Archive for Dezember 2019

Annähernd gekürzt: Nähere Hinweise zur Zusatzfrage 5

26. Dezember 2019

Niveau: Einfach bis mittelschwer (ca.5. bis 9.Schuljahr)

Dies ist ein Beispiel eines alternativen Zugangs zum Mathematiklernen. Aufgaben in der Art dieser Artikelserie finden sich in diesem Buch zum mathematischen Forschen und Selber-Entdecken.Weitere Informationen hier.

Achtung: Dies ist die zweite Folge von näheren Hinweisen und Lösungsansätzen zu dieser Forschungsaufgabe. Dieser Artikel wird also nicht viel Sinn machen, wenn du nicht zuerst die ursprüngliche Problemstellung gelesen hast, und wenn möglich selber versucht hast, die Antworten zu finden. Selber denken macht schlau!
– Falls du dies bereits getan hast, aber zur Zusatzfrage noch Zweifel hast, dann hoffe ich, dass dir die folgenden Hinweise Gewinn bringen.
– Der Artikel mit der Problembeschreibung enthält zusätzlich einige pädagogische Hinweise zum Sinn und Nutzen solcher Forschungsaufgaben.


Zur Zusatzfrage (5): Nehmen wir wiederum das erste Beispiel aus dem ursprünglichen Problem. Wir haben festgestellt, dass es darum geht, Vielfache von 10 und von 13 zu finden, die sich um 1 unterscheiden. Das kann man aber auch anders formulieren:
„Finde ein Vielfaches von 10, das beim Teilen durch 13 einen Rest von 1 oder von 12 ergibt.“
Oder auch: „Finde ein Vielfaches von 13, das beim Teilen durch 10 einen Rest von 1 oder von 9 ergibt.“
Überlege: Warum sind diese beiden Formulierungen gleichbedeutend? – Und warum zwei mögliche Reste?

Eine weitere entscheidende Beobachtung ist, dass sich die Vielfachen mit dieser Eigenschaft jeweils in Schritten von 10·13=130 wiederholen. Die erste Lösung mit der verlangten Eigenschaft war 39 und 40; weitere Lösungen wären demnach 169 und 170; 299 und 300; usw. – Überprüfe dies; und überlege, warum das so ist.
(Für das ursprüngliche Problem sind natürlich die weiteren Lösungen nicht sinnvoll, weil dadurch der Bruch „erweitert“ statt „gekürzt“ würde. Aber um die Antwort auf die Zusatzfrage zu verstehen, ist es hilfreich zu sehen, dass sich diese Lösungen periodisch wiederholen.)

Die Zahl 130 hat also eine besondere Bedeutung für die Lösungen des Problems, im Fall des Bruchs 10/13. Kannst du damit den Zusammenhang zwischen den beiden „besten“ Näherungen finden?
Wenn nicht, dann noch ein letzter Hinweis: Zeichne eine Zahlengerade von 0 bis 130, und zeichne darauf die Vielfachen von 10 und von 13 ein, die den Lösungen entsprechen. Du wirst eine interessante Symmetrie feststellen. Beschreibe diese Symmetrie mathematisch, und verallgemeinere sie für andere Zahlen. Wenn du zeigen kannst, dass diese Symmetrie für alle Probleme dieser Art gilt, dann hast du damit Stephans Behauptung bewiesen. Und natürlich kennst du dann auch sein „ganz einfaches“ Verfahren, die zweite Näherung zu finden.


Weitere Anmerkungen für Eltern und Lehrer:

Manche mathematischen Forschungen sind wie eine Wundertüte: Sie beginnen mit einer anscheinend ganz einfachen Fragestellung; aber dann stellt man unerwarteterweise fest, dass noch andere und fortgeschrittenere Dinge darinstecken. Das ist auch hier der Fall. Wir begannen mit einem relativ einfachen Problem, das lediglich Kenntnisse des Bruchrechnens verlangt. Aus dieser Perspektive dürften manche Elfjährige bereits in der Lage sein, erste Antworten auf die ersten beiden Fragen (und evtl. Frage 3) zu finden. Aber in den näheren Hinweisen zu jenen Fragen haben wir bereits gesehen, dass eine vollständige Erklärung der gemachten Beobachtungen zu weiteren Themen führt (die wir Elfjährigen normalerweise noch nicht zumuten sollten!). So könnte diese Forschungsarbeit für fortgeschrittenere Schüler u.a. als Sprungbrett dienen zur Einführung von Themen wie: Modulare Kongruenz und modulare Arithmetik; diophantische Gleichungen; Eigenschaften von teilerfremden Zahlen (Chinesischer Restsatz); usw. (Natürlich sind hierzu zumindest elementare Algebrakenntnisse Voraussetzung.)

Wir sehen hier auch, dass Schüler selbst beim Mathematiklernen nicht durchgängig nach Alters- bzw. Leistungsgruppen getrennt zu werden brauchen. Bei einer Aufgabe wie dieser können durchaus „Anfänger“ und „Fortgeschrittene“ zusammenarbeiten. Jeder hat die Möglichkeit, Entdeckungen zu machen, die seinem Verständnis gemäss sind. Und „Anfänger“ können sich an der ganz einfachen Entdeckung, dass Brüche „annähernd gleich“ sein können, ebenso freuen wie „Fortgeschrittene“ an der Entdeckung eines Beweises für ein zahlentheoretisches Gesetz.

Funktionen der Ältesten in der Familie Gottes – Teil 3

20. Dezember 2019

„Amtsträger“?

Wir haben zuvor gesehen, dass es in der neutestamentlichen Gemeinde keine „Pfarrer/Pastoren/Hirten“ und keine „Bischöfe“ als gesonderte Leitungsämter gab; beide Ausdrücke beschreiben im Neuen Testament Funktionen der Ältesten.
Einige mögen einwenden, dass das Neue Testament doch über das „geistliche Amt“ spricht. Aber das ist ein Übersetzungsproblem. In Wirklichkeit gibt es im Neuen Testament kein Wort, das „geistliches Amt“ o.ä. bedeutet. Wo in Bibelausgaben das Wort „Amt“ vorkommt, da handelt es sich in der Regel um die Übersetzung eines der griechischen Worte „diakonía“ oder „leitourgía“, die schlicht „Dienst“ bedeuten. Die meisten Bibelausgaben übersetzen diese Worte willkürlich an einigen Stellen als „Amt“ und an anderen Stellen als „Dienst“. In einem Vergleich zwischen zwei älteren Versionen, der Lutherbibel von 1912 und der Zürcher Übersetzung (Zwingli) von 1931, kommt diese Willkür klar zum Ausdruck:

Luther übersetzt „diakonía“ einmal als „dienen“, 7 mal als „Dienst“, 15 mal als „Amt“, 5 mal als „Handreichung“, einmal als „predigen“, und zweimal als „Steuer“.
Zwingli übersetzt „diakonía“ einmal als „Bedienung“, 25 mal als „Dienst“, zweimal als „Dienstleistung“, einmal als „Versorgung“, einmal als „Unterstützung“, einmal als „Hilfeleistung“, und nirgends als „Amt“.

Luther übersetzt „leitourgía“ zweimal als „Gottesdienst“, einmal als „dienen“, einmal als „Steuer“, und zweimal als „Amt“.
Zwingli übersetzt „leitourgía“ viermal als „Dienst“ oder „Dienstleistung“, einmal als „Gottesdienst“, einmal als „priesterliche Darbringung“, und nirgends als „Amt“.

Wenn wir eine zutreffendere Vorstellung davon gewinnen wollen, was der Text wirklich sagt, dann müssen wir konsequent „Amt“ durch „Dienst“ ersetzen, „ein Amt ausüben“ durch „dienen“, usw. Dann werden wir verstehen, dass diese Bibelstellen keine Grundlage bieten für „amtliche Vorrechte“, und auch nicht für eine Unterscheidung zwischen „Klerus“ und „Laien“. Und wir werden sehen, dass diese Stellen nicht viel beitragen zum Thema der Funktionen der Ältesten, ausser dass sie bestätigen, was wir bereits in einer früheren Betrachtung sagten: dass „Leiterschaft“ in der neutestamentlichen Gemeinde im wesentlichen Dienst ist.

Diese Verwirrung um „amtliche“ Begriffe ist eines der deutlichsten Beispiele dafür, wie die vom Katholizismus geerbte pfarrherrliche Organisation der Kirche unser Verständnis der Bibel so weit durcheinandergebracht hat, dass sogar viele Bibelübersetzungen dadurch Schlagseite bekommen haben. Unter dem Einfluss kirchlicher Traditionen haben Generationen von Bibellesern und -übersetzern in diese Bibelstellen etwas hineingelesen, was gar nicht da stand, nur weil sie von der Annahme ausgingen, diese Verse müssten ihren überkommenen Traditionen entsprechen.

(Eine ausführlichere Untersuchung und Wortstudien zu diesem Thema finden sich in der Artikelserie: „Das Neue Testament – Amtliche Version“.)