer 6,1-2. 15-16.) – Einige, die diese falsche Freiheit verkünden, verleumden sogar die echten Jünger, die Heiligkeit suchen, als „gesetzlich“ und „Werkgerechte“. Sie wollen nicht verstehen, dass ein echter Christ ein Gott wohlgefälliges Leben lebt, nicht weil er unter dem Gesetz stünde, sondern weil er Gott liebt und ihm gefallen will, und weil Jesus ihm Sieg gibt über die Sünde.

Aber die Gesetzlosigkeit kann sich ebenso als Autoritarismus und als Menschenherrschaft zeigen. Autoritäre Leiter verlangen, dass die Menschen sich ihnen unterwerfen; und sie erlauben niemandem, sie aufgrund des Wortes Gottes in Frage zu stellen. Sie sprechen von „Ordnung“, von „geistlicher Leiterschaft“, sogar von den „Gesetzen des Königreichs Gottes“ oder von „biblischen Prinzipien“. Aber wenn diese „Prinzipien“ oder „Gesetze“ nicht das sind, was das Wort Gottes wirklich sagt, dann sehen wir uns ebenfalls einer Ablehnung des Gesetzes Gottes gegenüber.
Vor dem wahren Gesetz Gottes gibt es kein Ansehen der Person; keine Privilegien für „Leiter“. Wenn ein Leiter aufsteht mit dem Anspruch: „Ich werde das Gesetz Gottes durchsetzen“ – da sollten wir misstrauisch sein. Wird nicht dieser Leiter sich selber als ein „Gesetz“ aufstellen, das über dem Wort Gottes steht? Wird er nicht seine Position dazu missbrauchen, um jene kritischen Stimmen zu unterdrücken, die ihn in Frage stellen, wenn er selber das Wort Gottes bricht? Ist das nicht dieselbe Gesetzlosigkeit, die sich hier als geistliche Leiterschaft maskiert? Wo die Unterordnung unter einen Menschen betont wird, mehr als die Verantwortung jedes einzelnen vor dem Gesetz Gottes, da zeigt sich gewiss auch eine Ablehnung des Gesetzes Gottes, selbst wenn als Vorwand gerade dieses Gesetz verkündet wird.

– Der „Gesetzlose“ kommt „mit der Wirksamkeit satans mit aller Macht und lügnerischen Zeichen und Wundern, und mit aller Verführung der Ungerechtigkeit“. Hier sehen wir zuerst: Zeichen und Wunder sind kein Beweis, dass jemand ein Diener Gottes ist. Gott erlaubt sogar dem Teufel, Wunder zu tun.
Warum erlaubt Gott das? – Es heisst, die Verführten seien jene, die „die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben“; „die der Wahrheit nicht glaubten, sondern an der Ungerechtigkeit Gefallen hatten.“ Das ist ein gerechtes Gericht: Wer die Wahrheit nicht liebt, wird mit Lügen verführt werden.
Das schliesst viele mit ein, die sich Christen nennen. Vielleicht akzeptierten sie intellektuell die Wahrheiten des Evangeliums, um ihr Gewissen zu beruhigen. Aber sie lieben diese Wahrheiten nicht wirklich. Und sie lieben es auch nicht, die Wahrheit zu sagen und zu tun; sie ziehen den falschen Anschein vor. Sie zeigen sich nicht gern „im Licht“ (1.Johannes 1,7); sie sind nicht transparent; und sie wollen nicht wirklich die Sünde hinter sich lassen. Deshalb lässt Gott es zu, dass sie von den falschen Christussen belogen und verführt werden.

Zitat des Tages: Die zukünftige autoritäre Elite

2. April 2020

Die folgenden prophetisch anmutenden Worte fand ich bei Francis Schaeffer, „Wie können wir denn leben? – Aufstieg und Niedergang der westlichen Kultur“ (Deutsche Ausgabe 1977). Ich möchte sie ohne Kommentar wiedergeben:

„Die Mehrheit kennt lediglich zwei kümmerliche Werte: persönlichen Frieden und Wohlstand. Werden Menschen mit den letztgenannten Werten für ihre Freiheiten eintreten? Werden sie nicht Schritt für Schritt ihre Freiheiten aufgeben, solange ihr eigener persönlicher Friede und Wohlstand aufrechterhalten und nicht angetastet wird, und solange sie Waren geliefert bekommen? (…)
Politik ist heute weithin nicht mehr eine Angelegenheit von Idealen – Männer und Frauen werden in zunehmendem Masse nicht mehr von den Werten „Freiheit“ und „Wahrheit“ bewegt -, sondern man versucht sich eine Wählerschaft sicherzustellen, indem man den Leuten die Sahnetorte „persönlicher Friede und Wohlstand“ anbietet. Die Politiker wissen, dass sich so lange kein Protest erheben wird, wie die Menschen diese Werte oder zumindest eine Fiktion dieser Werte oder eine Hoffnung darauf haben. (…)
Bei unserer Betrachtung der zukünftigen Elite eines autoritären Staates, die das durch den Verlust der christlichen Grundsätze entstandene Vakuum ausfüllen wird, dürfen wir nicht nur an einen Stalin oder Hitler denken. Wir haben uns vielmehr eine manipulierende autoritäre Regierung vorzustellen. Den Regierungen stehen heute Manipulationstechniken zur Verfügung, wie sie die Welt noch nie gekannt hat (…), psychologische Techniken, (…) Methoden, die mit der Biologie in Zusammenhang stehen, (…) Möglichkeiten, die die Medien zur Beeinflussung des Verhaltens zur Verfügung haben.“

„(…) Dann spielen die Begriffe „rechts“ oder „links“ keine Rolle mehr. Sie bezeichnen nur zwei Wege zu ein und demselben Ziel. Zwischen einer linken autoritären Regierung und einer rechten autoritären Regierung besteht kein Unterschied, das Ergebnis ist dasselbe. Eine Elite, ein autoritäres Regierungssystem als solches, wird allmählich der Gesellschaft die Form aufzwingen, die sie vor dem Chaos bewahren soll. Und die meisten Leute werden diese auch akzeptieren, weil sie den Wunsch nach persönlichem Frieden und Wohlstand hegen, weil sie apathisch sind und das Verlangen nach Ordnung haben. Sie nehmen deshalb irgendein politisches System in Kauf, damit die Wirtschaft und das tägliche Leben weitergehen können. Genauso handelte Rom zur Zeit des Kaisers Augustus.“

„Edward Gibbon erwähnte in seinem Buch „Der Untergang des römischen Weltreiches“ die folgenden fünf Kennzeichen, die Rom am Ende aufwies:
erstens eine zunehmende Vorliebe für Zurschaustellung und Luxus (Wohlstand);
zweitens eine grösser werdende Kluft zwischen den sehr Reichen und den sehr Armen (dies kann auf Völker bezogen sein, aber auch innerhalb eines Volkes zutreffen);
drittens eine exzentrische Sexualität;
viertens eine groteske, wunderliche Kunst, die sich als originell ausgab, und eine Begeisterung, die sich für kreativ hielt;
fünftens ein zunehmendes Verlangen, auf Kosten des Staates zu leben.
Dies kommt uns alles sehr bekannt vor…“

Narzissmus, Machtmissbrauch und Verführung in christlichen Kirchen

6. Mai 2019

Dieser Artikel beruht auf einem Vortrag der Psychologin Diane Langberg, der auf Englisch hier zu finden ist. Langberg ist auf Traumatherapie spezialisiert, und hat 45 Jahre Erfahrung in der Arbeit mit traumatisierten Menschen: Kriegsveteranen, zivile Opfer von Krieg, Gewalt, oder Naturkatastrophen, Opfer von wiederholtem sexuellem Missbrauch und häuslicher Gewalt, usw. Zusätzlich arbeitet sie auch mit Pastoren und Kirchen. In einem Überblick über ihren Werdegang (hier) berichtet sie, anfänglich sei sie von Pastoren wegen berufsbedingtem Burnout aufgesucht worden. Dann wurde sie aber zunehmend mit Situationen konfrontiert, wo Pastoren und kirchliche Leiter selber daran schuldig waren, dass Menschen unter ihrer Obhut traumatisiert wurden. Zwei Beispiele:

„Einmal musste ich einen Pastor anrufen, weil sich eine Frau aus seiner Gemeinde in echter Lebensgefahr befand wegen der Art und Weise, wie ihr Mann sie schlug. Der Pastor schickte sie zurück nach Hause und sagte ihr, das sei der Ort, wo sie hingehöre. – Ich arbeitete mit einer jungen Frau, die von ihrem Jugendpastor sexuell missbraucht wurde. Die Leiter versetzten den Jugendpastor in eine andere Kirche, damit er weiterarbeiten könne, und sagten mir: ‚Sie wollen doch sicher nicht einen so dynamischen Dienst zerstören, nicht wahr?‘ “

Der Vortrag, auf den ich im folgenden Bezug nehme, untersucht, inwiefern Narzissmus mit solchen Situationen zusammenhängt. In der Psychologie versteht man unter Narzissmus eine tiefgreifende Persönlichkeitsstörung. Die Betroffenen halten sich selber für wichtiger, fähiger, und moralisch besser, als alle anderen Menschen. Und sie haben keinerlei Verständnis für die Empfindungen und Bedürfnisse ihrer Mitmenschen. Narzissmus wird diagnostiziert, wenn eine Person permanent (nicht nur in Teilbereichen ihres Lebens) mindestens fünf der folgenden neun Persönlichkeitsmerkmale zeigt:

1. Ist eingenommen von seiner eigenen Grossartigkeit; übertreibt seine eigenen Erfolge und Fähigkeiten.
2. Phantasiert über unbegrenzte Erfolge, Macht und Ansehen.
3. Fühlt sich speziell, und glaubt, dass er nur von ebenso speziellen Menschen verstanden werden kann.
4. Fordert übertriebene Bewunderung von anderen.
5. Fühlt sich berechtigt, von allen anderen Menschen Unterordnung zu verlangen; duldet keinen Widerspruch oder Kritik.
6. Beutet zwischenmenschliche Beziehungen aus; behandelt seine Mitmenschen als Objekte, die ihm dazu verhelfen, seine eigenen Ziele zu erreichen.
7. Kann nicht mit anderen Menschen mitempfinden oder sie verstehen. (Ein typisches Beispiel wäre jemand, der einem anderen mit einem Kinnhaken den Kiefer bricht, und sich dann überall beklagt, wie sehr ihn seine Hand schmerzt.)
8. Beneidet andere; oder glaubt, andere beneiden ihn, weil er so „grossartig“ sei.
9. Arroganz, Hochmut, Stolz.

Langberg erwähnt als Beispiel einen amerikanischen Politiker, der des „Sextings“ mit mehreren Frauen überführt worden war. Zu seiner Verteidigung sagte er, es sei nichts dabei, da er sich ja mit diesen Frauen nie wirklich getroffen hätte; es handle sich einfach um etwas, „was die Technologie möglich macht“. Dann sprach er über seine eigenen Qualitäten: „Ich gehe mit meinem Sohn im Park spielen; ich ordne die Wäsche für meine Frau; ich helfe ihr, wenn sie beschäftigt ist …“ Und über seine eigenen Bedürfnisse und Verletzungen, die er als Kind erfahren habe: „Eine nächtliche Beziehung über Internet zu haben, erschien mir als ein Weg, etwas zu bekommen, was ich nie zuvor haben konnte.“

Ein anderes Beispiel ist eine Frau, die ein Mädchen sexuell missbraucht hatte. Bereits im Gefängnis deswegen, sagte sie: „Ich habe auch gelitten. Ich stand unter Stress. Sie (das Kind!) wartete, bis ich betrunken war. Es war ihr Vater, der sie missbraucht hatte, und so verwechselte sie Liebe mit Sex. Darum wollte sie, dass ich ihr Liebe zeigte, indem ich Sex mit ihr hätte. Sie hat meine Gutmütigkeit ausgenutzt.“

Langberg sagt: „Narzissten haben ein sehr egozentrisches Denken. Sie fühlen sich von den anderen schmählich verraten, während in Wirklichkeit sie selber es waren, die andere geschädigt haben. (…) In der christlichen Welt gibt es viele Leiter, die sich von der Aufmerksamkeit und Bewunderung anderer ‚ernähren‘, während sie sich äusserlich den Anschein eines barmherzigen Hirten geben. Sie verstehen es gut, wie ein Hirte zu sprechen und zu handeln, aber sie haben kein Hirtenherz. Sie haben selber die grünen Weiden Gottes nicht kennengelernt, und so können sie auch die anderen Schafe nicht ernähren. Stattdessen ernähren sie sich von den Schafen, wie es in Ezechiel 34 steht.“

Nach diesen Beschreibungen stand mir sofort sehr lebendig das Bild eines bestimmten freikirchlichen Pastors vor Augen. Er hatte mir einmal erklärt, er hätte seine geistlichen Wurzeln in einer bestimmten berühmten historischen Erweckung. Dabei war jene Erweckung zwei Jahrzehnte vor seiner Geburt bereits erloschen gewesen.
Später befand sich jener Pastor in einer Position, wo er Entscheidungsgewalt über meine berufliche Zukunft hatte. Andere Leiter, die zu seinen Vertrauensleuten gehörten, hatten ihm üble Verleumdungen über mich erzählt. Deshalb hatte er beschlossen, mir jede Möglichkeit zu einem weiteren kirchlichen oder missionarischen Dienst zu verbarrikadieren; sei es mit „seiner“ Gemeinde oder auch mit irgendeiner anderen Gemeinde. Ich nannte ihm mehrere Entlastungszeugen, welche die über mich verbreiteten Verleumdungen widerlegen konnten. Aber er weigerte sich, diese Zeugen auch nur zu kontaktieren: „Ihre Meinung interessiert mich nicht.“ Stattdessen nannte er mich „rebellisch“ und „konfliktiv“.
Mehrere Jahre später – die erwähnten Verleumdungen waren inzwischen auch schriftlich von zwei wichtigen Leitern widerlegt worden – beschloss ich, ihn deswegen zur Rede zu stellen. Als Antwort redete er eine geschlagene Stunde auf mich ein, ohne mich auch nur ein einziges Mal zu Wort kommen zu lassen. Zuerst beschwerte er sich darüber, was es doch für eine „Frechheit“ sei, dass ich es überhaupt wagte, ihn in irgendeiner Weise in Frage zu stellen. Dann beklagte er sich darüber, wie oft er von Mitarbeitern und Gemeindegliedern kritisiert würde. „Ich kann jetzt dann bald abdanken, die Leute wissen heutzutage ja alles besser als ihr Pastor“, sagte er mit schneidender Ironie. In seinem Weltbild gab es keinen Platz für die Möglichkeit, dass seine Kritiker auch einmal recht haben könnten. Er bemängelte auch, die heutigen Gemeindemitarbeiter hätten keinen Gehorsam gelernt, weil sie nicht genügend hart angefasst worden seien. Ihr Charakter sei nicht geschult worden, weil ihre Vorgesetzten ihnen das Leben nicht genügend schwer gemacht hätten.
Wie in den von Langberg erwähnten Beispielen, drehte sich alles nur um ihn selber. Dass er mich fast meines ganzen sozialen Umfelds beraubt hatte, und dass ich mir durch seine Schuld meine ganze Existenz von Grund auf hatte neu aufbauen müssen – das hatte er anscheinend nicht einmal zur Kenntnis genommen.
Ganz am Schluss entschuldigte er sich für einen einzigen Aspekt seines Fehlverhaltens, nämlich dass er eine Verfluchung über mich ausgesprochen hatte. Dies tat er sogar mit einem höchst theatralischen Kniefall. Aber auf das Kernproblem, nämlich seine Selbstherrlichkeit und seine völlige Missachtung jeglicher Grundsätze von Recht und Gerechtigkeit, kam er während seiner ganzen Tirade überhaupt nie zu sprechen.
Wie Langberg sinngemäss sagt: Selbst wenn er sich gezwungen sieht, etwas zu bereuen oder einen Fehler einzugestehen, bleibt er auch in seiner Reue noch Narzisst. Er tut dann alles, um vor den Augen der Welt zu beweisen, dass er der Beste aller Reuigen ist, und dass noch nie jemand so gut bereut hat wie er.
Zwei andere Pastoren waren dabei, anscheinend ganz im Bann des Narzissten, ihm beipflichtend, und blind für das so offensichtliche Schauspiel von Hochmut und Hartherzigkeit.
Jener Pastor galt als guter Prediger, aber seine Predigten hatten meistens einen vorwurfsvollen und überheblichen Unterton. Er hatte einen jungen Assistenten (und später Nachfolger), der in seinen eigenen Predigten jeweils bis aufs i-Tüpfchen die Eigenheiten des Predigtstils, Tonfalls und Aussprache seines „Meisters“ nachahmte. (Was ist das für ein Geist, der Menschen ihrer Persönlichkeit beraubt und sie zum „Klon“ eines anderen macht?)

Jetzt erhebt sich natürlich die Frage, warum christliche Gemeinschaften Menschen mit einem solchen Charakter als Leiter dulden und sogar fördern. Langberg gibt darauf mehrere Antworten:

„Die Systeme, die einen Narzissten umgeben (Institutionen, Kirchen, …), sind schnell bereit, dessen Lügen zu akzeptieren. Würden sie ihn konfrontieren, dann brächten sie damit ihre eigene Institution in Gefahr. Deshalb ordnen sich die Leute lange Zeit einem Narzissten unter (…)
Die Leute sind abhängig von ihm. Sie haben ihre Unterordnung so lange praktiziert, dass sie tatsächlich nicht mehr sehen können, wen sie vor sich haben. Und sie wüssten gar nicht, wie sie ihn konfrontieren könnten. Deshalb ist es sehr wahrscheinlich, dass das ganze System aufsteht, um genau diesen Leiter zu schützen, der sie alle schädigt, statt die Wahrheit hören zu wollen.“

In diesem Zusammenhang zitiert sie aus einem Essay von Vaclav Havel, „Die Macht der Machtlosen“: „Das System wird oft versuchen, jene zu bestrafen, die es bedrohen, indem sie die Welt des äusseren Anscheins zerbrechen, welcher die grundlegende Säule des Systems darstellt.“ Langberg kommentiert dazu: „Das wahre Ziel des Systems ist nicht, den Willen Gottes zu tun, sondern den Anschein zu erwecken, sie täten den Willen Gottes.“

In anderen Situationen, sagt Langberg, mag eine Kirche tatsächlich so weit gehen, den missbrauchenden Leiter auszuschliessen; aber nur, damit die verbleibenden Mitglieder und Leiter ihre Illusion bewahren können, „speziell“ zu sein. Der hinausgeworfene Leiter wird dann als nicht mehr so „speziell“ angesehen; aber stattdessen hat sich das ganze System mit Narzissmus angesteckt. Die ganze Gruppe übernimmt dann die Überzeugung, sie seien die einzigen, die die Wahrheit kennen, und jedermann müsse sich ihren strengen Regeln anpassen. Viele Sekten haben so angefangen.

Langberg sagt weiter: „Die Mitglieder solcher narzisstischer Systeme haben von Anfang an auf ihre eigene Macht verzichtet. Sie folgen vorgeschriebenen Rezepten, akzeptieren Lügen, und sehen ihren Leiter als eine ’spezielle‘ Person an, anders als alle anderen Leiter. Und so sehen sich die Nachfolger dieses Leiters selber als ’speziell‘. Genau das war der Kern der Nazi-Propaganda.
Aber Christen machen dasselbe: ‚Ich gehe zur Gemeinde von Soundso. Er ist der beste Pastor in der Stadt. Ich bin da, wo der Beste ist.‘ Die Mitglieder hören auf, selber zu denken, und akzeptieren alles, was der Leiter sagt. Würde jemand dennoch versuchen, selber zu denken, dann würden ihn wahrscheinlich die übrigen zum Schweigen bringen.
Sie folgen also nicht dem Wort Gottes; sie prüfen den Leiter und seine Lehren nicht am Wort Gottes. Der Leiter diktiert, wie das Wort Gottes interpretiert werden muss, und wie man danach leben muss. Wer nicht einverstanden ist, ist ein Rebell, ein Kleingläubiger, und der Zorn des Leiters richtet sich gegen ihn.
Diese Systeme glauben, jede Veränderung und jeder Erfolg hänge vollständig vom Leiter ab, nicht von den Mitgliedern. Solche Leiter sagen: ‚Willst du, dass deine Gemeinde wächst? Ich kann das vollbringen. Willst du Wohlstand haben? Ich kann das erreichen. Ich sehe mehr als du, weiss mehr als du, habe mehr Gaben als du, mehr Erfolg als du. Wenn du mich als Leiter hast, wird alles besser.‘ So fördern das System und der Leiter gegenseitig ihren Narzissmus.“

Nicht zu unterschätzen ist auch die Macht der Verführung des Narzissten. Langberg sagt:
„Man kann schnell verführt werden, wenn man Hunger hat, und jemand sagt: ‚Ich gebe dir zu essen‘. Das gilt auch auf der Ebene der Gefühle und des Selbstwerts. (…) Wir wertschätzen Dinge wie materielle Güter, Wohlbefinden, oder beruflichen Erfolg. Und wir fühlen uns ‚hungrig‘, wenn wir etwas nicht erreichen. Gott hat uns so geschaffen, dass wir nach ihm Hunger haben. Aber wir hören auf Menschen, die daherkommen und versprechen, unseren Hunger zu stillen. Da ist ein vierzehnjähriges Mädchen vor den Misshandlungen zuhause geflohen, und es kommt ein Zuhälter, um sie zu ‚retten‘, und verspricht ihr Liebe. Da kommt ein Politiker und verspricht, das ganze Land in Ordnung zu bringen. Da kommt ein Bankier und verspricht, dich reich zu machen. Wir hören auf sie und werden blind für den Charakter der Menschen, die diese Dinge sagen.
Die Kirche ist genauso anfällig dafür. Da kommt jemand und lehrt uns, wie wir die beste Anbetung haben können, die besten Predigten, die grösste Kirche, und es ist alles für Gott. Das kann doch nicht schlecht sein? Sie machen messianische Versprechungen, die Regierung zu verbessern, Wohlstand zu bringen (materiellen oder geistlichen), alle Eheprobleme zu lösen, usw. Aber das ist nicht die Art von Jesus. Er kam klein, ohne grosse Versprechen. Aber wir mit unserem Hunger folgen Menschen, die grosse Versprechen machen, ohne daran zu denken, was dann mit uns geschieht. Und so werden wir Teil eines narzisstischen Systems.“

Zwei weitere Beispiele von Langberg:

„Ein anscheinend frommer Pastor zeigt viel Mitleid mit den Menschen, macht Überstunden, um ihnen zu helfen, sucht immer die Deprimierten, die Süchtigen, die Bedürftigen, und alle bewundern seine Hingabe. (…) Ich kann gar nicht mehr zählen, wie oft ich mich einer solchen Situation gegenübersah. Die anderen Leiter werden passiv, weil sie selber nicht gerne den Bedürftigen und Notleidenden dienen, also überlassen sie alles dem Pastor. Sie denken, ihre Gemeinde sei ’speziell‘: Ein Ort, wo Notleidende wirklich willkommen sind, denn ‚wir‘ nehmen die Leute auf, wie Jesus sie aufnahm. Aber ‚wir‘ bedeutet in Wirklichkeit ‚er‘. – Wenn es nun ein Problem gibt mit Machtmissbrauch von seiten des Pastors, wie konfrontierst du dann jemanden, der alle deine geheimen Süchte kennt? Wie konfrontierst du den einzigen Menschen, der weiss, dass du zwei aussereheliche Beziehungen hattest? Und wenn du ein Leiter an seiner Seite bist, wie konfrontierst du den Menschen, der dich vor allen unangenehmen Situationen beschützt, und du dich wirklich darauf angewiesen fühlst? Das System ist jeder Möglichkeit beraubt worden, den Pastor zur Rede zu stellen.
Sehen wir, wie subtil das ist? Und wie ‚geistlich‘ der äussere Anschein sein kann?
Ein anderer Fall: Du bist umgezogen und suchst am neuen Wohnort eine Gemeinde. Du hörst Dinge wie: ‚Wir wollen wirklich die Gemeinde Jesu in dieser Stadt sein. Wir wollen an den Orten dienen, wo niemand sonst hingeht. Wir wollen unsere Leben hingeben zugunsten unserer Nächsten. Wir wissen, dass die meisten Menschen das nicht tun wollen; aber wir tun es.‘ Was denkst du? Bist du etwa nicht damit einverstanden? Wenn du dich ihnen anschliesst, wirst auch du ’speziell‘ sein. Oder du fühlst dich sogar verpflichtet, dorthin zu gehen, weil du ja auch ‚die Gemeinde Jesu in dieser Stadt‘ sein möchtest. Aber die Betonung ist auf ‚was wir tun‘, nicht auf Jesus. Und die Betonung liegt darauf, sich von den übrigen Christen zu unterscheiden, und das ist spalterisch. Das erhöht in erster Linie den ’speziellen‘ Pastor, und in zweiter Linie die ’spezielle Gemeinde‘. “

Noch einige eigene Gedanken und Schlussfolgerungen dazu:

– Wenn Narzissten zur Rede gestellt werden, reagieren sie anscheinend oft mit Wahrheitsverweigerung. Das ist noch eine Stufe mehr als Unglaube oder Ablehnung. Während Unglaube bzw. Ablehnung die Wahrheit hört und sich dagegen entscheidet, besteht Wahrheitsverweigerung darin, die Wahrheit nicht einmal anhören zu wollen, wenn sie einem angeboten wird.
Vor einiger Zeit erlebte ich ein neuerliches Beispiel davon. Ich lernte einen Pastor kennen, der sich an meiner Mitarbeit als pädagogischer Berater interessiert zeigte, weil er daran war, eine Gruppe von Homeschooling-Familien zu gründen. Ich erfuhr dann aber, dass er ein Anhänger von Bill Gothard ist und seine Gruppe dessen hyper-autoritären Lehren unterstellt. Ich begann mit ihm darüber zu sprechen. Unter anderem fragte ich ihn: „Angenommen, ein Familienvater in Ihrer Gruppe hätte biblische Gründe, mit diesen Lehren nicht einverstanden zu sein. Würden Sie ihm die Möglichkeit geben, in der Gruppe seine Bedenken zu äussern?“ – Nach kurzem Nachdenken erwiderte er: „In diesem Fall ist er natürlich frei, die Gruppe zu verlassen.“ – Ich hakte nach: „Wenn es sich aber um biblisch begründete Bedenken handelt, dann würden Sie ihm also keine Gelegenheit geben, in der Gruppe darüber zu sprechen?“ – Er antwortete nicht direkt darauf, sondern sagte nur: „Aber diese Lehren sind biblisch!“ – Ich sagte ihm daraufhin, ich selber hätte biblische Gründe gegen diese Lehren, und ich hätte auch Dokumentation darüber, dass eine grosse Anzahl von Menschen durch diese Lehren schwer geschädigt wurden. Ob er bereit wäre, meine biblischen Argumente und die Dokumentation zur Kenntnis zu nehmen und zu überprüfen? – Seine Antwort: „Nein, diese Lehren sind fundamental.“ – Ich erklärte ihm, dass ich in diesem Fall mein Angebot zur Zusammenarbeit zurückziehen müsste.
Es ist eine Sache, Argumente und Daten anzuhören und dann zu erklären, warum man nicht damit einverstanden ist. Es ist aber eine ganz andere Sache, diese schon zum vornherein gar nicht anhören zu wollen.
Wahrheitsverweigerung wird in der Bibel als ein Grund genannt, warum Menschen vom Antichristen verführt werden und verloren gehen:
„… zur Vergeltung dafür, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen haben, damit sie gerettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft der Verführung, damit sie der Lüge glauben…“ (2.Thess.2,10-11)
Offenbar handelt es sich da nicht (nur) um Menschen, die direkt dem christlichen Glauben widersprechen, sondern ebensosehr um falsche Brüder und falsche Leiter innerhalb der christlichen Kreise.

– Es ist anscheinend schwierig bis unmöglich, in einem Narzissten eine Änderung zum Guten zu bewirken. Er mag zwar sehr gut darin sein, Reue zu heucheln; aber nur, um eine wirkliche innere Veränderung zu vermeiden. Langberg erwähnt in ihrem Vortrag zwar einige Gesprächsmöglichkeiten, aber bezeichnenderweise kein einziges Erfolgsbeispiel.
Wenn du also feststellst, dass du unter der Leiterschaft eines Narzissten stehst, dann dürfte es illusorisch sein, auf eine Verbesserung der Situation zu hoffen. Du kannst noch nicht einmal auf das Verständnis der anderen Mitglieder des Systems hoffen. Vielmehr ist es angezeigt, ein solches System baldmöglichst zu verlassen.
Andererseits denke ich, christliche Gruppen sollten zum vornherein Vorkehrungen dagegen treffen, zu einem „narzisstischen System“ zu werden. Paulus spricht in Apg.20,29-32 ein wenig darüber. Die folgenden Worte scheinen mir wichtig zu sein: „Und nun befehle ich euch Gott an, und dem Wort seiner Gnade…“ (v.32) … nicht einem Leiter, nicht einem „Nachfolger von Paulus“. Leiterschaft darf nicht die zentrale Stellung einnehmen, und darf nicht zu einer Machtposition werden. Stattdessen soll die persönliche Beziehung jedes Einzelnen zu Gott betont werden, und die Autorität des Wortes Gottes. Ich würde nie wieder einer „christlichen“ Gruppe beitreten wollen, wo das Wort der Leiterschaft grösseres Gewicht hat als das Wort Gottes. Und ob das der Fall ist, das erkennt man selten an den offiziellen Erklärungen der Leiter. Meistens erkennt man es erst, wenn es zu einem Konflikt kommt zwischen dem Wort der Leiterschaft und der biblischen Einsicht eines Mitglieds.
Und vielleicht sollten Nachfolger Jesu auch lernen, „grossartigen“ Leitern zu misstrauen, und stattdessen nach Leitern mit Barnabas-Eigenschaften Ausschau zu halten. Barnabas ist der biblische Kontrast zum Narzissten. Er ermutigte andere, öffnete Türen für sie, und war bereit, selber hinten anzustehen. Er war der einzige, der das geistliche Potenzial in Paulus erkannte und ihm Vertrauen schenkte, als alle anderen ihm misstrauten (Apg.9,26-27; 11:23-25). Er begann die erste Missionsreise als Leiter des Unternehmens, überliess dann aber Paulus die Führung. Doch war er auch bereit, Paulus entgegenzutreten und einen Konflikt zu riskieren, um den von Paulus abgelehnten Johannes Markus zu verteidigen und ihm eine neue Chance zu geben (Apg.15,37-39).
Letztlich denke ich jedoch, es ist eine Frage der persönlichen Integrität. Vielleicht wäre ein Narzisst ja auch in der Lage, die Rolle eines „Barnabas“ perfekt zu spielen, wenn das gut ankommt. Nur eine Gruppe von Menschen, die selber in persönlicher Integrität leben, wird in der Lage sein, die Maske zu durchschauen.

– Wegen der Gefahr des Missbrauchs sollten Leiterschaft und Seelsorge personell klar voneinander getrennt werden. D.h. kein Seelsorger sollte zugleich eine Leiterschaftsfunktion ausüben über die Menschen, die er berät; und umgekehrt. Niemand sollte dazu gedrängt oder verleitet werden, seine persönlichen Nöte und Kämpfe offenzulegen vor jemandem, der zugleich sein Vorgesetzter ist. Und das Seelsorgegeheimnis muss strikt gewahrt bleiben. – Es war meine Beobachtung in den evangelikalen Kirchen, dass zwar dem „gemeinen Volk“ gegenüber eindringlich gegen „Klatsch“ gepredigt wurde; die Leiter unter sich jedoch eifrig über die persönlichen Schwächen ihrer Mitarbeiter und Gemeindeglieder klatschten, unter sorgloser und überheblicher Missachtung des Seelsorgegeheimnisses. Auch wurden nicht selten diese persönlichen Schwächen als Druckmittel verwendet, um Menschen gegenüber willkürlichen Forderungen der Leiterschaft gefügig zu machen; oder um zu vermeiden, dass jemand die Leiter wegen deren Verfehlungen konfrontierte. Das ist gröbster Missbrauch der Seelsorge.

– Es scheint keine zuverlässigen Forschungsergebnisse zu geben über die Verbreitung der narzisstischen Persönlichkeitsstörung. Langberg nennt Zahlen um 0,6%, also rund einer von 170.
Nach alldem scheint aber eines festzustehen: Wenn es in einer Kirche von 170 Personen einen Narzissten gibt, dann ist die Wahrscheinlichkeit relativ hoch, dass es sich um den Pastor handelt!

Nochmals Autoritarismus: Gibt es eine gemässigte Form von G12?

29. April 2019

Als ferner Beobachter lese ich, dass eine ganze Anzahl Freikirchen im deutschsprachigen Raum, u.a. die ICF-Gemeinden (International Christian Fellowship), schon vor manchen Jahren aus Südamerika das Gemeindemodell „G12“ importiert haben und als effizientes Jüngerschaftskonzept anpreisen. Darüber sind mehrere kritische Artikel erschienen, sowohl in christlichen wie nichtchristlichen Nachrichtenmedien, und auch auf den Webseiten von Sektenberatungsstellen. Aber in keinem der kritischen Artikel, die ich bisher gefunden habe, wurden die zwei Kernfragen angeschnitten, die jeder Kenner des südamerikanischen Originalmodells vermutlich zuerst stellen würde:

– Was lehrt und praktiziert ihr betreffend „geistliche Abdeckung“, Autorität, und Unterordnung?

Und: – Was geht an euren „Begegnungswochenenden“ vor sich?

In einem idea-Interview las ich zwar, dass einer der ICF-Leiter sagte, sie hätten verschiedene Aspekte des originalen G12-Modells, die ihnen zu extrem erschienen, „angepasst“. Er bezog sich damit aber nicht auf die beiden erwähnten Punkte, sondern lediglich auf die zeitliche Überbelastung der Mitglieder durch mehrere Zellgruppentreffen pro Woche. Bei „infosekta“ ist auch zu lesen, ICF habe das G12-Zellgruppenmodell inzwischen wieder abgeschafft, weil dessen pyramidale Struktur stark kritisiert wurde, und sei zu einem „hauskreis-ähnlicheren“ Kleingruppenmodell zurückgekehrt. Das sind sicher Schritte in die richtige Richtung. Dennoch frage ich mich, wieviel von der ursprünglichen „G12-Erbmasse“ bei deren europäischen Ablegern weiterhin vorhanden ist.

G12 ist wahrscheinlich, neben Bill Gothards „Basic Life Principles“ und dessen Ablegern, und möglicherweise einigen katholischen Ordensgemeinschaften, gegenwärtig die einflussreichste und aggressivste Bewegung zur Verbreitung eines extremen Autoritarismus in christlichem Gewand. Ähnlich wie bei den anderen genannten Bewegungen, sind jedoch auch bei G12 ihre eigentlichen Lehren und Praktiken nur Insidern zugänglich. Wer in einer G12-Gemeinde lediglich Gottesdienstbesucher ist, der wird nur selten mit den überzogenen Forderungen nach „Unterordnung“ konfrontiert werden. (Er wird aber wahrscheinlich mit der Zeit angeworben werden, an einem „Begegnungswochenende“ teilzunehmen und sich dem „inneren Kreis“ von Zellgruppenteilnehmern und -leitern anzuschliessen.)

Ich kenne die südamerikanische – also die originale – Version von G12 aus eigener Teilnahme an einer Gemeinde, die angefangen hatte, diese Methode zu übernehmen; sowie aus verschiedenen weiteren Zeugenberichten. Praktisch alle autoritären Lehren, die ich in meiner Artikelserie über dieses Thema beschrieben habe, werden dort in extremer Form vertreten und durchgesetzt. U.a. wird gelehrt: „Du dienst Gott dadurch, dass du deinem Leiter dienst.“ In der Praxis fühlen sich dann die Mitglieder verpflichtet, ihren Zellenleitern z.B. die Wohnung aufzuräumen und sauberzumachen, deren Auto zu waschen, usw.
Die Pyramidenstruktur wird bei G12 mit militärischer Konsequenz umgesetzt: Jedes Mitglied gehört zu einer Zelle von 12 Personen (der Zahl 12 wird eine magische Bedeutung zugeschrieben). Diese Zellen sind streng nach Alter und Geschlecht getrennt (sodass also Ehepaare und Familien nicht gemeinsam an den Zellgruppentreffen teilnehmen können).* Jeder Zellenleiter gehört wiederum zu einer Gruppe von 12 Leitern derselben hierarchischen Stufe, die einen Leiter über sich haben. Und so weiter bis zum örtlichen, regionalen oder nationalen Hauptleiter an der Spitze. Bei den Gemeinden, die der originalen G12-Organisation angeschlossen sind, geht das international weiter bis zum Gründer César Castellanos, der wie ein Papst unumschränkt herrscht. – Die Abkürzung G12 bedeutet „Gobierno – Regierung (!) – der 12″.
Mitglieder werden ausserdem angehalten, selber weitere 12 „Jünger“ anzuwerben und mit ihnen eine neue Zellgruppe zu beginnen.

*Meines Wissens haben einige Gemeinden später Ehepaar-Zellen eingeführt, um diesen Umstand wenigstens für die Ehepaare ein wenig zu lindern. In der Original-„Vision“ wurden jedoch auch Ehepaare getrennt.

Über die verschiedenen Auswüchse autoritärer Lehren und Praktiken habe ich schon in früheren Artikeln geschrieben. Bei G12 kommt noch dazu, dass oft mit der Angst vor Flüchen operiert wird. Ich war selber Zeuge, wie ein G12-Pastor einmal seine nächste Lehrstunde (Vorbereitung zu einem „Begegnungswochenende“) folgendermassen ankündigte: „Wusstet ihr, dass die Bibel über achtzig Arten erwähnt, wie man unter einen Fluch kommen kann? Von all diesen Flüchen braucht ihr Befreiung! Darüber werde ich an der nächsten Vorbereitungsstunde sprechen. Ihr müsst deshalb unbedingt an dieser Vorbereitung und am Begegnungswochenende teilnehmen.“
Es ist auch gängige Praxis, dass Mitglieder, die eine G12-Gemeinde verlassen wollen, von der Kanzel herab „offiziell“ unter einen Fluch gestellt werden, und den anderen Mitgliedern verboten wird, mit ihnen irgendwelchen Kontakt zu haben. Ablehnung der G12-„Vision“ wird gleichgesetzt mit dem endgültigen Abfall vom Glauben. Damit erwischt man zwei Fliegen auf einen Streich: Die verbleibenden Mitglieder werden abgeschreckt, sodass sie es nicht wagen, an die Möglichkeit eines Austritts zu denken; und dem austretenden Mitglied wird es verunmöglicht, den verbleibenden seine Bedenken gegenüber G12 mitzuteilen.

Kommen wir nun zu den berüchtigten „Begegnungswochenenden“. Im Originalmodell ist so ein Wochenende der Grundstein der Indoktrinierung in die „Vision“ von G12. Das geschieht mit äusserst invasiven Manipulationstechniken.
Schon im Vorfeld wird den Teilnehmern vermittelt, ein „Begegnungswochenende“ sei das absolut wundervollste Erlebnis, das man machen könne. Sie würden eine „gewaltige“ Begegnung mit Gott erleben wie noch nie zuvor in ihrem Leben, und würden von allen Problemen und Hindernissen in ihrem Glaubensleben befreit werden.
Sie müssen an mehreren Vorbereitungstreffen teilnehmen. Dort wird ihnen nicht nur aufgezeigt, wie nötig sie das Wochenende hätten (siehe obiges Beispiel), sondern sie werden bereits auf einige der Regeln während des Wochenendes vorbereitet. Dazu gehört u.a, dass es strengstens verboten ist, Handys, Radios, Kameras, oder irgendwelche anderen Kommunikationsmittel mitzunehmen. Es wird alles getan, um die Teilnehmer während des Wochenendes so vollständig wie möglich von der Umwelt und von anderen Menschen abzuschirmen. Es wird darauf geachtet, dass sogar Küchen- und Reinigungspersonal ausschliesslich aus „Eingeweihten“ besteht. Die Wochenenden werden vorzugsweise an einem möglichst abgelegenen Ort durchgeführt. Es gibt Gemeinden, wo die Teilnehmer nicht einmal darüber informiert werden, wo das Wochenende stattfindet.

Die Atmosphäre eines „Begegnungswochenendes“ muss einem Mysterienkult ähneln. Es gibt zwei strenge Schweigegebote: Die Mitglieder müssen sich verpflichten, zu niemandem darüber zu sprechen, was an einem solchen Wochenende geschieht. Sie dürfen nur sagen: „Es war gewaltig!“ Und wenn jemand genauer nachfragt, müssen sie sagen: „Das kann man nicht beschreiben, das kann man nur selber erleben.“ Und vielleicht noch: „Du solltest auch an einem solchen Wochenende teilnehmen!“ (Diese Sätze werden ihnen wörtlich so vorgeschrieben.) – Ausserdem dürfen die Teilnehmer während des Wochenendes auch untereinander nicht sprechen! Damit soll offenbar verhindert werden, dass über fragwürdige Praktiken kritisch reflektiert wird. Sie dürfen nur in den gemeinsamen Versammlungen vor allen sprechen, wenn sie dazu aufgefordert werden; z.B. um ein öffentliches Sündenbekenntnis abzulegen. Wenn sie Fragen haben, oder irgendetwas nötig haben, dann dürfen sie das nur einem Leiter mitteilen, aber nicht anderen Teilnehmern.

Dennoch sind Informationen nach draussen gedrungen, dank einiger weniger „Whistleblower“, die es wagten, das Schweigegebot zu übertreten. Ich weiss von mindestens zwei Pastoren, die an einem solchen Wochenende teilnahmen – der eine ahnungslos, der andere absichtlich als „Spion“ -, und sich nachher klar gegen G12 aussprachen und Erlebnisse mitteilten. Auch andere Teilnehmer haben es gewagt, Erlebnisse zu veröffentlichen. Die ganze G12-Bewegung (zumindest im Originalmodell) ist stark zentralistisch gesteuert und vereinheitlicht, sodass anzunehmen ist, dass die „Begegnungswochenenden“ überall etwa nach demselben Schema ablaufen. Es gibt anscheinend ein Handbuch für „Begegnungswochenenden“, das die im folgenden erwähnten Praktiken detailliert beschreibt. Aber natürlich darf dieses Handbuch von „Unbefugten“ nicht eingesehen werden.

– Den Teilnehmern (egal ob bereits wiedergeboren oder nicht) wird gesagt, sie würden an diesem Wochenende ihre erste wirkliche Begegnung mit Gott erleben; alle ihre vorangegangenen christlichen Erfahrungen seien nichts dagegen. Infolgedessen müssen sie u.a. alle Sünden und alle „geistlich hinderlichen Gewohnheiten“ ihres Lebens bekennen (auch wenn diese schon längst bekannt und vergeben sind). Sie werden sogar dahingehend beeinflusst, frühere Erfahrungen mit Gott und in anderen christlichen Gemeinden in Frage zu stellen.

– Um das Erlebnis emotionell intensiver zu gestalten, werden alle möglichen Symbolhandlungen durchgeführt. Z.B. werden Papierblätter mit den aufgeschriebenen Sünden der Teilnehmer an ein Kreuz genagelt; oder in eine Urne gelegt und anschliessend verbrannt oder in der Erde vergraben. Den Teilnehmern werden Hände und Füsse mit schwarzen Papierstreifen zusammengebunden, die okkulte Belastungen und Flüche darstellen; dann müssen alle in einem bestimmten Moment diese Streifen zerreissen, worauf ihnen erklärt wird, sie seien jetzt frei davon. Jemand berichtete, die Teilnehmer seien angewiesen worden, ihre Geschlechtsorgane mit Öl zu salben, um von Krankheiten und von sündigen Gewohnheiten frei zu werden. Es wird den Teilnehmern gesagt, sie sollten immer eine Papier- oder Plastiktüte dabeihaben, weil manche Personen erbrechen müssten, wenn Dämonen aus ihnen ausfahren. Das hat anscheinend eine Suggestivwirkung, sodass viele Teilnehmer tatsächlich erbrechen müssen.

Es mag evtl. vertretbar sein, gewisse Symbolhandlungen zu verwenden, sofern die Teilnehmer aus eigenem Entschluss daran teilnehmen (was im Rahmen der „Begegnungswochenenden“ aber nicht der Fall ist!), und sofern allen Beteiligten klar ist, dass es in Wirklichkeit nicht auf das Symbol ankommt, sondern allein auf das Wirken Gottes. Doch besteht immer die ganz grosse Gefahr des sakramentalen Missverständnisses: Die Teilnehmer nehmen an (oder es wird ihnen sogar suggeriert), das Symbol oder Zeichen an sich bewirke eine geistliche Realität. Also z.B, sie würden tatsächlich durch das Zerreissen eines Papierbands von Belastungen befreit. Damit setzen sie ihr Vertrauen auf ein Symbol statt auf Gott.
Dazu kommt das priesterliche Missverständnis: Es wird der Eindruck erweckt, die Leiter einer solchen Veranstaltung hätten die Macht, nach ihrem Gutdünken Gottes Wirken herbeizubefehlen oder zu „spenden“. Dadurch machen sie sich fälschlicherweise zu „Mittlern zwischen Gott und Menschen“ (siehe 1.Tim.2,5), und stehlen Gott die Ehre.
Sehr bedenklich scheint mir auch die gruppenweise Abfertigung von sehr persönlichen Angelegenheiten wie okkulte Belastungen oder sexuelle Probleme, die eigentlich in die persönliche Seelsorge gehören und zu einer ernsthaften Aufarbeitung längere Zeit benötigen. Es wird damit suggeriert, alle Teilnehmer seien belastet, und alle würden durch die vollzogenen Riten frei – was sehr oft nicht der Wirklichkeit entspricht.

– Um „die Vergangenheit aufzuarbeiten“, werden die Teilnehmer psychologisch in ihre Kindheit zurückversetzt. Zu diesem Zweck müssen z.B. die Männer mit Spielzeugautos spielen und die Frauen mit Puppen. Dann müssen sie sich auf die Kniee eines Leiters oder einer Leiterin setzen, welche(r) stellvertretend Vater oder Mutter darstellen, und ihnen „alles sagen, was sie ihren Eltern schon immer sagen wollten, aber nicht konnten“; insbesondere um Vergebung bitten und Vergebung zusprechen. Das wird sogar dann durchgeführt, wenn die betreffenden Eltern gar nicht mehr leben. (Ein verhüllter Versuch zur Kontaktaufnahme mit Toten??) Es wurde berichtet, einzelne Teilnehmer hätten nach diesem Ritual nicht mehr in die Gegenwart zurückgefunden und hätten während des ganzen Wochenendes nur noch wie Kleinkinder sprechen können.

Psychologen kennen solche Methoden unter der Bezeichnung „Regressionstherapie“, und warnen, solche nur unter der Aufsicht von gut ausgebildeten und erfahrenen Fachleuten anzuwenden, da diese sonst mehr Schaden als Nutzen verursachen können. Bei G12 aber sind es psychologische Laien, die auf fahrlässige Weise sämtliche Teilnehmer einer solchen „Behandlung“ unterziehen, ohne Rücksicht darauf, ob eine solche überhaupt angezeigt wäre.

Mir ist persönlich der Fall einer jungen Frau bekannt, die nach einer schwierigen Lebensphase einen Neuanfang im Glauben machte und von verschiedenen Belastungen befreit wurde. Etwas später wurde sie von einer G12-Gemeinde an ein „Begegnungswochenende“ eingeladen und nahm teil. Sie hatte eine sehr problematische Beziehung zu ihrer Mutter. Natürlich ging sie am Wochenende auch durch diese ganze Regression und „stellvertretende Versöhnung“. Zudem hatten die Veranstalter die Eltern aller teilnehmenden Jugendlichen aufgeboten, diese bei der Rückkehr vom Wochenende festlich in Empfang zu nehmen mit Plakaten wie: „Wir lieben dich!“ „Wir freuen uns, dass du da bist!“, usw. Die Mutter jener jungen Frau hatte dem Aufruf auch Folge geleistet. Die Tochter war überwältigt und dachte, ihre Beziehung zu ihrer Mutter sei jetzt tatsächlich wiederhergestellt. Aber bald musste sie feststellen, dass jener Empfang nur Theater gewesen war, und dass sich in Wirklichkeit nichts geändert hatte. Enttäuscht zog sie von zuhause aus an einen weit entfernten Ort, begann mit einem ungläubigen Mann zusammenzuleben, und verlor jedes Interesse am christlichen Glauben.

– Aus persönlichen Gesprächen erfuhr ich zudem, dass die Teilnehmer sich formell zu unbedingtem Gehorsam ihren Leitern gegenüber verpflichten müssen. Aus einer Gemeinde hörte ich auch, dass die Teilnehmer sich zu speziellen Kleidungs- und Verhaltensnormen verpflichten mussten, insbesondere während der Sonntagsgottesdienste. Ich weiss nicht, ob das Sonderregeln jener Gemeinde waren, oder ob das für G12-Gemeinden allgemein zutrifft.

Soweit also die originale G12-Vision. Angesichts dieser Hintergründe wäre es interessant zu wissen, wie viel von diesem Modell in europäischen G12-Gemeinden tatsächlich umgesetzt wird. Journalisten, Kritiker, und interessierte Aussenstehende haben die entsprechenden Fragen anscheinend noch nicht gestellt – oder wenn, dann sind diese nicht beantwortet worden. Der geneigte Leser wird unschwer verstehen, dass da, wo das Originalmodell angewandt wird, man von gegenwärtigen Mitgliedern und Leitern kaum wahrheitsgemässe Antworten auf diese Fragen erhalten wird. Man wird sich in diesem Fall wahrscheinlich nach ausgetretenen Ex-Mitgliedern umsehen müssen, die bereit wären, das Schweigegebot zu übertreten und damit möglicherweise ihren Frieden und ihre seelische und körperliche Gesundheit aufs Spiel zu setzen.

Vielleicht sind ja die deutschsprachigen Freikirchen, die mit G12 liebäugeln, nicht so extrem. Aber dann müsste gefragt werden, warum sie überhaupt Konzepte von G12 aufnehmen. Man sollte dazu wissen, dass César Castellanos selber seinen Anhängern streng verboten hat, auch nur das Geringste an seiner „Vision“ zu ändern. „Man kann die Vision nicht adaptieren (anpassen), man kann sie nur adoptieren (d.h. detailgetreu 1:1 übernehmen)“, soll er kategorisch festgestellt haben. Von daher ist sehr fraglich, ob es eine „gemässigte“ Version von G12 überhaupt geben kann. Bzw, falls es eine solche gäbe, dürfte sie sich eigentlich (nach dem Diktat des Gründers) nicht mehr G12 nennen.