Niveau: Einfach bis schwierig.
(Das „Experiment“ kann allein mit Kenntnis der Grundoperationen durchgeführt und verifiziert werden. Die dazugehörige Forschungsaufgabe erfordert jedoch Algebrakenntnisse und ein Verständnis gewisser zahlentheoretischer Zusammenhänge, um zu einer vollständigen Erklärung zu gelangen.)
Dies ist ein Beispiel eines alternativen Zugangs zum Mathematiklernen. Aufgaben in der Art dieses Artikels (auch zu einfacheren Themen) finden sich in diesem Buch zum mathematischen Forschen und Selber-Entdecken.Über den Sinn und Nutzen solcher „Forschungsaufgaben“ siehe die Anmerkungen weiter unten.
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Experiment: Untersuche die folgende mathematische Kuriosität:
Beginne mit irgendeiner natürlichen Zahl. Nur eine Bedingung sollte sie erfüllen: sie soll nicht durch 7 teilbar sein.
Verdopple diese Zahl, und schreibe das Ergebnis darunter, aber zwei Stellen nach rechts versetzt. Verdopple die neue Zahl wiederum, und schreibe das Ergebnis wieder zwei Stellen weiter rechts darunter. Wiederhole diesen Vorgang etwa 20 bis 30mal.
Nun addiere alle diese Zahlen, in der Position wie sie aufgeschrieben sind, Kolonne für Kolonne. Du kannst dabei mit den vordersten zwei Stellen der letzten Zahl beginnen und die hinteren Stellen weglassen: diese gelten nicht, da wir hier ja die Verdoppelungsreihe abgebrochen haben.
Beispiel (hier nur mit 10 Verdoppelungen):
41 82 164 328 656 1312 2624 5248 10496 20992 41984 4183673469387755100...
Rechne ein eigenes Beispiel mit einer anderen Anfangszahl. Dann vergleiche dein Ergebnis mit dieser Ziffernfolge:
102040816326530612244897959183673469387755...
(Nach der letzten Ziffer wiederholt sich die Folge von Anfang an.)
Du wirst feststellen, dass dein Ergebnis, angefangen mit der Einerstelle der Anfangszahl und bis zur zweitletzten Ziffer (also die im obigen Beispiel fett geschriebenen Ziffern), in dieser Folge vollständig und exakt enthalten ist. Das Verblüffende dabei ist, dass dies immer zutrifft, egal mit was für einer Zahl man anfängt! (Nur durch 7 teilbar sein sollte sie nicht, wie anfangs bemerkt.)
Allfällige Zwischenräume zwischen einstelligen Zahlen sollten dabei mit Nullen aufgefüllt werden, wie der Anfang der Folge zeigt (Anfangszahl 1).
Du kannst dies als Trick vorführen: Schreibe zum voraus die Ziffernfolge auf einen Papierstreifen, und klebe das Ende mit dem Anfang zusammen. Lass dein Publikum die obige Rechenaufgabe lösen, ohne dass du hinsiehst. Dann kannst du behaupten, dass du das Ergebnis bereits vorausgesehen hast: Du musst nur noch auf deinem Papierstreifen die Stelle finden, wo das Ergebnis deines Publikums anfängt. Oder du kannst das Publikum bitten, dir zwei aufeinanderfolgende Ziffern aus der vorderen Hälfte des Ergebnisses zu nennen, und dann bist du (mit Hilfe deines Papierstreifens) in der Lage, die darauffolgenden fünfzehn oder zwanzig Ziffern korrekt zu nennen.
Nun dazu die Fragen für Forscher:
1) Die Hauptfrage ist natürlich: Warum funktioniert das? Worin besteht das Geheimnis dieser Ziffernfolge? Wie kann man das mathematisch erklären?
2) Wir haben die durch 7 teilbaren Zahlen als Anfangszahlen ausgeschlossen, weil es bei diesen nicht funktioniert. Dafür tritt bei diesen ein anderer, ähnlicher Effekt ein. Untersuche die Ergebnisse der Verdoppelungs-Operation, wenn die Anfangszahl durch 7 teilbar ist. Kannst du daraus weitere Schlüsse ziehen?
3) Vielleicht hilft dieser Hinweis weiter: Die oben angegebene Ziffernfolge kommt auch in einem anderen Zusammenhang vor; d.h. sie kann auch mit einer anderen Rechenoperation produziert werden. Mit welcher? – Das ist vielleicht leichter herauszufinden, wenn du zuerst die Ergebnisse der durch 7 teilbaren Anfangszahlen untersuchst. Und dann kommst du vielleicht auch der Antwort auf Frage 1 näher.
4) Eine weitere interessante Beobachtung ist, dass die Ziffern der zweiten Hälfte der Folge (ab 8979…) jeweils die Ziffern der ersten Hälfte auf 9 ergänzen. Woher kommt das? Und wie hängt das mit der anderen, in Frage 3 angedeuteten Operation zusammen?
5) Du kannst auch andere, verwandte Ziffernfolgen und Operationen untersuchen. Zum Beispiel:
– Was passiert, wenn man die Anfangszahl jeweils mit 3 oder mit 4 multipliziert, statt sie zu verdoppeln?
– Was passiert, wenn man die Ergebnisse der Verdoppelungen statt zwei Stellen nur eine Stelle nach rechts rückt?
– Usw.
Sobald du die mathematischen Gesetze erkannt hast, die diesen Operationen zugrundeliegen, wirst du selber auf weitere Variationen kommen. Du kannst dann auch Operationen finden, die Ziffernfolgen mit ganz bestimmten, zum voraus festgelegten Eigenschaften produzieren. Doch davon in einer späteren Folge. Versuche zuerst selber so viel wie möglich herauszufinden.
In einigen Wochen oder Monaten werde ich, so Gott will, weitere Hinweise zu diesem Problem veröffentlichen. Korrespondenz kann über die Kontaktseite geführt werden.
Pädagogische Anmerkungen:
Bei früheren Forschungsaufgaben (hier und hier) habe ich bereits darüber geschrieben, was der Sinn solcher Aufgaben ist.
Die vorliegende Aufgabe gehört zur Kategorie der „Mysteriums“-Themen, bei denen erst nach einiger Zeit des Forschens ersichtlich wird, worin das eigentliche Thema besteht. Schüler (oder auch Erwachsene!), die dieses Thema erforschen möchten, werden deshalb mehrere Zugänge ausprobieren müssen, bis sie herausfinden, welche mathematischen „Werkzeuge“ darauf anwendbar sind. Das schadet gar nichts! Im Gegenteil, es fördert unsere Flexibilität und unser logisches Denken.
Tatsächlich wird man finden, dass die vorliegende Aufgabe zu mehreren unterschiedlichen Bereichen der Mathematik führt. Sie beginnt mit einer einfachen arithmetischen Operation. Aber um diese erklären zu können, werden wir Gesetzmässigkeiten aus der Algebra und der Zahlentheorie heranziehen müssen; und wer weiss, vielleicht sogar aus der Infinitesimalrechnung … (Keine Angst, Letzteres ist für eine befriedigende Lösung der Aufgabe nicht notwendig! Aber Kenntnisse der Infinitesimalrechnung können tatsächlich dazu beitragen, gewisse Aspekte dieses Themas in einem schärferen Licht zu sehen.)
Aus praktischen Gründen pflegen wir die Mathematik in Teilbereiche zu unterteilen wie Arithmetik, Algebra, Geometrie, Trigonometrie, usw. Aber diese Bereiche hängen alle unter sich zusammen, manchmal auf ganz überraschende Weise. Wenn wir nur jeden Bereich für sich praktizieren, dann können wir den Blick dafür verlieren, dass die Mathematik ein zusammenhängendes grosses Ganzes ist. Aufgaben wie die vorliegende, die uns herausfordern, mehrere Bereiche im Blick zu haben, können dazu beitragen, solche Zusammenhänge zu entdecken und darüber zu staunen.
Im Gegensatz zu dieser Aufgabe war mir beim Ausarbeiten der vorliegenden schon zum voraus klar, was für Prinzipien ihr zugrunde liegen. Dennoch durfte ich auch hier ein kleines „Heureka!“-Erlebnis machen, als ich mit dem anfangs vorgestellten Experiment eine ziemlich beeindruckende Anwendung dieser Prinzipien fand. An euch Forschern liegt es nun, diese Prinzipien herauszufinden.