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Lernen Lehrer, wie Lehrer lehren, oder lernen Lehrer, wie Schüler lernen? (1.Teil)

1. Mai 2013

Während der letzten Jahre hatte ich Gelegenheit, Dutzende von Schülern zu beobachten, die in der Schule offenbar (fast) nichts lernen. Das sind nicht nur Ausnahmefälle, und das ist auch nicht nur mein subjektiver Eindruck, sondern das ist statistisch bestätigt worden:

„In Mexico machte die OECD vor einigen Wochen bekannt, dass 66% der 15jährigen in Mathematik ungenügend sind, und 52% haben ungenügende Fähigkeiten im Lesen. Die Bildungs- und Kulturzeitschrift „La Tarea“ veröffentlichte die folgende Reportage:
„In der Primarschule wird der Anteil von Kindern, die keinerlei oder nur minimale Leistungen erbringen, mit 31,1% angegeben. Es besteht dabei eine umgekehrte Korrelation zwischen dem Schuljahr und dem Lernniveau. Das erklärt sich dadurch, dass das Kind jedes neue Schuljahr mit einem enormen Rückstand anfängt, welcher sich jedes Jahr kompliziert. In späteren Erhebungen wurde gefunden, dass in der sechsten Klasse das niedrigste Leistungsniveau der ganzen Primarschule herrscht…“
(Aus Kathleen McCurdy, „Die Neuronen, die von der Schule vergessen wurden“, 2006)

Also: Zwischen einem und zwei Drittel aller Schüler haben trotz (oder wegen?) langjährigem regelmässigem Schulbesuch so gut wie nichts gelernt. Woran liegt das? Darüber gibt die Statistik keinen Aufschluss, aber die Beobachtung einiger Einzelfälle kann uns vielleicht auf die Spur führen.

Ein Viertklässler bringt als Hausaufgabe eine Liste von zehn Wörtern, deren Definitionen er im Wörterbuch nachschlagen und abschreiben soll. (Eine Aufgabe, die Schülern hierzulande ziemlich oft und routinemässig aufgegeben wird.) Ich frage ihn, ob ihm diese Wörter bekannt sind. Nein, nur von einem oder zwei hat er eine ungefähre Vorstellung, was es bedeutet; die anderen sind ihm völlig unbekannt. Das erste Wort ist „Phänomen“. Im Wörterbuch steht dazu: „Jegliche Manifestation der Materie oder der Energie. – Aussergewöhnliche oder überraschende Erscheinung.“ – Der Schüler schreibt brav die Definition ab. Dann frage ich ihn: „Kannst du mir jetzt sagen, was ein Phänomen ist?“ – „Hm… so etwas ähnliches wie ein Gespenst.“ – Offenbar hat er die soeben abgeschriebene Definition nicht verstanden. Kein Wunder, denn sie enthält mindestens drei weitere ihm unbekannte Wörter. Ich versuche ihm zu erklären, was es bedeutet, aber der Schüler hat keine Geduld mit mir: „Machen wir schnell weiter, ich möchte fertigwerden, ich habe nachher noch eine Mathematikaufgabe.“

So verbringt der Schüler einen ganzen Nachmittag mit Hausaufgaben, aus denen er nicht das Geringste lernt. Er könnte ebensogut chinesische Schriftzeichen abzeichnen. Kinder im Primarschulalter, deren Denken noch völlig auf das Konkrete ausgerichtet ist, können neue Wörter nicht mit Hilfe abstrakter Definitionen lernen. Sie müssen sie im Zusammenhang einer konkreten Erfahrung oder einer für sie verständlichen Erzählung kennenlernen. Ich frage mich, ob der Lehrerin dieser Sachverhalt bekannt ist?

Viele Primarschüler berichten, sie würden von ihrer Lehrerin geschlagen, wenn sie die Hausaufgaben nicht gemacht hätten oder an einer Prüfung eine schlechte Note hätten. (Ich weiss, das gibt es in Europa in der Regel nicht mehr. Aber ich muss annehmen, dass europäische Lehrer einfach andere, raffiniertere Methoden finden, um „schlechte Schüler“ zu demütigen.) Kein Wunder, dass diese Schüler vor jeder Prüfung (oder sogar vor jedem Schulmorgen) Angst haben und deshalb erst recht versagen. Kümmert das irgendeinen Lehrer?

Seit ein paar Jahren haben peruanische Schüler jeden Morgen fünf bis sieben(!) Stunden Schule – am Stück, mit nur einer halbstündigen Pause zwischendrin. Und allmählich werden jetzt auch die Nachmittage mit jeweils zwei bis drei Schulstunden besetzt; dazu kommen noch zwei bis vier Stunden Hausaufgaben. (Schüler, die in einem Fach Mühe haben, brauchen u.U. noch länger.) Dabei haben Untersuchungen herausgefunden, dass das menschliche Gehirn – sogar bei erwachsenen Studenten – nach spätestens vier Stunden Studium nicht mehr aufnahmefähig ist und dann eine längere Pause benötigt. Was dem gesunden Menschenverstand schon von sich aus klar sein sollte: Ein Kind ist keine Lernmaschine, die man ununterbrochen laufen lassen könnte. Es braucht genauso auch Zeiten der Erholung, der körperlichen Betätigung, der praktischen Arbeit und des Spiels. Wenn man dem Kind diese Zeiten wegnimmt in der Meinung, es würde dann mehr lernen, dann ist das äusserst kontraproduktiv. Haben die Lehrer und Schulplaner irgendwann einmal davon gehört?

Nach einer Reihe solcher und ähnlicher Beobachtungen drängt sich unweigerlich die Frage auf, die ich im Titel gestellt habe: Hören die Lehrer in ihrer pädagogischen Ausbildung eigentlich auch etwas darüber, wie Kinder lernen? Oder wird ihnen nur beigebracht, wie sie nach den Vorstellungen staatlicher Schulplaner lehren sollen?

Da mehrere Mütter unserer gegenwärtigen Nachhilfeschüler selber Lehrerinnen sind, stellte ich diese Frage an einem Elternabend: „Wieviel Zeit wurde in Ihrer Berufsausbildung darauf verwendet, zu studieren, wie Kinder lernen?“ – Sie sahen mich nur gross an und verstanden die Frage gar nicht. Ich musste mich näher erklären: „Sicher haben Sie in Ihrer Ausbildung vieles gelernt über Unterrichtsplanung, Vorbereitung von Lektionen, Didaktik, Lehrmethoden, und wie Sie den ganzen bürokratischen Papierkram ausfüllen müssen. Das sind alles Dinge, die der Lehrer tut und die vom Lehrer erwartet werden. Haben Sie aber auch etwas gelernt darüber, was in den Kindern vorgeht: wie der Lernprozess von seiten des Kindes aussieht; was für eine Umgebung der Entwicklung der kindlichen Intelligenz förderlich ist; was für Arten des Lernens oder Lernstile es gibt, usw.?“ – Nun bekam ich ein paar Antworten, die aber alle auch wieder auf das Lehren abzielten, also auf die Tätigkeit des Lehrers: „Wie man Schulstunden interessant gestalten kann.“ – „In welcher Reihenfolge der Stoff aufgenommen werden soll.“
Ich muss daraus schliessen, dass durchschnittliche Lehrer – zumindest hier in Perú – so gut wie unwissend sind darüber, wie Kinder lernen. (Wie es in anderen Ländern ist, weiss ich nicht; ich schreibe hier aus der Warte meiner eigenen Umgebung.) Und wahrscheinlich interessiert es sie auch nicht besonders, denn sie werden in erster Linie daraufhin kontrolliert, ob sie „richtig“ (d.h. nach den staatlichen Richtlinien) lehren.
Dabei wird jeweils als selbstverständlich vorausgesetzt, dass bei „richtigem“ Lehren der Lehrer automatisch der Lernerfolg der Schüler einträte. Oder wie Ivan Illich sinngemäss sagte: „Das ganze Schulsystem beruht auf der irrigen Annahme, Lernen sei das Ergebnis von Lehren.“ – Diese Annahme wird schon durch die oben angeführten Statistiken widerlegt: Rund die Hälfte der Kinder, die solchem „Lehren“ ausgesetzt sind, lernen kaum etwas. (Und bei weiterem Nachforschen stellt sich heraus, dass jene, die wirklich etwas lernen, sich ihr Wissen zum grössten Teil nicht in der Schule aneignen, sondern von ihren Eltern oder durch selbständiges Lernen. Darüber vielleicht ein anderes Mal…)
Ausserdem gibt es dank der amerikanischen Homeschooling-Bewegung inzwischen tausende von Gegenbeispielen: Kinder, die mehr lernen als durchschnittliche Schulkinder, obwohl (oder weil?!) sie nur selten auf schulmässige Weise „belehrt“ werden. (Ein beträchtlicher Anteil der Homeschooling-Familien benützt keine starren Lehrpläne oder Schulbücher, sondern hat ein flexibles und praxisorientiertes Programm, das hauptsächlich durch die Interessen der Kinder selbst motiviert wird. Siehe „Die Moore-Formel“.)

Wie also lernen Kinder? Dieser Frage wollen wir in einem zweiten Teil nachgehen.

Vom Sinn oder Unsinn der Schulnoten – 5.Teil

13. Februar 2013

Noten u.ä. als diagnostisches Instrument

In den vorhergehenden Folgen dieser Artikelserie haben wir gesehen, dass Schulnoten
– jahrtausendelang an den Schulen unnötig waren und erst in neuester Zeit erfunden wurden,
– verschiedene institutionelle und persönliche Folgen haben, die das Lernen nicht fördern, sondern es im Gegenteil behindern,
– weder objektiv noch angemessen sind zur Beurteilung der effektiven „Leistung“ und/oder Intelligenz,
– in keinerlei Korrelation stehen zum effektiven beruflichen Erfolg einer Person.

Sollen dann Schüler überhaupt nicht beurteilt werden? – Ich zitiere meinen kritischen Kommentator weiter:

„…dass es für einen Schüler mit einer schlechten Note zunächst einmal wertvoll sein kann, zu akzeptieren, dass er selbst etwas falsch gemacht hat. Heutzutage wird ja oft der Fehler bei den Anderen gesucht. Wenn man also eine schlechte Note bekommt, dann ist nach dieser Logik in irgendeiner Form der Lehrer schuld. Dies hindert den Schüler jedoch daran, sich mit seinem Leistungsdefizit (nicht charakterlichen Defizit) auseinanderzusetzen und es abzustellen. „

Richtig daran ist, dass ein Feedback für den Schüler nötig und hilfreich ist (übrigens nicht nur über die Fehler, die er begeht, sondern erst recht über das, was er gut und richtig macht!) In diesem Kommentar werden aber zwei Dinge durcheinandergeworfen, die auf ganz verschiedenen Ebenen liegen, nämlich 1) das Korrigieren eines Fehlers und 2) die Beurteilung bzw. Klassifizierung aufgrund eines „Leistungsdefizits“.

Fehler zu korrigieren, ist ein normaler Teil des Lernprozesses. Dieser sollte aber nicht verwechselt werden mit einer Beurteilung. Schüler machen Fehler, entweder aus Unwissenheit (z.B. Rechtschreibefehler), oder weil sie von ihrem Entwicklungsstand her noch nicht in der Lage sind, einen Sachverhalt zu verstehen (z.B. Denkfehler bei mathematischen Problemen, bzw. Unvermögen, die Problemstellung überhaupt zu verstehen).
In ersterem Fall kann der Fehler behoben werden, indem man dem Schüler die nötige Information verschafft und ihm genügend Zeit gibt, diese zu assimilieren. In letzterem Fall ist der Fehler ein Anzeichen von Überforderung: die Aufgabenstellung war dem Entwicklungsstand des Schülers nicht angemessen und hat deshalb keinerlei Lerneffekt, sondern verwirrt nur. Ein Fehler dieser zweiten Art kann nicht unmittelbar „behoben“ werden, weil die zur Lösung der Aufgabe erforderlichen mentalen Strukturen beim Schüler schlicht noch nicht vorhanden sind. Wenn dies als „Leistungsdefizit“ bezeichnet wird, das der Schüler „abstellen“ soll, dann bürdet ihm der Lehrer damit eine unerträgliche Last auf, die er selber mit keinem Finger anzurühren bereit ist (Matthäus 23,4) – ebenso wie wenn ich unbedingt darauf bestehen würde, an einen Motor von 10 PS eine Maschine anzuschliessen, die eine Leistung von 25 PS erfordert. An einem solchen „Leistungsdefizit“ ist nicht der Motor (bzw. der Schüler) schuld, sondern tatsächlich der Lehrer, der einen solchen Motor (bzw. Schüler) auf unsachgemässe Weise überfordert. Was geschehen kann, wenn ein Schüler gezwungen wird, dennoch solche ihm unmöglichen „Leistungen“ zu erbringen, habe ich an anderer Stelle schon ein wenig ausgeführt.

Was nun die Fehler der „ersten Art“ betrifft, so braucht der Schüler zweifellos ein Feedback darüber, damit er die Fehler korrigieren kann. Seine „Leistung“ (wenn man das Wort hier unbedingt verwenden will) besteht in diesem Fall darin, dass er eine bestimmte Anzahl Fehler (z.B. Rechtschreibefehler) korrigiert und diese in Zukunft nicht mehr begeht. Wenn wir also eine solche „Leistung“ messen wollten, dann müssten wir den Fortschritt des Schülers im Vergleich zu seinem eigenen vorherigen Stand messen – d.h. nachdem er den Lernprozess des Fehler-Korrigierens durchlaufen hat.
Es ist ein wichtiges pädagogisches Prinzip, dass man ein Kind nie mit anderen Kindern vergleichen soll, sondern immer nur mit sich selber. Dieses Prinzip wird aber in der schulischen Notengebung und Beurteilung systematisch verletzt. Die Schulnoten messen nicht den persönlichen Fortschritt jedes Kindes, sondern lediglich (wenn überhaupt) dessen aktuellen Stand im Vergleich zum Klassenverband. Damit sagen die Noten überhaupt nichts darüber aus, ob das Kind tatsächlich einen Fortschritt erzielt (d.h. dazugelernt) hat, oder ob es schon vorher schon alles wusste, oder ob es sogar einfach ein bisschen weniger verdummt wurde als seine Klassenkameraden.

Wenn Kinder schon nach einer Art normierter Skala beurteilt werden sollen, dann würde ich das eher als Diagnose ihres momentanen Entwicklungsstandes verstehen, nicht als „Leistungsbeurteilung“. Als Skala würde ich auch nicht das Beherrschen von „Schulstoff“ nach Lehrplan benützen, denn damit wird (wie erwähnt) meistens nur die Fähigkeit gemessen, Daten „auf Zeit“ auswendig zu lernen. Als eine viel sinnvollere Skala betrachte ich die von Jean Piaget beschriebenen Fähigkeiten des logischen Schlussfolgerns (z.B. das Verständnis der Gesetze der Erhaltung der Anzahl und der Masse; oder die Fähigkeit zur „Umkehrung“ einer gegebenen Operation); oder die von Raymond Moore beschriebenen Indikatoren des „integralen Reifegrades“. (Letztere erfordern jedoch z.T. medizinische Diagnosen, die wir nicht stellen können; somit sind Piagets Experimente für unsere Zwecke praktischer.)

Es ist nun wichtig zu verstehen, dass diese grundlegenden mentalen Fähigkeiten nicht das Ergebnis eines Lehr- oder Lernprozesses sind, sondern der natürlichen Reifung des Kindes. Diese natürliche Reifung kann zwar durch bestimmte Umweltfaktoren in gewissem Mass begünstigt oder behindert werden (z.B. das Mass an mitmenschlicher Kommunikation und Verständnis in der Familie); es handelt sich aber dabei keinesfalls um eine „Leistung“ des Kindes. Wenn die entsprechenden Fähigkeiten einmal vorhanden sind, können sie pädagogisch gefördert werden; aber was noch nicht vorhanden ist, kann auch nicht gefördert werden.

Eine solche „diagnostische“ Beurteilung der mentalen Fähigkeiten eines Kindes misst also nicht dessen „Leistung“, sondern gibt darüber Aufschluss, was für Lernleistungen diesem Kind von seinem gegenwärtigen Entwicklungsstand her möglich sind bzw. von ihm erwartet werden können. Es geht also in erster Linie darum, dem Lehrer ein Werkzeug in die Hand zu geben, um zu verstehen, was für Arten des Lernens und was für Anforderungen jedem Kind angemessen sind von seinem Entwicklungsstand und Intelligenzprofil her. Das Ziel ist dabei, das Lehren und Lernen den Bedürfnissen des Kindes anzupassen – statt, wie es im Schulsystem geschieht, die Kinder dazu zu zwingen, sich einem unpersönlichen Einheitslehrplan mit Einheitsmethoden anzupassen.

Wenn „Schulnoten“ in diesem Sinne verstanden werden könnten, dann wären sie sogar sinnvoll und nützlich. (Ich ziehe es aber vor, in diesem Zusammenhang nicht den Begriff „Noten“ zu gebrauchen.) Auch über das Genannte hinausgehende Messungen der gegenwärtigen Kenntnisse und Fähigkeiten der Kinder könnten dann als eine Art „Landkarte“ dienen, die dem Kind (sowie seinen Eltern und Lehrern) zeigt, wo in der „Lernlandschaft“ es sich momentan befindet, und was für nächste Schritte ihm demnach anzuraten seien. Wenn der Bezug auf einen starren und jahrgangsweise vorgeschriebenen Lehrplan wegfällt, dann hat eine solche Beurteilung auch nicht mehr den Effekt einer (oft ungerechtfertigten) institutionellen Disqualifizierung der Hälfte der Schüler. Es ist dann einfach normal, dass sich nicht alle Kinder in ihrem Lernen auf derselben Stufe befinden – Hauptsache, sie schreiten von da her vorwärts.

Auf eine solche diagnostische Beurteilung muss sich der Schüler auch nicht mit viel Stress vorbereiten. Oder bereitet sich etwa ein Patient auf seinen nächsten Arztbesuch angestrengt vor, indem er z.B. vorher ausgiebig kalt badet, damit er dann etwas weniger Fieber hat und so die Diagnose etwas besser ausfällt? Der Arzt wäre kaum erfreut darüber!

Raymond und Dorothy Moore schreiben über diese schulischen Prüfungsvorbereitungen:

„Zuallererst ist die Standardisierung der Prüfungen zweifelhaft, nicht nur vom statistischen Standpunkt her, sondern auch weil so viele Schulsysteme in ihrem Bemühen, ‚die Prüfung zu knacken‘, von ihren Lehrern verlangen, auf die Prüfung hin zu lehren, d.h. Aufgaben aus früheren Prüfungen (und manchmal sogar aus aktuellen) zu behandeln, um die Kinder auf die richtigen Antworten hin zu konditionieren. Vor Jahren hätte man dies ‚Mogeln‘ genannt. Aber in vielen Schulen ist das heute die empfohlene Praktik. Solche Praktiken verfälschen die Prozesse der Standardisierung, und die Breite und Tiefe der Ausbildung wird verengt auf die Themen, die in der Prüfung abgefragt werden.“
(In „The Successful Homeschool Family Handbook“, 1994.)

Eine „Diagnose“ im genannten Sinn sollte nicht nur den quantitativen Aspekt von „Leistung“ in Betracht ziehen, sondern vor allem auch den qualitativen. Neuere Modelle (Guilford, Gardner, u.a.) zeigen, dass „Intelligenz“ mehrdimensional ist. Wenn wir verstehen, welche dieser Dimensionen bei einem Schüler stärker ausgeprägt sind und welche weniger, dann kann das nicht nur zur besseren Selbstkenntnis des Schülers beitragen (z.B. im Hinblick auf eine spätere Berufswahl). Es gibt auch Aufschluss darüber, welches die besten Lern- und Lehrmethoden sind für diesen Schüler. So könnte (wenn die Freiheit dazu gegeben wäre) die optimale Lernform für diesen Schüler gefunden werden – statt dass wie bisher einfach jene Schüler disqualifiziert werden, deren Intelligenzprofil nicht exakt zur einzigen vom Schulsystem praktizierten Lehr- und Lernmethode passt.

Erfahrungen aus der Pädagogik der „aktiven Schule“ haben übrigens gezeigt, dass Kinder in der Regel selber diese Optimierung vornehmen, wenn man ihnen die Möglichkeit und Freiheit dazu gibt: Sie wählen dann von selber jene Inhalte und Methoden bzw. Materialien aus, die ihrem gegenwärtigen Entwicklungsstand und ihrer persönlichen Lernweise am besten entsprechen.

(Fortsetzung folgt)