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Apostel in der neutestamentlichen Gemeinde – Teil 3

25. März 2020

In der vorhergehenden Betrachtung haben wir darüber nachgedacht, ob heute noch apostolische Funktionen in der Gemeinde existieren können, und was für Konsequenzen sich ergeben aus den beiden möglichen Antworten.

Für jene, die mit Ja antworten, möchte ich noch einige biblische Kriterien des Aposteldienstes untersuchen, falls dieser auch heute existiert:

Ein Apostel erhält seinen Ruf unmittelbar von Gott.

Nur Gott kann einen Apostel „senden“. Keine Institution, kein Leiter, nicht einmal ein anderer Apostel kann jemandem eine apostolische Berufung geben. Infolgedessen kann ein echter Apostel nicht die Interessen einer Institution oder Person vertreten – und natürlich auch nicht seine eigenen. Er kann einzig die Interessen Gottes vertreten. Er wird weder mit den Wünschen eines Leiters noch mit irgendeiner kirchlichen Tradition Kompromisse schliessen, nicht einmal mit seiner eigenen. Auf keine andere Funktion im Leib Christi trifft es so radikal und vollständig zu, dass der Apostel Eigentum Gottes ist mit allem, was er hat und was er ist.

Ein Apostel ist kein autoritärer Leiter.

Das sollte bereits aus den Worten Jesu über Leiterschaft klar werden, die er an die zukünftigen Apostel richtete (Matthäus 20,25-28, 23,12, Lukas 22,25-27, Johannes 13,13-15.) Aber der Kontrast wird noch stärker, wenn wir lesen, was Paulus speziell über den Aposteldienst schreibt:

„Denn mir scheint, dass Gott uns, die Gesandten, als die Letzten hingestellt hat, als dem Tod Übergebene, denn wir wurden zu einem Schauspiel vor der Welt und den Engeln und den Menschen. Wir sind töricht um Christi willen, und ihr vernünftig in Christus. Wir sind schwach, und ihr seid stark. Ihr erhält Ehre, und wir sind verachtet. Und bis zur gegenwärtigen Stunde leiden wir Hunger und Durst und Blösse und Schläge und Obdachlosigkeit, und arbeiten hart mit unseren eigenen Händen. Während wir beleidigt werden, segnen wir; während wir verfolgt werden, ertragen wir es; während wir verleumdet werden, ermutigen wir; wie Abfälle der Welt sind wir geworden, der Müll aller.“ (1.Korinther 4,9-13).

„Sind sie Diener des Christus? Wie ein Verrückter spreche ich: ich noch mehr: öfter in harter Arbeit, öfter geschlagen, öfter in Gefängnissen, viele Male in Todesgefahr. Von den Juden erhielt ich fünfmal die vierzig [Schläge] weniger einen; dreimal wurde ich mit Ruten geschlagen, einmal gesteinigt, dreimal schiffbrüchig, eine Nacht und einen Tag trieb ich in der Tiefe [des Meeres]; oft auf Wanderungen, in Gefahren durch Flüsse, in Gefahren durch Räuber, in Gefahren von [meinem eigenen] Volk, in Gefahren von den anderen Völkern, in Gefahren in der Stadt, in Gefahren in der Wüste, in Gefahren auf dem Meer, in Gefahren unter falschen Brüdern …“ (2.Korinther 11,23-26)

Wenn „der Grösste unter euch euer Diener“ sein soll, und wenn die wichtigste oder „höchste“ Funktion in der Gemeinde der Aposteldienst ist, dann wird zweifellos von einem Apostel die tiefste Demut und die grösste Dienst- und Leidensbereitschaft erwartet. Frühchristliche Autoren berichten, dass elf der zwölf ursprünglichen Apostel den Märtyrertod starben.Wer nicht diese Demut und Leidensbereitschaft an den Tag legt, ist kein neutestamentlicher Apostel.

Ein Apostel ist kein „Boss“ oder „Platzanweiser“ für die übrigen Diener Gottes.

Einige heutige Strömungen propagieren Gemeindestrukturen ähnlich einem Grossbetrieb oder einer Staatsverwaltung, wo die „Apostel“ allen anderen ihre Arbeit zuweisen. D.h. die Apostel entscheiden, wer ein Prophet sein kann, ein Evangelist, ein Hirte, ein Lehrer, ein Ältester …; und sie können sogar darüber entscheiden, wo diese Personen dienen dürfen, und was sie für eine Arbeit tun sollen. Wer nicht von den Aposteln „akkreditiert“ ist, kann keinen „geistlichen Dienst“ ausüben.

Das Neue Testament widerspricht dieser Idee direkt. Wir haben  gesehen, dass nach Eph.4,11 Gott selber die dort erwähnten Gaben und Dienste „gibt“. Er braucht dazu keine Apostel als Zwischenträger. Und die fünf Dienste dienen dazu, die anderen Heiligen zuzurüsten; nicht aber ihnen ihre Plätze anzuweisen. Im Gegenteil, Vers 16 sagt, dass der Leib Christi aufgebaut wird „nach dem Mass der (eigenen) Aktivität jedes einzelnen Gliedes“.

Ähnlich heisst es in Eph.2,20-22, dass die Familie Gottes auf dem „Fundament“ der Apostel und Propheten aufgebaut ist; aber das weitere Wachstum geschieht in Jesus Christus. So sagt auch Paulus von sich selber: „Gemäss der Gnade Gottes, die mir gegeben wurde, habe ich als weiser Baumeister das Fundament gelegt; und ein anderer baut darauf auf. Jeder gebe acht, wie er darauf aufbaut. Denn niemand kann ein anderes Fundament legen als das, welches gelegt ist, und das ist Jesus Christus. Und wenn jemand auf diesem Fundament Gold, Silber, Edelsteine, Holz, Heu, Stroh aufbaut, so wird das Werk eines jeden offenbar werden…“ (1.Kor.3,10-13). – D.h. der Auftrag des Apostels besteht darin, „das Fundament zu legen“, das Jesus Christus ist. Der Apostel muss sicherstellen, dass die christliche Gemeinschaft auf Jesus Christus aufgebaut ist, und auf nichts und niemand anderem. Das Volk Gottes muss auf der persönlichen Beziehung jedes einzelnen zu Jesus Christus gegründet sein. Es darf von niemandem sonst abhängig gemacht werden; nicht einmal vom Apostel. Nachdem das Fundament gelegt ist, ist es Sache jedes einzelnen, „wie er darauf aufbaut“.

So erklärt Paulus auch im vorhergehenden Abschnitt (v.4-9) seine Beziehung zu Apollos: Jeder erhält seinen eigenen Auftrag von Gott. „Wir sind Diener; und jeder [dient] wie Gott es ihm gegeben hat“ (v.5). Paulus war nicht der Vorgesetzte von Apollos. Apollos war einer jener „anderen“, die „auf dem Fundament aufbauten“; im Auftrag Gottes und nicht im Auftrag von Paulus.

Das Volk Gottes sollte darauf achten, sich nicht unter von Menschen ersonnene Leiterschaftsstrukturen unterstellen zu lassen. Wenn „Apostel“ als Herren und Platzanweiser über die anderen Diener Gottes gestellt werden, dann verfällt das Volk Gottes in eine neue Abhängigkeit von Menschen, statt von Gott selber.

Die Gemeinde muss die Apostel prüfen, ob sie echt sind.

Einige Gemeinden möchten Apostel haben, weil sie von der Last befreit sein möchten, ihr eigenes Unterscheidungsvermögen auszuüben. Sie möchten einen Leiter haben, dem sie ohne Zweifel oder Fragen folgen können. Sie gleichen darin den alten Israeliten, die einen König haben wollten (1.Samuel 8,4-20). Aber das Neue Testament sagt klar, dass die Christen (alle Christen!) jeden Leiter und jede Lehre prüfen sollen, inbegriffen die Apostel.
Paulus weist die Korinther streng zurecht, weil sie die „Superapostel“ nicht prüften, die zu ihnen gekommen waren:

„Denn wenn jemand kommt und einen anderen Jesus verkündet, den wir nicht verkündet haben, oder wenn ihr einen anderen Geist empfangt, den ihr [anfangs] nicht empfangen habt, dann ertrugt ihr es wohl. (…) Denn diese sind falsche Gesandte, betrügerische Arbeiter, die sich als Gesandte des Christus verstellen. Und das ist nicht verwunderlich; denn der satan selber verstellt sich als ein Engel des Lichts. Also ist es nichts Grosses, wenn auch seine Diener sich als Diener der Gerechtigkeit verstellen. Ihr Ende wird ihren Taten gemäss sein.“ (2.Korinther 11,4.13-15)

Der Herr lobt die Gemeinde in Ephesus, denn

„du kannst die Bösen nicht ertragen, und hast die geprüft, die sagen, sie seien Gesandte, und sind es nicht, und hast gefunden, dass sie Lügner sind“ (Offenbarung 2,2).

Wo also jemand einen Aposteldienst beansprucht, da muss die Gesamtgemeinde prüfen:
ob er seiner Person und seinem Charakter nach ein echter Nachfolger des Herrn ist. „An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Matthäus 7,20). Insbesondere muss natürlich jeder Apostel auch die Kriterien von 1.Timotheus 3 für einen Ältesten erfüllen; und erst recht die Kriterien für jedes Glied der Gemeinde nach 1.Kor.5,11, 6,9-10, Offb.21,8, u.a.
ob seine Lehre der Schrift gemäss ist. Paulus schreibt an die Galater, dass sie nicht einmal ihn selber aufnehmen sollten, falls er ein anderes Evangelium verkünden würde als das, das sie am Anfang empfangen haben (Galater 1,8-9).

Wenn ein Leiter für sich eine Autorität beansprucht, die nicht hinterfragt werden darf, und den „gewöhnlichen Gemeindegliedern“ nicht erlaubt, ihn auf biblischer Grundlage zu prüfen und zu kritisieren, dann ist er kein echter christlicher Leiter.

„Die Zeichen des Apostels“

„Aber die Zeichen eines Gesandten habe ich unter euch gewirkt in aller Ausdauer, mit Zeichen und Wundern und Kraftwirkungen.“ (2.Korinther 12,12) – Ein Apostel wirkt Zeichen, dass Gott selber ihn gesandt hat. Im Fall der ersten zwölf Apostel und auch bei Paulus bestanden diese Zeichen vorwiegend in Wundern und übernatürlichen Heilungen. Bei den Aposteln im weiteren Sinn muss das nicht unbedingt der Fall sein. Z.B. von Barnabas und von Timotheus werden keine übernatürlichen Wunder erwähnt. Aber Barnabas bewies eine aussergewöhnliche Grosszügigkeit als Folge seiner Nähe zum Herrn (Apg.4,36-37).
Von den in einer früheren Betrachtung genannten Pioniermissionaren und Erweckungspredigern wurden meines Wissens weder von William Carey noch von Hudson Taylor übernatürliche Wunder berichtet. Aber beide bewiesen eine aussergewöhnliche Ausdauer im Ertragen von Leiden, Krankheiten, Einsamkeit, Unverständnis, materieller Not, und vieler anderer Schwierigkeiten. Carey stellte überdies den einsamen Rekord auf, die Bibel in nicht weniger als vierundvierzig asiatische Sprachen übersetzt zu haben. – Im Dienst Zinzendorfs stach ein besonderer Tag heraus, als der Heilige Geist über die Geschwister aus verschiedenen Kirchen und Denominationen ausgegossen wurde, die mit ihm versammelt waren. Mit dem Ergebnis, dass sie sich untereinander versöhnten und „in einer brennenden Liebe zum Erlöser und zueinander vereint wurden“.
Gott kann also seinen Ruf auf viele und verschiedene Arten bestätigen, nicht immer mit spektakulären Wundern. Aber im Leben eines „Gesandten des Herrn“ wird immer etwas Aussergewöhnliches zu beobachten sein; etwas, was nur dadurch zu erklären ist, dass Gott seine Hand auf diese Person gelegt hat.

Die apostolische Funktion kann nicht auf eine einzige Denomination beschränkt bleiben.

Das ist eine logische Folge daraus, dass der Aposteldienst über die örtliche Gemeinde hinausgeht. Das Neue Testament sagt nicht viel über das Problem der Denominationen; dieses Problem tauchte nur in Korinth auf. Aber wir lesen dort, dass Paulus sich an „die Gemeinde Gottes“ richtet, „die in Korinth ist“ (1.Kor.1,2), als ob die unterschiedlichen Parteien nicht existierten. Er ermahnt sie alle in gleicher Weise, in der Erwartung, dass sie alle seine Autorität akzeptieren würden. Ein Apostel (wie alle „Zurüstungsfunktionen“ von Epheser 4,11) ist „zur Zurüstung des Leibes Christi“ eingesetzt (Epheser 4,12). Wenn also an einem Ort der Leib Christi in unterschiedliche Denominationen gespalten ist, dann kann sich ein Apostel nicht nur an eine Auswahl von ihnen wenden.

Es ist ein anderer Fall, wenn eine Denomination (oder deren Leiter) den Dienst eines Apostels ablehnt, nur weil dieser Dienst sich nicht ihren besonderen denominationellen Strukturen unterwirft. Das ist natürlich nicht die Schuld des Apostels. Es versteht sich von selbst, dass ein apostolischer Dienst sich unabhängig von denominationellen Strukturen entfalten muss. Aus demselben Grund muss der apostolische Ruf einer Person angezweifelt werden, die sich stark mit einer bestimmten Denomination identifiziert.