Ich wiederhole hier nochmals die Vorbemerkung aus dem 1.Teil:
Der folgende Artikel beruht auf einer längeren Schrift, die ich ca. 2004 in Perú zu verteilen begann aus Besorgnis über das Vordringen der Bibelkritik in evangelikalen Gemeinden und Bibelschulen. Wie stark der Einfluss der Bibelkritik hier ist, wurde mir aber erst klar, als mir mehrere regionale Leiter die Verbreitung dieser Schrift in den ihnen unterstellten Gemeinden verboten. Diese Artikelserie erscheint deshalb in der Kategorie „Zensurierte Artikel.“
Die Gedanken der Bibelkritik selber sind ja in Europa nicht neu. Ich habe deshalb die diesbezüglichen Erläuterungen gegenüber dem Original ziemlich stark gekürzt. Eher neu ist hingegen, dass diese Theologie auch in evangelikalen und offiziell „bibeltreuen“ Gemeinden gelehrt wird, und z.T. sogar als die einzig richtige Theologie bezeichnet wird. In Perú (und überhaupt in Lateinamerika) stellen die meisten evangelischen Kirchen in ihrem offiziellen Glaubensbekenntnis deutlich fest, dass die Bibel Gottes inspiriertes und irrtumsfreies Wort ist. Ihre Praxis unterscheidet sich davon aber sehr, wie Beispiel zeigt. Ich frage mich, was Gott ein grösseres Ärgernis ist: eine europäische Landeskirche, deren Theologen ganz offiziell sagen, die Bibel sei nicht so ernst (und schon gar nicht wörtlich) zu nehmen, oder eine sich bibeltreu nennende Freikirche, die unter dem Etikett „gesunde biblische Lehre“ verdeckt Bibelkritik lehrt?
Ich fahre fort mit ausgewählten Problemen der bibelkritischen Theologie:
Annahme eines späten Abfassungsdatums
“Wir finden keine besondere Ähnlichkeit mit 1.Petrus in der Sprache und in der Lehre. Aus diesem Grund, und wegen der unterschiedlichen Situation der Gemeinde, die in einigen Stellen des 2.Briefs zum Ausdruck kommt, … denken viele, dass es sich hier um die späteste Schrift des Neuen Testaments handelt, vielleicht anfangs des 2.Jh. Ihr Autor könnte ein christlicher Lehrer gewesen sein, der an die Autorität des Petrus apellierte, um seiner Lehre mehr Autorität zu verleihen.”
(Studienbibel “Dios habla hoy”, Einleitung zu 2.Petrus)
Anfangs des 2.Jh. war Petrus schon seit über 30 Jahren tot. Die ursprüngliche Lehre hätte in dieser Zeit verändert werden können, und die historischen Ereignisse in Vergessenheit geraten. So können die Kritiker den ganzen Inhalt des Buches anzweifeln.
Insbesondere im Alten Testament nehmen die Kritiker an, es hätte während vielen Jahrhunderten überhaupt keine schriftlichen Zeugnisse gegeben:
“Obwohl die Schrift sich in Israel während der Konstitution der Königtums formell entwickelte (…), wurden die Erinnerungen früherer Zeiten mündlich bewahrt und von einer Generation zur anderen weitergegeben. Diese mündlichen Erzählungen wurden später von verschiedenen Personen und Personengruppen aufgeschrieben, um die Erzählungen zu bewahren, die ihnen einen Existenzgrund gaben…”
(“Entdecke die Bibel”, S.51)
Die kritischen Theologen stellen das Volk Israel gerne als ein primitives und unwissendes Volk von Analphabeten dar. So können sie sagen, dass nach so vielen Jahrhunderten sich ihre “Traditionen” sehr weit von der historischen Wahrheit enfernt hätten.
Aber die Zivilisation der Israeliten war weiter fortgeschritten, als die Theologen uns weismachen wollen. In Mesopotamien (Babylonien), wo Abraham herkam, war die Schrift schon lange vor Abraham bekannt. Ebenso in Ägypten, wo Mose seine Ausbildung erhielt (am Hof des Pharao!). In 2.Mose 17,14 und 37,24 beauftragt Gott Mose, zu schreiben. In 2.Mose 24,4 heisst es: “Und Mose schrieb alle Worte des Herrn.” Ebenso 4.Mose 33,2 und 5.Mose 31,9. Alle diese Stellen müssten Lügen genannt werden, wenn die Theorie der “mündlichen Überlieferung” richtig wäre.
4. Mose 5,23: “Der Priester soll diese Flüche in ein Buch schreiben…” – Ein israelischer Priester musste schreiben können. – “Lesen”, “schreiben”, “Buch”, usw, werden so oft erwähnt in den ersten Büchern der Bibel, dass es zu weit führen würde, alle Stellen aufzuzählen.
In einigen Fällen gibt es einen zusätzlichen Grund, warum kritische Theologen ein spätes Abfassungsdatum annehmen: Sie streiten ab, dass Prophetie existiere. Wenn eine Zukunftsprophezeiung eingetroffen ist, und diese Erfüllung historisch nachgeprüft werden kann, dann haben wir einen Beweis für die göttliche Inspiration und den übernatürlichen Ursprung der Bibel. Deshalb bemühen sich kritische Theologen zu “beweisen”, dass eingetroffene Prophezeiungen erst nach ihrer Erfüllung geschrieben worden seien.
Dies ist der Grund, warum sie z.B. sagen, das Buch Daniel sei erst im 2.Jh.v.Chr. geschrieben worden (400 Jahre nach Daniel), und die zweite Hälfte des Buches Jesaja erst nach der Rückkehr aus dem Exil (200 Jahre nach Jesaja). Jesaja hat nämlich die Rückkehr aus dem Exil prophezeit und nannte sogar den Namen des Königs Kyrus (Jes.45,1-13); und Daniel prophezeite über die Perser, Griechen und Römer.
So lässt “Entdecke die Bibel” in der ausführlichen Zeittabelle Daniel einfach aus, als ob er keine historische Persönlichkeit wäre; und zitiert Jesaja als “nachexilischen Propheten”.
Nur haben die Bibelkritiker im Fall von Daniel das Problem, dass Daniel auch das Jahr der Kreuzigung Jesu vorhergesagt hat sowie die Zerstörung Jerusalems (Daniel 9,25-26, die “Wochen” als Jahrwochen (je 7 Jahre) verstanden). Hier können sie unmöglich behaupten, das Buch Daniel sei erst nach der Kreuzigung Jesu geschrieben worden!
Im Neuen Testament haben wir insbesondere die Prophezeiung Jesu über die Zerstörung Jerusalems, die sich im Jahr 70 erfüllte. Kritische Theologen argumentieren: “Da die Zerstörung Jerusalems in Matthäus klar vorhergesagt ist (22,7), muss das Abfassungsdatum auf alle Fälle nach 70 liegen.” (…) – denn Jesus kann die Vorhersage nicht wirklich gemacht haben, “weil nicht sein kann, was nicht sein darf” … – Aus der Kirchengeschichte weiss man aber, dass die Jerusalemer Gemeinde die Stadt beim Beginnn der römischen Belagerung verliess, während die übrige Bevölkerung einen Sieg der Juden erwartete. Dies kann nur damit erklärt werden, dass Jesus die Vorhersage tatsächlich gemacht hat und die Gemeinde davon wusste.
Im Jahre 1994 entdeckte der Papyrologe Carsten Peter Thiede ein Fragment des Matthäusevangeliums aus dem Jahre 60. (Der Fund wurde sogar in einer peruanischen Zeitung erwähnt.) Aber die kritischen Theologen ziehen es vor, solche Entdeckungen zu ignorieren.
Rekonstruktion der Geschichte Israels
Wir haben gesehen, dass die modernen Theologen die Bücher Mose in verschiedene “Quellen” aufteilen. Um diese Theorie aufrechtzuerhalten, mussten sie die ganze Geschichte Israels umschreiben. Dies sind einige ihrer Annahmen:
– Das Volk Israel vereinigte sich erst in der Zeit Davids; die Patriarchengeschichten sind nichts als Legenden.
– Weder der Auszug aus Ägypten, noch der Durchzug durch das Rote Meer, noch die 40 Jahre in der Wüste sind tatsächlich geschehen.
– Verschiedene Gruppen kamen nach und nach ins Land Kanaan; es gab keine Eroberung unter Josua.
– Die Ideen Israels über Gott stammen aus den Religionen der heidnischen Umwelt. (Deshalb bemühen sich kritische Theologen, Ähnlichkeiten zwischen heidnischen Religionen und der Bibel zu finden.)
– Erst in der Königszeit begannen die Israeliten, einen einzigen Gott anzubeten.
– 5. Mose wurde in der Zeit Josias geschrieben, um nachträglich die Konzentration des Gottesdienstes in Jerusalem zu rechtfertigen.
Es ist offensichtlich, dass alle diese Annahmen reine Spekulation sind; sie lassen sich weder aus dem Bibeltext noch aus ausserbiblischen Quellen belegen. Dennoch nehmen die meisten theologischen Kommentare diese Hypothesen als gegeben an. Hier nur ein kleines Beispiel:
“Die Funde … öffnen neue Möglichkeiten, die alte Theorien widerlegen oder unterstützen. So im Fall der Besetzung Kanaans durch die Israeliten. Die biblischen Erzählungen ergeben kein einheitliches Bild. Und die Ergebnisse der Archäologie und anderer Hilfswissenschaften führten zu drei Theorien:
1. Friedliche Besetzung des Landes (Schule von Alt und Noth)
2. Gewaltsame Eroberung (Albright)
3. Innere Revolution (Mendenhall, Gottwald, Bright).
Heute scheint die Archäologie am ehesten die Theorie Mendenhalls zu befürworten.”
(“Entdecke die Bibel”, S.113)
Hier müssen wir wieder fragen: Wo bleibt die Bibel als historisches Zeugnis? Im Gegensatz zu den Äusserungen des Theologen bietet die Bibel ein sehr klares Bild; man lese das Buch Josua. Aber der kritische Theologe bringt eine Theorie, die der Bibel widerspricht, unter Berufung auf die Archäologie – aber er nennt keinen archäologischen Fund, auf den er sich abstützen könnte.
Kein Land für Israel?
Natürlich existiert für die kritische Theologie auch die Verheissung nicht, dass Israel das Land besitzen werde. Deshalb benützen die kritischen Theologen und die Bibelgesellschaften in ihren Kommentaren und Landkarten durchgängig den Namen “Palästina” für das Land Israel. Dieser Name existiert nirgendwo in der Bibel! Vor Josua hiess das Land “Kanaan”, nachher “Israel”; und in der Zeit Jesu gab es die Provinzen “Judäa”, “Galiläa”, usw. Erst im 2.Jh. nach Christus, als die Römer alle Juden vertrieben hatten, benannten sie das Land in “Palästina” um, mit dem Ziel, alle Erinnerungen an die Juden auszulöschen. Den Namen “Palästina” zu gebrauchen, bedeutet Gottes Verheissung zu leugnen, dass dieses Land Israel gehört.
Historische Wahrheit oder “Predigt der christlichen Gemeinde”?
“Die Evangelien … gehören zu einem Literaturtyp, wo nicht so sehr die kreative Aktivität des Autors zählt, als vielmehr der Gebrauch von Traditionen, die in einer oder mehreren Gemeinden bewahrt wurden.”
(Studienbibel “Dios habla hoy”, S.1459)
“Man denkt, dass dieses Evangelium das Ergebnis einer langen Reflexion und Weitergabe der Heilsbotschaft darstellt, in Gemeinden, die harte Auseinandersetzungen mit jüdischen Gruppen durchstehen mussten.”
(Studienbibel “Dios habla hoy”, Einleitung zum Johannesevangelium)
In anderen Worten wird hier gesagt, die ersten Gemeinden hätten die Heilsbotschaft verändert, je nach der Situation, in der sie sich befanden. Gemäss der kritischen Theologie ist der “Jesus der Evangelien” nicht derselbe wie der “historische Jesus”. Der “historische Jesus” soll keine Wunder getan haben; soll nie gesagt haben, er sei Gottes Sohn; und soll nicht vom Tod auferstanden sein – dies alles sei Erfindung der christlichen Gemeinden.
Die kritischen Theologen versichern auch, die Schreiber der Bibel hätten nie die Absicht gehabt, ein inspiriertes Buch zu schreiben:
“Als sie (die Autoren des NT, Üs.) schrieben, dachten sie nicht im Traum daran, dass ihr Produkt eines Tages dieselbe Autorität hätte wie die heiligen Schriften, die in der Synagoge gelesen wurden… Nach und nach sprachen die Christen diesen Texten eine bevorzugte Autorität für das Leben der Gemeinde zu…”
(“Entdecke die Bibel”, S.174-175)
Diese Äusserungen sind falsch, und dienen nur dazu, Zweifel zu säen bezüglich der Autorität des Neuen Testamentes. Paulus wusste genau, dass Gott selber ihm seine Botschaft gegeben hatte (Gal.1,11-12, 1.Thess.2,13). Petrus nennt die Paulusbriefe “(Heilige) Schriften” (2.Petrus 3,15-16). Alle Apostel hatten ihren Auftrag direkt aus dem Mund Jesu erhalten: “Geht in alle Welt, und verkündet das Evangelium… und lehrt sie, alles zu halten, was ich euch aufgetragen habe” (Mark.16,15, Matth.28,20).
Die Kommentare der Bibelgesellschaften geben (wenn auch nicht sehr offen) die moderne Theologie wieder, wonach…
… die Schriften des NT Produkt des Glaubens und der Predigt der Urgemeinde sind;
… dieser Glaube und diese Predigt nicht auf historischen Tatsachen oder wirklichen Zeugnissen beruhen, sondern auf einem irrationalen psychologischen Erlebnis;
… die Predigt jener Gemeinden ihre Form ständig änderte, je nach den Umständen;
… es gar nicht wichtig ist, ob Jesus wirklich auferstand oder nicht; das einzige, was zählt, ist der “Glaube” (auch wenn er auf einer irrationalen Idee beruht).
Diese Theologie kann z.B. sagen: “Jesus auferstand im Glauben seiner Jünger” (aber nicht in Wirklichkeit). “Dieser Glaube drückt sich in mythologischer Sprache aus.”
Eine solche Theologie führt zu einer neuen Definition des Wortes “Glaube”, und aller zentralen Lehren des Christentums. Nach dieser Theologie müssten wir Hebräer 11,1 folgendermassen umformulieren: “Es ist aber der Glaube die Gewissheit dessen, was man sich selber ausgedacht hat, und die Überzeugung dessen, was nicht existiert.”
Was glauben die kritischen Theologen wirklich?
Viele kritische Theologen “schleichen sich heimlich ein” (Judas 4) in den Gemeinden: Sie sagen nichts über ihre wirklichen Überzeugungen; und wenn sie predigen, geben sie einfach wieder, was die Bibel sagt, wie es ein wirklich gläubiger Christ auch machen würde. Sie kennen die “evangelische Sprache” genügend, um sich als echte Christen auszugeben. Nur ab und zu lassen sie eine Bemerkung fallen wie: “Die theologische Wissenschaft sagt …”; und so verbreiten sie die kritischen Theorien in sehr kleinen, aber wirksamen Dosen.
(Dies gilt vor allem für Perú bzw. Lateinamerika, wo die Gemeinden zumindest “offiziell” noch an der göttlichen Inspiration der Bibel festhalten. In Europa sprechen die kritischen Theologen viel offener.)
In “Entdecke die Bibel” gibt es lange Passagen, wo ein Autor eine biblische Geschichte wiedergibt, immer mit einleitenden Sätzen wie: “Nach der Erzählung von 1.Mose…”, “Gemäss der biblischen Erzählung…”, etc. – Es fällt auf, dass derselbe Autor, wenn er ausserbiblische Ereignisse erwähnt, nie eine Quelle angibt wie z.B: “Nach den babylonischen Chroniken…”. Solche Ereignisse präsentiert er einfach als Tatsachen. Warum dieser Unterschied?
Kritische Theologen geben oft exakt wieder, was die Bibel sagt; aber sie sagen nicht, dass sie selber auch daran glauben. Das ist, als ob ich sagte: “Das Märchen erzählt, dass Schneewittchen in den Wald rannte. Und Schneewittchen kam zu den sieben Zwergen…” – und Sie könnten denken, ich glaubte an Schneewittchen und die Zwerge; aber ich habe lediglich wiedergegeben, was das Märchen sagt. Das ist die Art und Weise, wie kritische Theologen die Bibel behandeln: sie können genau wiedergeben, was sie sagt; aber sie betrachten grosse Teile der Bibel als Märchen.
Während meines Theologiestudiums hatte ich die Gelegenheit, ein Dutzend Teilnehmer einer grossen ökumenischen Konferenz zu interviewen. Alle Befragten gaben an, an die Auferstehung zu glauben. Aber gefragt, was sie unter “Auferstehung” verstehen, sagte keiner von ihnen, Jesus sei wirklich zum Leben zurückgekehrt. Ihre Definitionen von “Auferstehung” waren vielmehr: “Die Erfahrung, die mir Hoffnung zum Weiterleben gibt.” – “Dass die Ideen Jesu weiterleben in den Herzen seiner Nachfolger.” – “Dass es eine Kraft gibt, wieder neu anzufangen”, usw.
Auf ähnliche Weise geben sie auch Ausdrücken wie “Erlösung”, “Wiedergeburt”, “Gericht”, usw, einen anderen Sinn. Sie verstehen alles als ein psychologisches Erlebnis, das nichts mit der historischen Realität des Todes und der Auferstehung Jesu zu tun hat. Die Ausdrücke klingen biblisch, aber die kritischen Theologen verstehen etwas anderes darunter.
Zweifel über den Kanon
Der “Kanon” ist die Liste der inspirierten Bücher der Bibel. Dies ist ein weiterer Angriffspunkt der Bibelkritik: Da es so viele apokryphe Bücher gibt, wurden nicht einfach willkürlich einige Bücher als “kanonisch” ausgewählt und andere nicht?
“Entdecke die Bibel” erwähnt eine gängige Theorie der kritischen Theologen, wonach die Juden erst im Jahr 70 n.Chr. den Kanon des Alten Testaments festlegten, im sogenannten “Konzil von Jamnia”. Glücklicherweise bringt der Autor hier einige gute Argumente gegen diese Theorie:
“In Jamnia führten die Rabbiner keine Änderung des jüdischen Kanons ein; sie untersuchten lediglich die Tradition, die sie empfangen hatten.
… Im Vorwort zur Übersetzung des Buches Sirach sagt der Enkel des Autors Ben Sira, dass sein Grossvater ‚das Gesetz und die Propheten und die anderen Bücher unserer Väter‘ studierte. Wenn diese ‚anderen Bücher‘ die ‚Ketubim‘ sind, dann anerkennt dieses Werk bereits im Jahr 132 v.Chr. die traditionelle Ordnung der hebräischen Bibel.”
In anderen Worten: Der Kanon des Alten Testaments stand bereits fest, als Sirach geschrieben wurde. Sirach ist eines der Bücher, die von der katholischen Kirche als “deuterokanonisch” der Bibel hinzugefügt wurden. Dagegen versichert das Vorwort dieses Buches selber, dass es nicht kanonisch ist.
Es mutet daher merkwürdig an, dass derselbe Autor einige Seiten später die Zusammenarbeit der Bibelgesellschaften mit der katholischen Kirche verteidigt, um Bibeln herauszubringen, die selbstverständlich die Apokryphen mit den kanonischen Schriften auf dieselbe Stufe stellen.
Inbezug auf das Neue Testament vermitteln die Erklärungen der Bibelgesellschaft den Eindruck, der Kanon des Neuen Testaments sei etwas sehr Unsicheres und die Entscheidungen darüber sehr willkürlich; “einige Bücher, die nicht in unserem Neuen Testament stehen, waren Teil des Kanons … nicht alle Christen anerkennen dieselben Bücher als kanonisch” (S.179).
Die “Kanonlisten”, die in den ersten Jahrhunderten aufgestellt wurden, zeigen tatsächlich gewisse Unterschiede. Diese Listen waren vor allem eine notgedrungene Verteidigung gegen Irrlehrer wie z.B. Marcion, der alles vom NT ausschloss, was “jüdisch” anmutete. Es ist bedeutsam, dass diese Kanonlisten erst gegen Ende des 2.Jh. erscheinen, als schon viele apokryphe Bücher existierten und es deswegen zu Auseinandersetzungen kam. Das bedeutet, dass es vorher, während der ersten 150 Jahre der Kirchengeschichte, keinerlei Auseinandersetzung über den Kanon gegeben hatte. Für die Urgemeinde war es klar, welches die inspirierten Bücher waren.
Der Theologe der Bibelgesellschaften kommt zu einer anderen Schlussfolgerung, weil er annimmt, die Autoren des NT hätten nicht gewusst, dass sie inspiriert waren; oder weil er gar nicht mit der Inspiration rechnet.
Folgen der Bibelkritik in den Gemeinden
Was geschieht mit einer Gemeinde, die der sogenannt “wissenschaftlichen Theologie” Raum gibt? – In Europa hat man dieses Experiment seit etwa 150 Jahren gemacht, und das Ergebnis ist verheerend. Die Gemeinden sind geistlich gestorben! Reformierte Pfarrer können in Gefahr kommen, ihr Pfarramt zu verlieren, wenn sie biblisch über Bekehrung und Wiedergeburt predigen. Nach weltweiten Statistiken war Europa im Jahr 2000 der am wenigsten evangelisierte Kontinent der Erde, mit rund 2,4% wiedergeborenen Christen. Dies ist das Ergebnis der Bibelkritik in den reformierten Kirchen.
Vertrauen wir auf Gottes Wort, statt auf bibelkritische Theologen
In Wirklichkeit gibt es keinen “wissenschaftlichen Grund”, der Bibel nicht zu vertrauen. Es gibt keine historisch dokumentierten Belege für die kritischen Theorien!
Das Wort der Bibel ist kräftig, weil es Gottes Wort ist. Wenn wir es im Vertrauen anwenden, erfahren wir diese Kraft. Wenn wir “die Güte des Herrn geschmeckt haben” und seine Liebe erfahren haben, dann ist es nur natürlich, dass wir mehr von seinem Wort möchten, die “unverfälschte geistliche Milch” (1.Petrus 2,2-3). Wenn wir jedoch an der Güte und Ehrlichkeit Gottes zweifeln, oder wenn wir glauben, er sei nicht fähig, uns die Dinge so zu sagen wie sie sind, dann wird unser Verlangen nach Gottes Wort abnehmen, und wir werden geistlich nicht wachsen.
Jesus überwand jede Versuchung des Feindes mit einem “Es steht geschrieben”. Petrus sagte: “Auf dein Wort hin will ich das Netz auswerfen”, und erlebte ein Wunder. An Pfingsten sagte er: “Dies ist es, was der Prophet Joel vorausgesagt hat”, im geschriebenen Wort. Die Gläubigen stützten ihr Gebet auf Gottes Wort, und Gott antwortete in mächtiger Weise (siehe Apg.4,24-31). Diese Kraft des Wortes Gottes ist auch uns zugänglich. Aber wir verlieren sie, wenn wir das Wort nur als fehlerhaftes Menschenwort ansehen.
Einige fragen: “Muss ich wirklich an die ganze Bibel glauben, um gerettet zu werden?” – Das klingt so ähnlich wie die Frage einer Braut, die eine Zeitlang von ihrem Bräutigam getrennt ist und von ihm nur Briefe bekommt: “Muss ich wirklich alle seine Liebesbriefe lesen?” – Wenn sie nicht alle Briefe liest, hört sie deswegen nicht auf, die Braut zu sein. Aber sie wird sich innerlich von ihrem Bräutigam entfremden; und es kann der Moment kommen, wo ihre Liebe völlig erkaltet und es zu einer Trennung kommt.
Richard Wurmbrand berichtet von einem Kind, das eine Zeitlang den Ausführungen eines kritischen Theologen zuhörte, und ihn dann mit der Frage unterbrach: „Wenn Gott nicht meinte, was er sagte, warum sagte er dann nicht, was er meinte?“ – Es täte uns gut, zu dieser kindlichen Einfachheit zurückzukehren und darauf zu vertrauen, dass Gott tatsächlich meinte, was er sagte.
Wenn wir an den Namen der biblischen Autoren zweifeln, dann werden wir auch an der Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit Gottes zweifeln. Wenn wir an der Schöpfungsgeschichte zweifeln, dann werden wir auch an der Allmacht und Weisheit Gottes zweifeln. Wenn wir an seinem Wort zweifeln, dann werden wir auch an seiner Kommunikationsfähigkeit zweifeln, und an seinem Wunsch, eine persönliche Beziehung mit uns zu haben. Jesus sagte: “Ich habe euch Freunde genannt, denn alles, was ich von meinem Vater gehört habe, habe ich euch mitgeteilt.” (Joh.15,15). In unseren Händen das offenbarte Wort Gottes zu haben, ist sein Freundschaftsgeschenk an uns.