Aus Liebe zur Wahrheit

18. November 2022

Ich weiss nicht, wie lange es mir noch möglich sein wird, in diesem Blog (oder überhaupt) zu kommunizieren. Deshalb habe ich beschlossen, einige Punkte, die mir als Orientierung in der gegenwärtigen Lage besonders wichtig und dringend scheinen, in einer kleinen Schrift zusammenzustellen. Sie kann von dieser Seite aus heruntergeladen werden.

Wie der Titel sagt, geht es dabei hauptsächlich um die Liebe zur Wahrheit als ein entscheidendes Merkmal jener, die Jesus nachfolgen und ihm auch durch die Endzeit hindurch treu bleiben werden. Zum Öffnen tippe bitte „2.Thessalonicher 2,10“ (genau so, aber ohne Anführungszeichen).

„Kindlein, es ist die letzte Stunde, und wie ihr gehört habt, dass der Antichrist kommt, so hat es jetzt auch viele Antichristen gegeben. Von daher wissen wir, dass es die letzte Stunde ist.“ (1.Johannes 2,18)

„Die Zeit ist nahe. Wer Unrecht tut, der tue weiterhin Unrecht, und wer unrein ist, verunreinige sich weiterhin; und der Gerechte tue weiterhin Gerechtigkeit, und der Heilige heilige sich weiterhin!“ (Offenbarung 22,10-11)

Christliche Institutionen, die politisch inkorrekte Rede zensurieren, schaufeln ihr eigenes Grab

11. November 2022

In letzter Zeit übernehmen auch kirchliche Leiter häufiger die Verhaltensweise des „virtue signalling“ (auf Deutsch etwa: „Zeichen von Tugendhaftigkeit aussenden“). D.h. gewisse Stellungnahmen und Handlungen erfolgen mit der kalkulierten Absicht, der Öffentlichkeit zu signalisieren, dass man tugendhaft ist. „Tugendhaft“ natürlich nicht im biblischen Sinn, sondern im Sinn einer politischen Korrektheit und Regierungstreue. Z.B. indem man rhetorische Purzelbäume schlägt, um zum voraus jegliche Anklage zu vermeiden, man könnte „homophob“ oder „rassistisch“ oder „gesundheitsgefährdend“ oder „klimaschädlich“ sein. Oder indem man Beifall klatscht, wenn ein christlicher Prediger wegen sogenannter „Hassrede“ verurteilt wird. Oder indem man innerhalb der eigenen Gruppe politisch inkorrekte Aussagen zensuriert; oder wenn man einmal nicht verhindern konnte, dass solche Aussagen gemacht wurden, man diese sofort unterdrückt und sich davon distanziert.

Oft denken die Betreffenden, sich mit dieser Anpassung an den Zeitgeist mehr gesellschaftliche Anerkennung zu verschaffen, oder der drohenden Verfolgung entgehen zu können. Aber das ist eine Fehlkalkulation. Die deutschen Kirchen versuchten sich an den Nationalsozialismus anzubiedern. Als Ergebnis wurden sie zu so vollständiger Anpassung gezwungen, dass sie praktisch zu Sprachrohren der Regierung wurden. Sie machten sich der Irreführung von Millionen Menschen schuldig, und der Komplizenschaft mit der Judenverfolgung. Heute betrachten wir Persönlichkeiten wie Niemöller oder Bonhoeffer als die Helden jener Zeit. Aber damals galten sie als die Störefriede und Spalter, die man – eben – zensurieren musste.
– Viele chinesische Christen unterstützen Mao und die Kulturrevolution. Aber sobald die Kommunisten die Oberhand hatten, begannen sie die Christen auszurotten, auch und gerade jene, die sie vorher unterstützt hatten.

Christliche Leiter, die politisch inkorrekte Rede zensurieren, ermöglichen und fördern die gegenwärtige Kultur der „Annullierung“ und der Zensur. Sie werden mitschuldig am Verlust der Redefreiheit, und verhelfen den antichristlichen Strömungen zum Sieg. Eines von beiden wird deshalb immer geschehen: Entweder gehen diese Institutionen ihren Weg der Anpassung bis zum bitteren Ende, wo von Christlichkeit nichts mehr übrigbleibt. Damit mögen sie als Institutionen überleben, aber als antichristliche. Oder sie werden schliesslich selber von der Annullierungs- und Zensurkultur ausgerottet, zu deren Aufbau sie beigetragen haben.

Der Ausreden gibt es viele. Es wird z.B. gesagt: „Wir wollen den Glauben nicht politisieren.“ Aber indem Meinungsäusserungen je nach ihrer politischen Korrektheit zugelassen oder zensuriert werden, hat man den Glauben bereits politisiert. Wenn sich die herrschende Politik gegen christliche Wahrheiten oder Aktivitäten richtet, dann ist es für Christen nicht mehr möglich, dieser Politik gegenüber neutral oder gleichgültig zu bleiben. Wer auf „Neutralität“ setzt, hat bereits einen politischen Standpunkt bezogen.
Ähnlich wird gesagt: „Wir wollen die Gesundheitsvorschriften nicht zu einer Glaubensfrage machen.“ Aber wer das Einhalten dieser – ohne jede empirische Grundlage durchgesetzten – Vorschriften als „christliche Pflicht“ oder ähnlich bezeichnet, oder wer Menschen, die gewisse Vorschriften nicht einhalten, von seiner Gruppe oder Gemeinschaft ausschliesst, der hat bereits eine Glaubensfrage daraus gemacht.

In Wirklichkeit kommt kein Nachfolger Jesu darum herum, politisch zu sein. Zentral im christlichen Glauben ist das Bekenntnis: „Jesus ist der Herr!“ – nicht der Kaiser, nicht die irdische Regierung, nicht der „wissenschaftliche Konsens“, nicht die internationalen Arzneimittel- oder Internetfirmen, nicht die Milliardäre und die Banker, sondern Jesus. Jeder Herrscher, der die unumschränkte und totale Macht anstrebt, wird dieses Bekenntnis unweigerlich als Kampfansage gegen ihn persönlich interpretieren – auch wenn die Christen das überhaupt nicht beabsichtigen. Allein schon das Bekenntnis zu einem anderen Herrn, ausserhalb und über den Mächigen dieser Welt, ist eine hochbrisante politische Aussage. Wer sich selbst oder die Kirche „aus der Politik heraushalten“ möchte, der kann das nur tun, indem er dieses Bekenntnis verleugnet.

Ist die Annullierungskultur die Hauptprobe zum Massenmord?

5. November 2022

Von Eugene Bach, „Back to Jerusalem“
(Übersetzte Ausschnitte aus einem Podcast.)
Der Autor arbeitet mit einer Organisation, die chinesische christliche Leiter und Untergrundmissionare unterstützt.

Der Historiker und Philosoph Stefan Molyneux hat gesagt:

Die ‚Annullierungskultur‘ ist eine Hauptprobe für Massenmord. Wenn die Menschen es akzeptieren, dass andere einfach so aus den sozialen Medien zum Verschwinden gebracht werden, dann werden sie es auch akzeptieren, wenn Menschen ganz aus der Welt zum Verschwinden gebracht werden.“

Ich bin lange nicht mit allem einverstanden, was Molyneux sagt; aber von der chinesischen Erfahrung her muss ich sagen: Mit dieser Aussage hat er recht. Ich denke, das ist eine Warnung, die ich Ihnen vom Standpunkt der chinesischen Kirche aus geben muss. Wenn wir etwas von China lernen können, dann dies: „Annullierungskultur“ bedeutet, zuerst die freie Rede zu eliminieren, und dann die Menschen, die reden.

Das erste, was die Kommunisten in China taten, als sie 1949 an die Macht kamen, war die Kontrolle über alle Kommunikation zu übernehmen: Fernsehen, Radio, Zeitungen, Schullehrpläne, usw. Nicht nur um das gegenwärtige Narrativ zu steuern, sondern um die Geschichte zu eliminieren. Das ist einer der Gründe, warum die Bibel so wichtig ist: Sie hält Geschichte fest, und Prophetie, und die Erfüllung der Prophetien im Zeugnis der Geschichte.
Und was wir lernen aus der Geschichte, ist dass wir oft gegen unsere besten Interessen gehandelt haben, aber Gott hat uns erlöst aus unserem selbstverschuldeten Unglück. Wir brauchen diese Geschichte, auch um zu verstehen, wo wir falsch gehandelt haben. Es ist daher eine sehr schlechte Idee, jene Aspekte der Geschichte loszuwerden, die uns nicht gefallen oder wo wir denken, dass gewisse Personen oder Ereignisse in einem schlechten Licht dargestellt werden. Wir verurteilen uns dann dazu, dieselben Fehler zu wiederholen. (…)
Wer die Medien beherrscht, beherrscht die Geschichte; und wer die Geschichte beherrscht, beherrscht die Zukunft. Und der Teufel weiss das.

In China begann diese Neuschreibung der Geschichte, sobald die Kommunisten die Macht hatten. Vor allem wollten sie die Geschichte der Missionare eliminieren. Warum? Missionare gründeten Spitäler, Waisenhäuser, Behindertenheime, Universitäten wo auch Frauen studieren durften, usw. Die Kommunisten wollten nicht, dass die Menschen das erfuhren. Sie wollten die Missionare entmenschlichen, und deshalb mussten sie eine Kultur annullieren: die Kultur, die von den Missionaren geschaffen worden war.
Deshalb stellten sie die Missionare als Agenten böser Imperialisten dar, die ihre Religion dazu benutzten, das Denken der Menschen zu beherrschen. Die Missionare hätten die Chinesen versklavt; die Kommunisten würden ihnen jetzt Freiheit bringen. In dieser Version waren es nicht die Missionare, die zum ersten Mal Frauen eine Universitätsausbildung ermöglichten; nein, es waren die Kommunisten. Es waren nicht die Missionare, die die ersten Spitäler gründeten, wo Arme kostenlos behandelt wurden; nein, es waren die Kommunisten. Die Leute sollten sehen, dass die Kommunisten immer ihre besten Interessen vertraten; aber diese bösen Missionare wollten sogar ihre Kinder essen. Ja, das sagten sie wörtlich. Ich habe Propagandaschriften gesehen, wo Missionare dargestellt wurden, wie sie unter einem Stacheldrahtzaun hindurchkrochen mit Messern im Mund, um Kinder zu entführen, die sie dann opfern könnten. Man würde denken, niemand würde so etwas glauben – aber die Leute glaubten es.
Wenn dann die Kommunisten und die Menschen, die von ihnen beherrscht wurden, Missionare ansahen, dann sahen sie sie nicht mehr als Menschen. Sie sahen sie nicht mehr als Väter und Mütter mit Kindern; sie sahen sie als böse Imperialisten, und als blosse Gegenstände. Wenn man einen Gegenstand oder eine Idee, die man hasst, eliminieren kann, dann kann man auch die Menschen eliminieren, die diesen Gegenstand oder diese Idee verkörpern. Wenn Menschen entmenschlicht werden, ist es viel einfacher, sie zu töten. (…)

Jesus ist der Gott der Redefreiheit. Der Teufel will die Redefreiheit annullieren, weil dann auch die Verkündigung des Evangeliums aufgehalten wird. Joh.1,1 sagt: „Im Anfang war das Wort, und das Wort war Gott, und das Wort war bei Gott.“ Jesus ist das Wort (griechisch „Logos“). Von „Logos“ ist das Wort „Logik“ abgeleitet. Es ist auch das griechische Wort für „Diskussion, Debatte“. In keiner anderen Religion ist Gott so unzertrennlich vereint mit dem Wort. Gott schuf die Welt, indem er sein Wort sprach. Er sagte: „Es werde Licht“, und es wurde Licht. Jesus ist auch heute noch das Wort Gottes, das Licht ins Dunkel und Ordnung ins Chaos bringt.
Der Teufel hat kein anderes Mittel, Gottes Macht aufzuhalten, als seine Worte aufzuhalten. Wenn er Gottes Macht in dir aufhalten will, dann hält er deine Worte auf.

Hier ist eine Lektion über Annullierungskultur in China:

„Am 19.August 1966 begannen Studenten einen Kampf für soziale Gerechtigkeit und die Rechte der Unterdrückten in China. Das patriarchalische System war von den bösen 1% geschaffen worden und unterdrückte Frauen, Minderheiten, und die Arbeiterklasse. Die Studenten riefen nach Revolution und Veränderung, und begannen die Kulturrevolution. Sie trugen rote Armbänder als Zeichen ihrer Solidarität mit den Unterdrückten. Sie forderten eine Änderung der „vier Alten“: Alte Lebensart, alte Kultur, alte Gewohnheiten, und alte Ideen. Die chinesischen Medien unterstützten die Bewegung. Die Studenten begannen mit Massendemonstrationen und Plünderungen. Sie rissen Denkmäler nieder, zerstörten chinesische Architektur, verbrannten klassische Literatur und chinesische Malerei, schändeten Tempel und das Grab von Konfuzius (…) Öffentliche Leiter, die als unterdrückerisch angesehen wurden, wurden von wütenden Volksmengen zum Tod verurteilt. Am 22.August wurde eine zentrale Verordnung herausgegeben, die polizeiliches Eingreifen untersagte. Die Polizei wurde aufgelöst, und die Studenten formten die „Roten Garden“, die von nun an in ihren Städten für Ordnung sorgten. Sie bestraften jeden, der mit ihren Ideen nicht einverstanden war.“

Viele Christen hörten: „Den Unterdrückten helfen“, und sagten: „Ja, auch Jesus hat den Unterdrückten geholfen.“ Mao Zedong gebrauchte die Worte, die die Christen gerne hörten, um ihre Unterstützung zu gewinnen. Aber sobald er ihre Unterstützung hatte, um andere Kulturen zu annullieren, annullierte er die Kultur der Christen. Christen, die anfänglich die Bewegung unterstützt hatten, wurden bald zum bevorzugten Ziel der Roten Garden, und wurden in öffentlichen Schauprozessen zum Tod verurteilt. Als sie verstanden, was geschah, war es zu spät. 70 Millionen Menschen kamen in der Kulturrevolution um; mehr als in jedem Krieg, jeder Hungersnot und jedem Unglück der ganzen Menschheitsgeschichte.

Die wichtigste Lektion daraus ist: Damit die Lüge existieren kann, muss der Logos – Logik, Debatte, Wahrheit – unterdrückt werden. Der grösste Feind der Lüge ist die Wahrheit. Aber der Feind der Wahrheit ist nicht die Lüge; Lügen haben keine Macht über die Wahrheit. Der Feind der Wahrheit ist das Schweigen.
Höre nie auf jene, die glauben, dass wir vor anderen Menschen beschützt werden müssen, indem deren Stimmen annulliert werden. Wer die Wahrheit sucht, wird die Debatte nicht scheuen. Debattieren ist nicht eine Ablehnung der Wahrheit; es ist ein Suchen nach Wahrheit. Wenn wir Lügen aufhalten wollen, dann geschieht das nicht durch das Verbieten von Rede. Im Gegenteil, das Gegenmittel besteht darin, mehr Rede zu erlauben. Redefreiheit bringt die Wahrheit ans Licht, und die Wahrheit vertreibt die Lüge.

Die Freikirchen im Dritten Reich

1. November 2022

Die Geschichte des seinerzeitigen Kirchenkampfs unter den Lutheranern ist einigermassen bekannt; ebenso die widersprüchlichen Stellungnahmen und Verflechtungen des Vatikans. Weniger bekannt ist die Geschichte der Freikirchen, die sich damals als noch leichtgläubiger und verführbarer herausstellten als die grossen Landeskirchen.

Zwar haben damals nicht nur die Kirchenleiter, sondern die grosse Mehrheit der Deutschen die Bosheit des Nationalsozialismus nicht erkannt, und hielten an der Illusion fest, in einem freiheitlichen Rechtsstaat zu leben. Doch hätten gerade die Freikirchen, deren Mitglieder behaupten, Gottes Heiligen Geist zu haben, ein besseres geistliches Unterscheidungsvermögen an den Tag legen sollen. Stattdessen waren anscheinend gerade sie besonders bestrebt, ihre Mitglieder in die Gefolgschaft des (Ver-)Führers zu bringen.

Auf dieser Webseite kann man eine Sammlung von Originalzitaten damaliger Freikirchenleiter finden, sowie von späteren Historikern, die diese Geschichte aufarbeiteten. Ich gebe im Folgenden einen Auszug daraus wieder:

„Oft wurde ich gefragt: Wie ist denn eure, der Freikirchen, Stellung zum nationalsozialistischen Staat? Darauf kann ich nur antworten, dass die in der Vereinigung evangelischer Freikirchen verbundenen Kirchen dankbar sind für die volle Freiheit der Verkündigung des Evangeliums von Christo und für den Dienst in Evangelisation, Seelsorge, sozialer Fürsorge und Gemeindeaufbau.
Sie haben die nationale Erhebung des deutschen Volkes als eine Tat göttlicher Vorsehung betrachtet, ihre Gemeinden in den kritischen Tagen des Umbruchs auf die grundlegenden Worte des Apostels Paulus über die Stellung der Christen zum Staat in Römer 13 hingewiesen und sie ersucht, in treuer Fürbitte für die Obrigkeit anzuhalten.“
Bischof Dr. Otto Melle (1936-1946 Bischof der Methodistenkirche, Vorsitzender des Blankenburger Komitees der Ev. Allianz, Rede als Vertreter der Vereinigung evangelischer Freikirchen vor dem Plenum der ökumenischen Weltkirchenkonferenz in Oxford, 22.Juli 1937)

„Zur rechten Zeit hat Gott uns in Adolf Hitler den Führer gegeben, der unser Volk aus seiner tiefen Erniedrigung herausgeführt hat … Ich danke Gott, dass ich diesen Aufstieg Deutschlands aus tiefster Schmach noch habe erleben dürfen.“
Pfarrer Ernst Modersohn (1939, Leitung des Thüringischen Gemeinschaftsbundes u. Allianzhauses der deutschen Evangelischen Allianz in Bad Blankenburg, Vorstandsmitglied des Gnadauer Gemeinschaftsverbandes, des Jugendbundes für entschiedenes Christentum und des Gemeinschafts-Diakonieverbandes, Mitbegründer des Pfarrergebetbundes. Er führet mich auf rechter Strasse, Harfe-Verlag Bad Blankenburg, 3. Auflage 1940, S. 387-388)

„Die Neugestaltung des gesamten Staats- und Volkslebens im Dritten Reich überwindet die bisherige Form der Jugendarbeit. Wir erkennen die einheitliche staatspolitische Erziehung der deutschen Jugend durch den nationalsozialistischen Staat und die Hitlerjugend als Trägerin der Staatsidee an […]
Im Hinblick darauf lösen wir mit dem 10. Februar den Jugendbund der deutschen Baptistengemeinden mit all seinen Gliederungen auf. Wir stellen es unseren jugendlichen Mitgliedern anheim, sich in das Jungvolk, in die Hitlerjugend und den Bund deutscher Mädel einzugliedern.“
Paul Schmidt 1934 (1958 bis 1967 Vorsitzender der Deutschen Evangelischen Allianz, 1935 – 1959 Bundesdirektor Bund Ev-Freikirchlicher Gemeinden in Deutschland BEFG, Leiter des Baptistischen Jugendbund BJB. Zeitschrift Der Wahrheitszeuge 56, S. 59, Herausgeber: Bund der Baptistengemeinden, Kassel 1928–1939)

„Der nationalsozialistische Staat als Diener Gottes vertritt die Ordnungen der Gerechtigkeit, der Sittlichkeit und der Gemeinschaft. So sind wir berufen, uns hierbei mit allen Kräften einzusetzen.“
»Botschaft des Bundesältesten an die Gemeinden« (22. April 1934, Zeitschrift Der Wahrheitszeuge 56, S. 123, Herausgeber: Bund der Baptistengemeinden, Kassel 1928–1939)

„Ein düsteres Kapitel stellt das Verhalten der Baptisten gegenüber der Judenverfolgung dar. So bezog der Baptistenbund beispielsweise keine Stellung zum Novemberpogrom 1938. Über organisierte Hilfsmassnahmen des Bundes für verfolgte Juden ist nichts bekannt.
Christen jüdischer Herkunft erfuhren in einzelnen Fällen Unterstützung, vielfach wurden sie aber in den Gemeinden ausgegrenzt, so beispielsweise Joseph Haimos in der Baptistengemeinde in München; er kam 1943 in Auschwitz um. Erst 1997 wurde diese Schuld in einer Handreichung des BEFG explizit benannt.“
Dr. Andreas Liese 2009 (Die Geschichte der Baptisten in Deutschland, 1933 – 1945: Die Baptisten im Dritten Reich, 175 Jahre Baptisten in Deutschland, http://www.baptisten-nuertingen.de)

„Auf meinen vielen Reisen kreuz und quer durch Deutschland stosse ich in allen ernstchristlichen Kreisen beständig auf folgenden Tatbestand: Man steht mit ganzer, freudiger Hingabe zu und hinter Adolf Hitler und bekennt sich zum nationalsozialistischen Staat.“ (S.5)
„Den Christen möchte ich das Grundsätzliche im Nationalsozialismus deutlich machen, um sie aus ihrer Reserve zu herauszulocken und sie in die freudige Mitarbeit am Dritten Reich zu führen. […] Ohne die stille, freudige Mitarbeit der „Stillen im Lande“ wäre das hoffnungsvolle Werk  Adolf Hitlers in Frage gestellt.“ (S.6)
„Mit dem Durchbruch der nationalsozialistischen Revolution sind Staat und Volk grundsätzlich auf die „unerschütterlichen Fundamente des Christentums“ gestellt worden. Denn der nationalsozialistische Staat steht grundsätzlich auf dem Boden des positiven Christentums“ (S.39)
Friedrich Heitmüller, Februar 1934 (Prediger und Evangelist, 1933 Mitglied der NSDAP und der „Deutschen Christen“, stellvertretender Vorsitzender des Gnadauer Verbandes, Mitglied im Hauptvorstand der Deutschen Evangelischen Allianz, ab 1954 Präsident des internationalen Bundes freier evangelischer Gemeinden. Friedrich Heitmüller: Sieben Reden eines Christen und Nationalsozialisten, Hamburg 1934)

„Wir haben es am Anfang des Jahres 1927 für nötig gehalten und gewagt, unser Krankenhaus [Kranken- und Diakonissenhaus Elim, Hamburg] für jüdische Ärzte zu sperren. [… ] Wir kämpften um des Christen- und Deutschtums willen gegen die zersetzenden Einflüsse des gottlosen Reformjudentums nicht nur mit billigen Worten, sondern auch mit folgenschweren Massnahmen.“
Friedrich Heitmüller, Die Christliche Gemeinschaft Hamburg, Hamburg 1934

Heitmüller hat in späteren Jahren anscheinend einen Gesinnungswandel vollzogen und seine Mitschuld anerkannt:

„Im Blick auf meinen Weg spreche ich mich nicht frei von Schuld. Das Gegenteil ist der Fall […] Ich bekenne mich persönlich, meine Gemeinde, unsere Freikirchen und darüber hinaus unser ganzes Volk schuldig. [… ]
Wir Freikirchen sind, von Ausnahmen abgesehen, unseren Weg der Bejahung und der Unterstützung des Nationalsozialismus auch dann noch gegangen, als es bereits in voller Deutlichkeit am Tage lag, dass er eine von satanisch-dämonischen Geistes- und Geistermächten getragene und erfüllte Bewegung war. […]
Auch unser Bund der Freien evangelischen Gemeinden ging einen falschen Weg. [… ] Es ist allerhöchste Zeit, dass wir ein neues evangelisches Verständnis von Rom 13 und den anderen diesbezüglichen Schriftstellen gewinnen. […] Unsere Fehlrechnung von 1933 bis 1945 enthält eine erschreckende Zahl von Schuldposten [… ]
Wohl antworten viele oder die meisten, sie hätten von allem nichts gewusst. […] Aber seien wir ehrlich! Dass es KZ gab, wusste jeder. […] Dass Schwachsinnige systematisch ermordet wurden, konnte uns gleichfalls nicht entgehen, und dass Gotteshäuser brannten und Geschäfte geplündert wurden, haben wir doch mit eigenen Augen gesehen. Wir wussten auch, dass Menschen um ihres Glaubens willen verfolgt und eingesperrt wurden. [… ] “
Friedrich Heitmüller (zitiert in: Heinz-Adolf Ritter, »Zur Geschichte der Freien evangelischen Gemeinden zwischen 1945 und 1995 – Teil I«, in: Christsein heute forum (1996) Nr. 94/95.)

Es ist erhellend und zugleich schockierend, die obigen Zitate mit gewissen freikirchlichen Stellungnahmen zur Gegenwart zu vergleichen. Auch heute wieder wird Römer 13 dazu missbraucht, die Unterwerfung unter eine menschenverachtende Diktatur zu rechtfertigen. Auch heute wieder polemisieren und diskriminieren kirchliche Leiter gegen gewisse Menschengruppen, die vom Staat als Untermenschen klassifiziert wurden (z.B. jene, die nicht an einem bestimmten risikoreichen medizinischen Experiment teilnehmen wollen). Auch heute wieder klatschen kirchliche Leiter Beifall, wenn ihre regierungskritischen Glaubensgeschwister wegen sogenannter „Hassrede“ und ähnlichen Scheinvorwürfen verhaftet und vor Gericht gestellt werden. Auch heute wieder haben Kirchen aufgrund staatlicher „Empfehlungen“ manche ihrer Aktivitäten eingestellt, und haben ihre Predigtinhalte der Staatspropaganda angepasst.

Der amerikanische Bonhoeffer-Biograph Erich Metaxas hat gesagt:
„Das Schweigen der Kirche in Deutschland, das in die satanische Bosheit der Nazis und des Holocaust ausmündete, ist genau dasselbe wie das Schweigen der Kirche in Amerika [und in Europa] heute.“

Aber sogar mit diesem historischen Spiegel vor Augen leugnen viele kirchliche Leiter weiterhin jede Parallele zur damaligen Zeit, und wähnen sich moralisch hoch erhaben über die Urheber der oben zitierten Stellungnahmen – wohlgemerkt alles bekannte und geachtete Vorsteher von Gemeindeverbänden und/oder übergemeindlichen.Zusammenschlüssen. Und dass auch heute wieder in den ehemals christlichen Ländern ernsthafte Christen, die sich für die biblische Wahrheit und für Religionsfreiheit einsetzen – sowie viele Nichtchristen, die die Regierung offen kritisieren -, verhaftet, von der Polizei im eigenen Heim überfallen, gebüsst, und ins Gefängnis gesteckt werden, das wollen diese Leiter gar nicht wahrhaben. Solche Verblendung ist in sich selbst schon ein Gericht Gottes. „Wärt ihr blind, so hättet ihr keine Sünde. Da ihr nun aber sagt: ‚Wir sind sehend‘, bleibt eure Sünde.“ (Joh.9,41)

Die zweite Grenzüberschreitung der kirchlichen Leiter

23. Oktober 2022

Im vorangehenden Artikel habe ich darüber gesprochen, wie eine von Gott gesetzte Grenze überschritten wird, wenn kirchliche Leiter und Lehrer Staatspropaganda als Theologie predigen. Viele Kirchenleiter haben sich in den letzten Jahren noch einer weiteren Grenzüberschreitung schuldig gemacht: Sie haben sich zu Vollzugsbeamten des atheistischen Staates machen lassen.

Wenn der Staat unbedingt das gemeinschaftliche christliche Glaubensleben behindern oder ganz beseitigen will, dann soll er das gefälligst selber durchsetzen. Geistliche Leiter haben keine Erlaubnis von Gott, geschweige denn ein Mandat, sich dabei zu Handlangern zu machen. Sie sind in keinerlei Weise dazu berufen, bestimmte Menschen von ihren Versammlungen auszuschliessen aus anderen Gründen als jenen, die in der Bibel genannt werden. Erst recht sind sie nicht dazu berufen, Versammlungen zu verbieten. Im Gegenteil, wenn sie ihrem Titel als „Hirten“ („Pastoren“) gerecht werden wollen, dann haben sie sich in solchen Fällen schützend vor ihre Schäfchen zu stellen.

Die Barmer Erklärung hat auch hierzu etwas zu sagen:

„Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne der Staat über seinen besonderen Auftrag hinaus die einzige und totale Ordnung menschlichen Lebens werden und also auch die Bestimmung der Kirche erfüllen. Wir verwerfen die falsche Lehre, als solle und könne sich die Kirche über ihren besonderen Auftrag hinaus staatliche Art, staatliche Aufgaben und staatliche Würde aneignen und damit selbst zu einem Organ des Staates werden.“
(These 5.)

Viele westliche Gemeindeleiter dürften angesichts der Situation schlicht Angst gehabt haben und immer noch haben: „Wenn ich nicht nachgebe, dann wird man mir die Kirche mit Gewalt schliessen.“ – Wenn der Staat das wirklich tun will, dann soll er es ruhig tun. Er zeigt damit sein wahres Gesicht, und das könnte vielleicht einige staatshörige Kirchenglieder noch aus ihrer Verblendung aufwecken. Andererseits kann der Staat zwar mit Menschenhänden erbaute Tempel schliessen; aber Gottes geistlichen Tempel kann er nicht schliessen. Dieser geistliche Tempel, die Gemeinschaft der Gläubigen, kann auch bei geschlossenen Kirchengebäuden weiter funktionieren. Und ich meine damit nicht die virtuellen „Gottesdienste“, sondern die wahre Gemeinschaft, von der das Neue Testament spricht. Wenn du wissen willst, wie das geht, dann frage die Chinesen; sie haben jahrzehntelange Erfahrungen damit. Oder lies, wie es die ersten Christen machten.

Zur Beurteilung der stattgefundenen Grenzüberschreitungen sollte nicht nur berücksichtigt werden, was gegenwärtig getan wird und dass gegenwärtig die äusserlichen Folgen davon noch „wenig einschneidend“ seien. Vielmehr ist zu berücksichtigen, was diese Handlungen für den Kern des christlichen Glaubens bedeuten, und in welche Richtung die weitere Entwicklung geht. Hat man einmal einen Punkt der Staatspropaganda als theologisch gültiges Postulat übernommen, ohne jede Überprüfung anhand der Fakten und anhand der Schrift, dann hat man damit grundsätzlich anerkannt, dass die Theologie der christlichen Kirche dem Diktat des Staates zu folgen habe. Und hat man einmal das Zusammenkommen der christlichen Gemeinschaft einer Beschränkung oder Veränderung unterstellt, die nicht aus der Schrift zu begründen ist, nur aufgrund einer staatlichen Verordnung, dann hat man damit dem Staat grundsätzlich das Recht zugestanden, über innerkirchliche Angelegenheiten zu regieren und religiöse Leiter zu seinen Funktionären zu machen.

Wohin eine solche Entwicklung folgerichtig führt, darüber braucht man nicht lange zu spekulieren. Man kann es direkt ablesen z.B. an der Geschichte jener Kirchen, welche seinerzeit nicht der Barmer Erklärung folgten; oder an der heutigen Situation der chinesischen Staatskirche („Drei-Selbst-Kirche“). Auch der Westen steuert gegenwärtig (wieder) auf diese Situation zu.

Gebietet christliche Nächstenliebe, sich diktatorischer Willkür zu unterwerfen?

20. Oktober 2022

Viele evangelikale Leiter haben sich in der letzten Zeit zu Werbeagenten der Staatspropaganda machen lassen. Sie predigen „Unterordnung unter die Obrigkeit“ mit noch grösserer Vehemenz, als sie zuvor die „Unterordnung unter den Pastor“ gepredigt haben, und rechtfertigen damit sogar die Schliessung ihrer eigenen Kirchen. Dabei verschweigen sie geflissentlich, dass Römer 13 mit Offb.13 ins Gleichgewicht gebracht werden muss, und dass Petrus sagte: „Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen.“

Als religiöse Leiter wissen sie natürlich, dass die Schäfchen am ehesten gehorchen, wenn man ihnen Schuldgefühle einjagt. Nicht nur seien sie „rebellisch“, wenn sie die Diktatur kritisierten – das Wort „Rebellion“ hat in gewissen evangelikalen Kreisen eine lange Tradition, siehe hier und die folgenden Artikel -, nein, sie würden sogar einen Mangel an christlicher Nächstenliebe beweisen, wenn sie nicht alle die irrationalen Anweisungen des Willkürstaates genaustens befolgten. Sie würden sonst „die Gesundheit ihrer Mitmenschen gefährden“.

Wäre dieser letzte Punkt wahr, dann könnte man der Argumentation eine gewisse Berechtigung zubilligen. Aber der springende Punkt ist ja: Es handelt sich hier um einen Werbespruch der Staatspropaganda, dessen Wahrheit nie belegt wurde. Im Gegenteil wurde er sogar schon mehrhundertfach durch Statistiken widerlegt (siehe auch hier). Trotz mehrfacher Aufrufe hat mir bisher kein Diktaturbefürworter irgendeinen statistischen Beleg vorgelegt, dass „Massnahmen“ wie Hausarrest, Gesichtsbedeckungen, Abstand halten, oder experimentelle Injektionen, irgendwann, irgendwo, das „Krankheitsgeschehen“ positiv beeinflusst hätten. Auch in den Massenmedien (die ich allerdings nicht lückenlos verfolge) fand ich nie einen solchen Beleg. Höchstens Spekulationen darüber, was in diesem oder jenem Fall geschehen wäre; aber keine beweiskräftigen Daten über etwas, was in der wirklichen Welt tatsächlich geschehen ist.

Trotzdem wird immer noch verkündet, an den Pressekonferenzen und von den Kanzeln: „Wir müssen die Massnahmen einhalten, um die Seuche einzudämmen.“ Ganz bedenklich wird es dann, wenn Prediger und Theologen diese Propagandalüge zur Grundlage ihrer theologischen Argumentation machen, und dann eben z.B. behaupten, es handle sich um ein Gebot der „christlichen Nächstenliebe“. Damit erheben sie die Staatspropaganda auf dieselbe Ebene von Autorität wie das Wort Gottes: es handle sich um eine nicht hinterfragbare Wahrheit. Das ist eine unzulässige Grenzüberschreitung. Die Staatspropaganda wird damit als eine Offenbarungsquelle dargestellt. These 1 der Barmer Erklärung sagt dazu: „Wir verwerfen die falsche Lehre, als könne und müsse die Kirche als Quelle ihrer Verkündigung ausser und neben diesem einen Worte Gottes auch noch andere Ereignisse und Mächte, Gestalten und Wahrheiten als Gottes Offenbarung anerkennen.“

So weit sind wir also auch heute wieder. Staatspropaganda als Theologie zu predigen, ist nicht einfach ein Ausrutscher. Es ist genau dieselbe Art vor Grenzüberschreitung, wie sie von der Barmer Erklärung damals mit deutlichen Worten angeprangert werden musste. Leider haben die Kirchen grossmehrheitlich nicht darauf gehört – genau wie heute. Aus der Geschichte wissen wir, was daraus wurde.

Aufgrund der Propagandalügen sind auch heute wieder Millionen von Menschen ihrer Rechte und Freiheiten beraubt worden;
sind Zehntausende (wenn nicht ein Vielfaches davon) an den Folgen eines medizinischen Experiments gestorben, und Hunderttausende körperlich behindert geblieben;
sind weitere Zehntausende (wenn nicht noch mehr) unnötigerweise am Virus gestorben, weil man ihnen potenziell lebensrettende Frühbehandlungen vorenthalten hat;
sind mindestens hundert Millionen Menschen arbeitslos geworden und in Armut gestürzt worden, von denen ein grosser Teil voraussichtlich den Hungertod sterben wird;
haben sich die Zahlen von Selbstmorden, Drogentoten, Fehlgeburten, usw, vervielfacht;
und nicht zuletzt, ist die christliche Gemeinschaft und die Religionsfreiheit zerstört worden.
All das ohne jeden empirischen Beleg, dass dadurch in irgendeiner Weise die Ausbreitung des Virus verringert worden wäre.

Zu all dem schweigen die Kirchen, weil sie von der Staatspropaganda vereinnahmt worden sind. Ist es etwa Nächstenliebe, alle diese Gräuel einfach zu ignorieren, zu entschuldigen, und wegzuschauen? Die Kirchen sind heute tatsächlich mit derselben Art von Blindheit geschlagen wie damals, als ihnen die Barmer Erklärung entgegengehalten werden musste.

Christliche Nächstenliebe gebietet vielmehr, persönliche Gemeinschaft miteinander zu pflegen (Apg.2,42-46; Hebr.10,25), Einsame, Bedürftige und Kranke zu besuchen, zu trösten und für sie zu beten (Matth.25,36; Jak.1,27; 5,14-15), und man kann sogar argumentieren, sie gebiete, Gefangene zu befreien (Spr.24,11-12; Luk.4,18). All das ist biblisch begründet. Also lauter Dinge, die uns heute vom Willkürstaat verboten werden. Nach dem Willen der Staatspropaganda-Prediger sollten wir aufhören, diese Taten der Nächstenliebe zu tun. „Man sagt uns heute, wir sollten Gott dienen, indem wir aufhören, ihm zu dienen“, wie ein amerikanischer Rabbiner treffend bemerkte. Unter dem Vorwand von „Nächstenliebe“ wird auch in den christlichen Kreisen gerade das von Jesus vorausgesagte Erkalten der Liebe (Matth.24,12) vorangetrieben.

Peter Hahne: Kaum ehrendoktoriert, schon wieder abserviert

16. Oktober 2022

Vorbei sind die Zeiten, wo man frisch von der Leber weg sagen durfte, was man denkt. Das krampfhafte Bemühen um politische Korrektheit, aber ohne eine Totalaufgabe eigener Überzeugungen, treibt manchmal seltsame Blüten, auch oder gerade unter Evangelikalen.

Die STH („Staatsunabhängige“ Theologische Hochschule) Basel hat am 1.Oktober den bekannten ehemaligen Fernsehmoderator Peter Hahne zum Ehrendoktor ernannt. Der frischgebackene Doktor hat zu dem Anlass eine vielbeachtete Dankesrede gehalten, die in verschiedenen unabhängigen Medien gewürdigt wurde.

Merkwürdigerweise will aber die STH selber Hahnes Rede nicht auf ihrer Homepage veröffentlichen. Auf meine Nachfrage nach den Gründen wurde nur ausweichend geantwortet: Die Rede „widerspreche unserem Leitbild“ und „verletze biblische Prinzipien“. Eine Begründung, welche Aussagen welche Prinzipien verletzt haben sollen, wurde nicht gegeben.
Das klingt gerade so wie die berüchtigten Mitteilungen der Betreiber (a-)sozialer Netzwerke nach erfolgter Zensur: „Ihr Beitrag hat unsere Gemeinschaftsrichtlinien verletzt.“ (Übrigens: Youtube darf das in Deutschland nach einem diesjährigen Gerichtsurteil nicht mehr tun. Nutzer müssen jetzt im einzelnen darüber informiert werden, welche Äusserungen welche Richtlinien verletzt haben sollen und warum. Vielleicht sollte man auch andere Institutionen solchen Bestimmungen unterstellen …)

Zusätzlich wurde mir noch mitgeteilt, der Ehrendoktor hätte eigentlich „zu den Absolventen sprechen sollen“, stattdessen habe er die deutsche Politik „sehr undifferenziert und polemisch“ kritisiert. (Der Vorwurf der „Undifferenziertheit“ ist typisch für Menschen, die keinen Klartext sprechen oder hören wollen.)
Diese Begründung mutet sehr seltsam an: Das Vortragsthema war schon Monate zum voraus angekündigt worden und lautete: „Holt Gott zurück in die Politik!“ Worüber also hätte Herr Hahne sprechen sollen, wenn nicht über Politik? Dass er dies in seinem ganz persönlichen Stil getan hat, passt vielleicht nicht ganz in den Rahmen einer akademischen Veranstaltung; man kann es ihm aber nicht verübeln. Oder will die STH etwa behaupten, sie hätte Peter Hahne zum Ehrendoktor gemacht, ohne seinen Stil und seine Meinungen zu kennen?
Aber solche Widersprüche pflegen zutage zu treten, wenn man seine Beweggründe nicht transparent offenlegen will. Auf meine konkrete Frage, ob diese Zensur und Distanzierung mit Meinungsverschiedenheiten zur „Gesundheitspolitik“ zusammenhänge, erhielt ich keine Antwort.

Ich habe ja früher schon bei anderen Institutionen meine eigenen Erfahrungen mit der evangelikalen Zensur gemacht. Auch da war man nicht bereit, offen zu sagen: „Wir stehen auf der Seite der Bibelkritik und wollen nicht, dass du kritisch über die Bibelkritik schreibst.“ Oder: „Wir wollen nicht, dass unsere Gemeindeglieder erfahren, dass unsere Theologen bibelkritisch lehren.“ Stattdessen sagte man zum Beispiel: „Wir haben von dir einen Missionsbericht erwartet, nicht eine theologische Abhandlung.“ Oder: „Deine Berichte beeinträchtigen das Image unserer Institution.“ Vor diesem Hintergrund ist die Reaktion der STH ein Déjà-vu.

Über die Hintergründe der langjährigen Entwicklung, die zu diesem Abdriften der STH in die „politische Korrektheit“ geführt haben, kann ich nur mutmassen. Der Drang nach staatlicher Anerkennung mag dabei eine grosse Rolle gespielt haben und immer noch spielen. Schon bei der Gründung 1970 (damalas als FETA) war das Hauptziel, bibeltreue Pfarrer für die reformierten Landeskirchen auszubilden. Doch dazu musste das Studium dieser Pfarrer ebern staatlich anerkannt sein. So löblich diese Absicht auch sein mag: die Kirchengeschichte zeigt, dass sich eine abgefallene Kirche nicht mehr von innen heraus reformieren lässt. Und dass eine Kirche, die sich mit dem Staat verbündet, aufhört, Licht und Salz in der Welt zu sein.

Man sollte dazu wissen, dass es in der offiziellen Universitätstheologie als Gipfel der Unwissenschaftlichkeit gilt, davon auszugehen, die Bibel könnte übernatürlich/göttlich inspiriert sein, oder es gebe tatsächliche Prophetie, die sich in historischen Ereignissen erfülle, oder gar, ein Toter könne leiblich auferstanden sein. Will eine Institution, die von diesen Prämissen ausgeht, dennoch als wissenschaftlich anerkannt werden, so wird sie unweigerlich gewisse Zugeständnisse an den Staat machen müssen. Früher bestand dieses Zugeständnis darin, dass Absolventen, wenn sie in den landeskirchlichen Dienst treten wollten, noch ein zusätzliches „Anerkennungsjahr“ an einer staatlichen theologischen Fakultät absolvieren mussten. Das war natürlich der Leitung der FETA ständig ein Dorn im Auge – während die blosse Existenz der FETA ein Dorn im Auge der staatlichen Fakultäten war.

Seither sind die Regierungen der Welt antichristlicher geworden, aber gleichzeitig ihre Taktiken raffinierter. Statt missliebige Institutionen direkt zu konfrontieren, versuchen sie jetzt, diese in ihren Dienst zu nehmen. Dazu bedienen sie sich der „wirksamen Kraft der Verführung“ (2.Thess.2,11).
Besonders universitäre Einrichtungen werden aufmerksam beobachtet, damit sie keine politisch unerwünschten Meinungsäusserungen zulassen. Natürlich in erster Linie die staatlichen – aber auch die privaten, sofern sie staatlich anerkannt sein möchten. Ist es darauf zurückzuführen, dass sich die Vertreter der STH neuerdings scheuen, kritische Stellungnahmen zu aktuellen Zeitfragen abzugeben? Oder dass die STH seit einigen Jahren gemeinsame Veranstaltungen mit bibelkritischen Universitätstheologen durchführt, wo die Vertreter beider Richtungen in friedlichem(?) Nebeneinander ihre jeweiligen Thesen vortragen? Was wird da hinter den Kulissen für Druck ausgeübt? Und wie weit kann die STH diesem Druck standhalten? Für sie steht viel auf dem Spiel, wenn sie sich nicht dem staatlich vorgegebenen politischen Narrativ beugt.
Wie gesagt, über diese Hintergründe kann ich lediglich mutmassen. Es scheint mir aber bezeichnend, dass die Nachricht von der Feier für Peter Hahne seitens der STH unter „Ferner liefen“ in einem Newsletter berichtet wurde, dessen Haupttitel lautete: „Die STH Basel ist akkreditiert“. Damit dürften die Prioritäten klargestellt sein.

In den letzten Jahren haben die einflussreichen Kreise auch das Potenzial entdeckt, die spezifische Gruppe der Evangelikalen als Werbeträger zu gebrauchen. Immer mehr evangelikale Leiter sehen anscheinend einen Vorteil darin, die Bibel zugunsten politisch korrekter Ansichten umzubiegen z.B. im Bereich der Sexualethik, der „Gesundheitspolitik“, oder des zunehmenden Staatstotalitarismus. In den USA hat der Staatsfunktionär und Pseudo-Evangelikale Francis Collins einen regelrechten Werbefeldzug unternommen, um möglichst alle einflussreichen evangelikalen Leiter zu Propagandisten des staatlichen Seuchen-Narrativs zu machen. („Daily Wire“, 2.Februar 2022.) Anscheinend erfolgreich. Die wenigen Standhaften wie z.B. John MacArthur, die weiterhin ein biblisches Verständnis des Verhältnisses zwischen Kirche und Staat verteidigen (entlang den Linien der Barmer Erklärung), wurden von ihren Kollegen scharf verurteilt und gelten jetzt offenbar als randständig. Ähnliches geschieht im deutschen Sprachraum, und natürlich hat sich auch die STH da einspannen lassen.
Und dann kommt also der Peter Hahne daher und sagt ganz offen heraus, was er denkt. Logisch, dass eine Institution, die sich in Wirklichkeit staatsabhängig gemacht hat, das nicht so stehenlassen kann.

Man fragt sich daher, warum die STH ihn überhaupt zum Ehrendoktor gemacht hat. Auch da kann ich nur mutmassen. In seiner Rede erinnert er daran, der Gründungsrektor Samuel Külling (der ihn oft als Gastdozent eingeladen hatte) habe ihm das schon vor Jahrzehnten versprochen. Da immer noch ein wichtiger Teil des Unterstützerkreises aus der Zeit des früheren Rektors stammt, mag man sich verpflichtet gefühlt haben, dieses Vermächtnis zu erfüllen. Ob das die tatsächliche Erklärung ist, weiss ich nicht – und auch darüber wird sich ja die STH wohl ausschweigen.

Jedenfalls ist die Leitung der STH nicht zu beneiden. Sie hat sich zwischen alle Stühle gesetzt, indem sie einen Ehrendoktor gekürt hat, zu dessen Aussagen sie nicht stehen will. Durch ihre Assoziation mit einem wohlbekannten Regierungskritiker wird sie nun vom „Mainstream“ wohl in die Ecke der „rechtsextremen Verschwörungstheoretiker“ gestellt werden. Andererseits hat sie mit ihrer Zensur seiner Rede signalisiert, dass an ihren eigenen Veranstaltungen keine Regierungskritik geübt werden darf. Damit dürfte sie auch in den regierungskritischen Kreisen einen Vertrauensverlust erleiden. Bei mir jedenfalls. Ich hatte bisher die STH als eine der wenigen noch einigermassen integren Organisationen in der evangelikalen Welt angesehen. Jetzt nicht mehr.

Aber so kommt es, wenn man auf beiden Seiten hinken will. Die STH wird sich entscheiden müssen: „Ist Jahwe Gott, so folgt ihm nach! Ist es aber Baal [d.h. der Staatsgötze], so folgt ihm nach!“ (1.Könige 18,21)

Sie dachten, sie wären frei

19. August 2022

Von Joshua Styles, 28.Juli 2022

Der nachfolgende Artikel beruht auf dem Buch von Milton Mayer, „They Thought They Were Free“ (1955). Es handelt sich um eine der wichtigsten Analysen der deutschen Vergangenheit, die aber meines Wissens nie auf Deutsch übersetzt wurde. Mayer hat nach dem Krieg zehn deutsche Nazi-Mitläufer eingehend über ihre Erlebnisse und Beweggründe befragt. Seine wichtigste Schlussfolgerung drückt er bereits im Titel aus: „Sie dachten, sie wären frei“. Seine Interviewpartner hatten tatsächlich und aufrichtig während der ganzen Zeit gedacht, sie lebten in einem demokratischen Rechtsstaat. Diese Einsicht hat gravierende Konsequenzen, wenn man sie auf heute anwendet.
Nun fand ich kürzlich diesen Artikel, welcher die wichtigsten Aussagen des Buches zusammenfasst und zur Gegenwart in Beziehung setzt. Ich habe ihn deshalb in seiner vollen Länge übersetzt.

Der Originalartikel ist hier zu finden. Die Veröffentlichungen des Brownstone-Instituts sind zur Weiterverbreitung lizensiert unter der internationalen „Creative Commons Attribution 4.0“-Lizenz.

In der Übersetzung habe ich es unterlassen, das I-Wort auszuschreiben. Vervollständigen Sie das bitte gedanklich.

Und noch eine Vorbemerkung: Regierungstreue Leser werden sich womöglich stossen an den gelegentlichen Aufrufen des Autors zum „Widerstand“. Sie werden dabei wahrscheinlich in die Versuchung kommen, mit den in einem früheren Artikel erwähnten Vorwürfen um sich zu schleudern. Falls das Sie betreffen sollte, dann bitte ich Sie höflich, zuerst diesen Artikel zu lesen, und mir eine fundierte und dokumentierte Antwort auf die Fragestellung jenes Artikels zu senden. Nachdem Sie das getan haben, dürfen Sie gerne wieder hierher zurückkommen und mich – oder den Original-Autor – kritisieren.
Andererseits vermute ich, dass Regierungstreue mit dem vorliegenden Artikel sowieso nichts anfangen können. Und zwar deshalb, weil sie sich exakt in derselben Situation befinden wie Mayers Interviewpartner, die auch Jahre nach Kriegsende immer noch nicht verstehen konnten, dass Nazideutschland kein Rechtsstaat gewesen war.


„Ich kehrte nach Hause zurück mit ein wenig Furcht um mein eigenes Land; Furcht, was es wollen und bekommen und mögen könnte unter dem Druck einer Kombination von Realität und Illusion. Ich fühlte, und fühle immer noch, dass es nicht „der Deutsche“ war, den ich kennengelernt hatte, sondern den Menschen an sich. Er befand sich zufällig in Deutschland, unter bestimmten Bedingungen. Unter anderen Bedingungen hätte er ich selber sein können.“ (Milton Mayer, „They Thought They Were Free“)

Es ist über 75 Jahre her, seit die Nazis besiegt und Auschwitz befreit wurde. 75 Jahre sind eine lange Zeit – so lange, das während viele erst gerade vom Horror des Holocausts erfahren, nur wenige verstehen, wie der Mord an den Juden geschah. Wie wurden die Leben von Millionen von Menschen systematisch ausgelöscht, in einer fortschrittlichen westlichen Nation – einer konstitutionellen Republik? Wie konnten so respektable und intelligente Bürger zu Komplizen am Mord ihrer Mitbürger werden? Das sind die Fragen, die Milton Mayer zu beantworten suchte in seinem Buch.

Im Jahr 1952 zog Mayer mit seiner Familie in ein deutsches Dorf, um unter gewöhnlichen Menschen zu leben, in der Hoffnung zu verstehen, wie die Nazis an die Macht kamen, und wie „gewöhnliche Deutsche“ zu unwissenden Teilnehmern eines der grössten Völkermorde der Geschichte werden konnten. Die Menschen, unter denen Mayer lebte, hatten unterschiedliche Beschäftigungen: ein Schneider, ein Tischler, ein Schuldeneintreiber, ein Geschäftsmann, ein Student, ein Lehrer, ein Bankangestellter, ein Bäcker, ein Soldat, und ein Polizist.

Es ist bedeutsam, dass Mayer nicht einfach formelle Interviews mit diesen Menschen führte. Vielmehr ass er mit ihnen zusammen, schloss Freundschaft mit ihren Familien, und lebte als einer der Ihren während beinahe eines Jahres. Seine eigenen Kinder gingen zur selben Schule wie ihre Kinder. Und am Ende seiner Zeit in Deutschland konnte Mayer sie echte Freunde nennen. „They Thought They Were Free“ ist Mayers Bericht über ihre Geschichten, und der Titel des Buches ist seine These. Mayer erklärt:

Nur ein einziger meiner zehn Nazi-Freunde sah den Nationalsozialismus in irgendeiner Weise so, wie Sie und ich ihn sahen. Das war Hildebrandt, der Lehrer. Und sogar er glaubte, und glaubt immer noch, an einen Teil seines Programms und seiner Praxis, an „den demokratischen Teil“. Die anderen neun, alles anständige, arbeitsame, gewöhnliche, intelligente und aufrichtige Menschen, wussten vor 1933 nicht, dass der Nationalsozialismus böse war. Sie wussten zwischen 1933 und 1945 nicht, dass er böse war. Und sie wissen es auch jetzt noch nicht. Keiner von ihnen hat je den Nationalsozialismus so kennengelernt, wie wir ihn kennen; und sie lebten unter ihm, dienten ihm, und, ja, sie schufen ihn. (47)

Bevor ich dieses Buch las, hatte ich jene Ereignisse in Deutschland immer mit einer gewissen Arroganz betrachtet. Wie konnten sie nicht wissen, dass der Nationalsozialismus böse war? Und wie konnten sie sehen, was geschah, ohne ihre Stimme zu erheben? Lauter Feiglinge. – Aber nachdem ich Mayers Buch gelesen hatte, fühlte ich einen Knoten in meinem Magen, eine wachsende Furcht, dass das, was in Deutschland geschehen war, nicht bloss das Ergebnis eines Defekts der damaligen Deutschen war.

Die Deutschen in den 30er und 40er Jahren waren nicht anders als die Amerikaner in den 2010ern und 2020ern, oder die Menschen irgendeines anderen Landes zu irgendeiner anderen Zeit der Geschichte. Sie waren menschlich, so wie wir menschlich sind. Und als Menschen tendieren wir stark dazu, die Übel anderer Gesellschaften hart zu verurteilen, aber unser eigenes moralisches Versagen nicht zu erkennen, das während der vergangenen zwei Jahre ganz offen zu Tage lag.

Mayers Buch zeigt ein beängstigendes Vorauswissen. Seine Worte zu lesen ist wie in die Tiefen unserer eigenen Seelen zu blicken. Die folgenden Abschnitte zeigen, wie sehr sich die Antwort der Welt auf die „Bedrohung“ der letzten zwei Jahre der deutschen Antwort auf die jüdische „Bedrohung“ ähnelte. Wenn wir die Parallelen zwischen unseren heutigen Reaktionen und der Situation in Hitlerdeutschland wirklich verstehen können, wenn wir absehen können, auf was für ein Ziel hin sich die „zwei Wochen zum Abflachen der Kurve“ entwickeln, dann können wir vielleicht in unserer Zeit die schlimmsten Gräuel noch verhindern. Aber wenn wir unsere Tendenz zur Tyrannei aufhalten wollen, dann müssen wir zuerst bereit sein, uns den dunkelsten Bereichen unserer Natur zu stellen, inbegriffen unsere Tendenz, andere zu entmenschlichen, und unsere Nächsten als Feinde zu behandeln.

Den Anstand überwinden

„Gewöhnliche Menschen“ und „gewöhnliche Deutsche“ tolerieren keine Handlungen, die den allgemeinen Sinn für Anstand verletzen – ausser die Opfer sind zum voraus erfolgreich stigmatisiert worden als Feinde des Volkes, der Nation, der Rasse, der Religion. Oder, wenn sie noch nicht Feinde sind (das kommt erst später), dann müssen sie zumindest irgendwie am Rande der Gesellschaft stehen, ein zersetzendes Ferment ausserhalb der Bande der Gemeinschaft (und sei es nur durch die Art, wie sie sich kämmen oder ihre Krawatte binden), ausserhalb der Gleichförmigkeit, die überall die Grundlage des allgemeinen Friedens bildet. Die naive Akzeptanz und Praxis eines sozialen Antisemitismus in Deutschland schon vor Hitler hatte ihren allgemeinen Anstand untergraben, sodass er der kommenden Stigmatisierung und Verfolgung nicht mehr viel Widerstand entgegensetzte. (55)

Andere haben schon erklärt, wie die totalitären Impulse mit der „institutionalisierten Entmenschlichung“ zusammenhängen, und haben über die Ausgrenzung der Ungei- in Ländern der ganzen Welt diskutiert. Mayer zeigt, dass eine solche Entmenschlichung nicht unbedingt mit Vorurteilen beginnt:

Der Nationalsozialismus war Antisemitismus. Abgesehen davon, war er gleich wie tausende von Tyranneien vor ihm, mit einigen modernen Annehmlichkeiten. Der traditionelle Antisemitismus … spielte eine wichtige Rolle darin, die Deutschen allgemein empfänglicher zu machen für die Nazi-Lehren. Aber es war die Ausgrenzung, nicht das Vorurteil an sich, welche den Nationalsozialismus möglich machte; die einfache Trennung zwischen Juden und Nichtjuden. (116-117).

Auch wenn viele Deutsche keine antisemitischen Vorurteile hegten (zumindest nicht am Anfang), so schuf doch die erzwungene Trennung zwischen Juden und Nichtjuden einen verheerenden Graben in der deutschen Gesellschaft, riss das soziale Gefüge auseinander, und bereitete den Weg für die Tyrannei. In unseren Tagen hat die Trennung zwischen Maskierten und Unmaskierten, zwischen Gei- und Ungei-, Gesellschaften weltweit in einer Weise gespalten, wie wir das zu unseren Lebzeiten noch nie erlebt haben. Und in so einem weltweiten Ausmass ist das wahrscheinlich noch nie in der ganzen Weltgeschichte geschehen.

Wie wurde diese Trennung möglich? Durch die immense Macht der Propaganda, und insbesondere die Propaganda des digitalen Zeitalters. Wir denken, wir wüssten, wie die Propaganda uns beeinflusst; aber oft erkennen wir die wirklich hinterlistigen Auswirkungen darauf, wie wir andere Menschen sehen, erst wenn es zu spät ist. Mayers Freunde erklärten das sehr ausführlich. Bei einer Gelegenheit fragte Mayer den früheren Bankangestellten über einen seiner jüdischen Freunde: „Machte Ihre Erinnerung an den Händler Sie zum Antisemiten?“ – „Nein, oder erst, als ich antisemitische Propaganda hörte. Es wurde gesagt, Juden täten schreckliche Dinge, die der Händler nie getan hatte … Die Propaganda bewirkte, dass ich nicht mehr an ihn dachte als den Menschen, den ich kannte, sondern dass ich an ihn als Juden dachte.“ (124, Hervorhebung hinzugefügt)

Können wir etwas tun, um den entmenschlichenden Folgen der Propaganda entgegenzuwirken? Mayer beschreibt die Macht der Nazipropaganda als so intensiv, dass alle seine Freunde davon verändert wurden – sogar der Lehrer, der sich dieser Taktiken besser bewusst war. Fast sieben Jahre nach dem Krieg waren seine Freunde immer noch nicht davon zu überzeugen, dass sie verführt worden waren:

Niemand hat meinen Freunden bewiesen, dass die Nazis unrecht hatten in bezug auf die Juden. Niemand kann das. Es war einfach unerheblich, ob das, was die Nazis sagten oder was meine Freunde glaubten, wahr oder falsch war. Staunenswert unerheblich. Es gab schlicht keinen Weg, zu diesem Punkt zu gelangen; jedenfalls nicht auf dem Weg von Logik und Fakten. (142).

Mayers Schlussfolgerung ist deprimierend. Wenn wir andere nicht mit Logik und Fakten überzeugen können, wie können wir sie dann überzeugen? Wie viele von uns haben ihren Freunden unwiderlegbare Daten mitgeteilt, dass die I. mit Risiken verbunden sind? Wie viele von uns haben Videos geteilt, wo Regierungsbeamte offen zugeben, dass die I. die Übertragung nicht verhindern, und dass Stoffmasken nicht funktionieren? Aber Fakten und Evidenz überzeugen jene nicht, die in der Propaganda gefangen sind: sie können sie nicht überzeugen. Denn die Propaganda zielt naturgemäss nicht auf die Logik oder den Verstand ab, und sie beruft sich nicht auf Evidenz. Die Propaganda zielt auf unsere Emotionen. Und in einer Welt, wo sich die meisten Menschen von ihren Emotionen leiten lassen, verwurzelt sich die Propaganda tief in den Herzen jener, die sie konsumieren.

Was tun wir also? Mayer erzählt von einer frustrierenden Realität. Aber es ist wesentlich zu verstehen, wie die Propaganda in Nazideutschland funktionierte, und wie sie heute funktioniert, wenn wir irgendeinen Zugang finden wollen zu jenen, die davon geformt wurden. Und es ist vielleicht noch wichtiger zu verstehen, warum so viele Menschen sich von Emotionen leiten lassen, und ihr kritisches Denken ausschalten oder es andern überlassen. Wir können nicht erwarten, dass kommende Gräueltaten aufgehalten werden und dass Menschen der Tyrannei der Propaganda entfliehen, wenn sie keine Zeit zum Denken haben, oder wenn sie dazu motiviert wurden, nicht zu denken.

Unsere eigenen Leben

Auch ohne die Entmeschlichung jener, die als „Bedrohung“ der Gemeinschaft dargestellt wurden, waren die meisten Deutschen zu sehr auf ihre eigenen Leben konzentriert, um sich um das Leiden ihrer Nächsten zu kümmern:

Die Menschen denken zuerst an das Leben, das sie selber führen, und an die Dinge, die sie sehen. Und unter den Dingen, die sie sehen, denken sie nicht in erster Linie an die aussergewöhnlichen Anblicke, sondern an das, was sie jeden Tag sehen. Die Leben meiner neun Freunde – und sogar des zehnten, des Lehrers – wurden aufgehellt vom Nationalsozialismus, wie sie ihn kannten. Sie blicken darauf zurück – neun von ihnen zumindest – als die beste Zeit ihres Lebens; denn was ist das Leben eines Menschen? Arbeit und Arbeitsplatzsicherheit; Sommerlager für die Kinder, und die Hitlerjugend, um sie davon abzuhalten, auf den Strassen herumzulungern. Was möchte eine Mutter wissen? Sie möchte wissen, wo und mit wem ihre Kinder sind, und was sie tun. In jenen Tagen wusste sie das, oder sie dachte, sie wüsste es. So liefen die Dinge zuhause besser, und wenn es zuhause und am Arbeitsplatz besser geht, was würde ein Ehemann und Vater noch wünschen? (48)

Die beste Zeit ihres Lebens. Aus heutiger Sicht eine unglaubliche Aussage. Wie konnten sie eine Gesellschaft als „gut“ ansehen, die Millionen ihrer Mitbürger ausschloss und schliesslich ermordete? Wie konnten sie wegschauen, wenn Juden und andere litten? Es ist einfach, solche Fragen zu stellen. Aber sind wir in unserer modernen Welt nicht ebenso eng auf unser eigenes Wohlergehen und dasjenige unserer Familie konzentriert? Wenn die Leben anderer aufs Spiel gesetzt werden, sodass unsere Familien weiterhin „zuhause bleiben und Leben retten“ können, damit wir uns sicher fühlen können vor einem tödlichen Virus, und „gerecht“ aufgrund unserer Entscheidungen, würden wir dann nicht so entscheiden? Viele von uns taten das. Aber haben wir je daran gedacht, dass infolge unseres Zuhausebleibens andere nicht zuhause bleiben konnten?

Die Hausarreste haben die Leben von Millionen armer Kinder zerstört, im In- und Ausland. Aber die Laptop-Klasse blieb abgeschirmt von diesem Leiden, zufrieden mit hausgeliefertem Gemüse, Zoom-Konferenzen, und neuen Folgen von „König Tiger“. Und während viele rund um die Welt verhungerten oder um beschränkte Nahrungs- und Wasservorräte kämpften, stritten wir um die neusten iPhones, im Glauben, dass diese Geräte nötig seien, um „die Pandemie zu überstehen“ in unseren hochgebauten Schlössern und vorstädtischen Festungen. Tatsächlich war für viele von uns die grösste Sorge, ob wir bald einen neuen 42-Zoll-Fernseher geliefert bekommen könnten, falls der alte den Geist aufgeben sollte. Wir wussten nichts vom Leiden der anderen, und wir nahmen kaum zur Kenntnis, dass ihre Lebenswirklichkeit anders sein könnte als die unsere. (Anm.d.Ü: Hier nur ein einziges Beispiel von vielen.) – So auch in Deutschland:

Es gab wunderbare Familienferienreisen zu zehn Dollar, durch das Programm „Kraft durch Freude“, nach Norwegen im Sommer und nach Spanien im Winter, für Menschen, die nie von einer solchen Reise geträumt hätten. Und in Kronenberg musste niemand frieren (d.h. niemand, den meine Freunde kannten), niemand musste hungern, kein Kranker blieb ohne Behandlung. Wen kennen denn die Menschen? Sie kennen Menschen aus ihrer eigenen Nachbarschaft, ihrer eigenen sozialen Stellung und Arbeitsumgebung, Menschen mit denselben politischen (oder unpolitischen) Ansichten, Menschen ihrer eigenen Religion und Rasse. Alle die Segnungen der Neuen Ordnung, die überall angepriesen wurden, kamen „allen“ zugute. (48-49).

Jene, die in einer Distanz zu uns leben, vergessen wir schnell. Und in einer gesichtslosen Welt des „sozialen Abstandhaltens“ ist es noch viel leichter, die Zehntausende von Menschen zu vergessen, die mehr leiden, als wir aushalten könnten. Die Kinder, die nie die Gesichter ihrer Lehrer sehen konnten? Geht uns nichts an. Die Alten und Kranken, die vom Rest der Welt abgeschnitten wurden, jedes sozialen Kontakts und jeder menschlichen Berührung beraubt? „Es ist ja für ihre Gesundheit und Sicherheit.“ Taubstumme Kinder und Erwachsene, und andere Behinderte? „Wir alle müssen Opfer bringen, um die Ausbreitung zu verlangsamen.“

Unsere eigenen Ängste

Zu unserem eigenen Leben kommen unsere eigenen Ängste (vor realen oder imaginären Gefahren) hinzu, und so sind wir noch weniger motiviert, an die Probleme anderer zu denken:

Ihre Welt war die Welt des Nationalsozialismus. In dieser Menschengruppe kannten sie nur gute Gemeinschaft, und die gewöhnlichen Sorgen des gewöhnlichen Lebens. Sie fürchteten die „Bolschewiken“, aber nicht einander. Und ihre Angst war die Angst, die allgemein in der sonst glücklichen Nazigemeinschaft Deutschland akzeptiert wurde. (52).

Die „akzeptierte Angst“ der Gemeinschaft. Die zehn Personen, unter denen Mayer lebte, beschrieben die sozial akzeptablen Ängste, die sie ausdrücken durften; und die Ängste, nach denen sie ihre Leben ausrichten mussten. Aber Angst oder auch nur Unbehagen ausdrücken über den zunehmenden Totalitarismus der Naziregierung? Solche Sorgen waren verboten. Und so ist es auch heute. Es ist erlaubt (ja, sogar gefördert!), den Virus zu fürchten. Wir dürfen den Zusammenbruch des Gesundheitssystems fürchten. Wir dürfen „die Ungei-“ und sogar die „Maskengegner“ fürchten. Aber wer wagt es, Angst vor dem wachsenden Totalitarismus um uns herum auszudrücken? Wer wagt es, dem „wissenschaftlichen Konsens“ Fakten entgegenzustellen, oder die Verordnungen von „Gesundheitsbeamten“ in Frage zu stellen? Nein, das dürfen wir nicht, wenn wir nicht mit den wissenschaftsleugnenden I-gegnern in einen Topf geworfen werden wollen. Wir dürfen es nicht, wenn wir nicht wollen, dass unsere Veröffentlichungen als Falschinformation etikettiert werden und unsere Konten gelöscht werden.

Unsere eigenen Probleme

Ich denke, schlussendlich waren es ihre eigenen Probleme, welche die Unfähigkeit meiner Freunde erklären, „etwas zu tun“ oder überhaupt etwas zu wissen. Jeder kann nur ein gewisses Mass an Verantwortung tragen. Wenn er mehr zu übernehmen versucht, dann bricht er zusammen. Um das zu vermeiden, lehnt er die Verantwortung ab, die seine Kraft übersteigt. … Wenn er sie ablehnen muss, dann verneint er sie. Er zieht den Vorhang zu. Er kapselt sich ab von der Betrachtung des Bösen, gegen das er streiten sollte, es aber nicht kann. (75-76).

Wir haben alle unsere täglichen Sorgen um Familie und Freunde. Wir haben auch unsere eigenen Ängste – Angst vor imaginären Bedrohungen, oder vor tatsächlichen Risiken. Dazu kommt das Gewicht unserer eigenen Verantwortungen, und das kann uns machtlos machen angesichts der Probleme unserer Nächsten. Das galt nicht nur für die damaligen Deutschen, sondern auch für die Amerikaner. Mayer beschreibt ein Gespräch mit seinem Freund Simon, dem Schuldeneintreiber, über die amerikanische Internierung der Japaner. Simon erwähnte die zwangsweise Umsiedlung von 100’000 Amerikanern, darunter Kinder, wegen ihrer japanischen Abstammung (und weil sie deswegen angeblich eine Bedrohung der nationalen Sicherheit darstellten).

Simon fragte, was Mayer getan hätte, um für seine Mitbürger aufzustehen, die ohne rechtmässiges Gerichtsverfahren aus ihren Häusern vertrieben wurden. „Nichts“, antwortete Mayer. Simons Antwort ist ernüchternd:

„Da haben Sie es. Sie erfuhren alle diese Dinge offen, von Ihrer eigenen Regierung und Ihrer Presse. Wir erfuhren nichts. Wie in Ihrem Fall, wurde nichts verlangt von uns – in unserem Fall nicht einmal Wissen. Sie wussten von Dingen, die Sie als falsch ansahen. Sie dachten, es sei falsch, nicht wahr, Herr Professor?“ „Ja.“ „So. Und Sie taten nichts. Wir konnten nur vom Hörensagen einige Dinge vermuten, und wir taten nichts. So ist es überall.“ Als ich protestierte, die japanischstämmigen Amerikaner seien aber nicht behandelt worden wie die Juden, sagte er: „Und wenn sie so behandelt worden wären, was dann? Sehen Sie nicht, dass die Idee, etwas dagegen zu tun oder nichts zu tun, in beiden Fällen dieselbe ist?“ (81). 

Wir denken alle gerne, wir würden anders reagieren. Wir haben alle die besten Absichten, und denken, wir hätten den Mut, für andere aufzustehen. Wir möchten die Helden sein, wenn alle anderen sich fürchten zu handeln. Aber wenn der Moment kommt, was werden wir wirklich tun? Mayers Gespräch mit seinem Freund, dem Lehrer, verdient es, ausführlich zitiert zu werden:

„Ich kam nie aus dem Staunen heraus, dass ich überlebte“, sagte Herr Hildebrandt. „Ich konnte nicht anders als froh zu sein, wenn andern etwas geschah, was mir nicht geschehen war. So wie später, wenn eine Bombe auf eine andere Stadt fiel, oder auf ein anderes Haus und nicht auf das eigene, dann waren wir dankbar.“ „Dankbarer für Sie selber, als betrübt um die anderen?“ „Ja. In Wahrheit, ja. Es mag in Ihrem Fall anders sein, Herr Professor, aber ich denke nicht, dass Sie das wissen können, solange Sie es nicht erlebt haben. …

Man war betrübt um die Juden, von denen jeder Mann sich mit dem zweiten Namen „Israel“ identifizieren musste und jede Frau mit „Sarah“, bei jeder offiziellen Gelegenheit. Betrübter, später, dass sie ihre Arbeitsstellen und ihre Häuser verloren, und sich bei der Polizei melden mussten. Noch betrübter, dass sie ihre Heimat verlassen mussten, dass sie in Konzentrationslager eingesperrt und versklavt und getötet wurden. Aber waren wir nicht froh, dass wir keine Juden waren? Man erschrak noch mehr, wenn es auch mit Tausenden und Hunderttausenden von Nichtjuden geschah. Aber waren wir nicht froh, dass es nicht uns geschehen war, als Nichtjuden? Es war sicher nicht die hochstehendste Art von Freude. Aber wir umarmten sie, und wir hüteten unsere Schritte, noch viel vorsichtiger als zuvor.“ (58-59).

Ich bin betrübt um sie, aber ich bin nicht bereit, für sie aufzustehen. Ich hasse es, dass den Kindern der Zugang zu Sprachtherapie, zu Präsenzunterricht und zu mitmenschlichem Kontakt mit ihren Freunden verweigert wird. Aber wenn ich etwas sage, kann ich meine Stellung und meinen Einfluss verlieren. Ich hasse es, dass die Ungei- ihre Arbeitsstellen verlieren und in ihre Häuser eingesperrt werden. Aber wenn ich etwas sage, kann auch ich meine Arbeit verlieren. Ich hasse es, dass meine Mitbürger gegen ihren Willen in „Quarantänezentren“ abgeführt werden. Aber wenn ich etwas sage, riskiere ich eine Strafverfolgung. Und ich hasse es, dass die Ungei- aus der Gesellschaft ausgeschlossen und von den politischen Leitern mit Verachtung behandelt werden. Aber wenn ich etwas sage, kann auch ich ausgeschlossen werden. Das Risiko ist zu gross.

Taktiken der Tyrannen

Die modernen Tyrannen stehen alle über der Politik; und damit beweisen sie, dass sie meisterhafte Politiker sind. (55).

Wie oft haben Staatsvertreter jene, die ihr Narrativ hinterfragen, beschuldigt, „die Krankheit zu politisieren“? „Hört auf, die Masken zu politisieren!“ „Hört auf, die I. zu politisieren!“ Und Dissidente werden verächtlich gemacht als „wissenschaftsleugnende Trump-Anhänger“ oder als „I-Gegner und V-Theoretiker“. Kein Wunder, haben so wenige das offizielle Narrativ über Masken, Hausarreste und I. in Frage gestellt. Wer es tut, der macht sich selber zur Zielscheibe und zieht Anschuldigungen auf sich, er kümmere sich mehr um Politik und Wirtschaft als um Menschenleben und Gesundheit. Diese falschen Unterstellungen sind längst nicht die einzige Taktik jener, die ihre autoritäre Macht erweitern wollen. Mayers Werk hilft uns nicht nur zu verstehen, was uns anfällig macht für den Totalitarismus, und warum so viele von uns „den Vorhang zuziehen“ angesichts des Bösen. Er legt auch die Taktiken der Tyrannen offen, damit seine Leser sie sehen und widerstehen können.

Diese Distanzierung der Regierung vom Volk, diese Verbreiterung des Grabens, geschah so allmählich und unmerklich, jeder Schritt verkleidet als eine vorübergehende Notstandsmassname, oder als eine Forderung echter patriotischer Hingabe, oder als ein tatsächlicher sozialer Zweck. Und alle die Krisen und Reformen (tatsächliche Reformen) hielten die Leute so beschäftigt, dass sie die zugrundeliegende langsame Bewegung nicht sahen, die darin bestand, den ganzen Regierungsprozess dem Volk immer weiter zu entziehen. (166-167).

Während der letzten zwei Jahre haben viele Alarm geschlagen wegen der Bedrohung durch endlose Notfälle, und wir haben alle gesehen, wie das Zielband ständig in weitere Ferne gerückt wurde. „Es werden nur zwei Wochen sein.“ „Es ist bloss eine Maske.“ „Es ist bloss eine I.“ Und so weiter. Die meisten haben zwar inzwischen verstanden, dass die „zwei Wochen zum Abflachen der Kurve“ nicht bloss zwei Wochen waren. Aber viel zu wenige verstehen die hinterlistige Bedrohung durch eine ständige „Regierung durch Notfälle“. Mayers Freunde verstanden es, und sie erlebten die katastrophalen Ergebnisse.

Bevor Hitler Kanzler wurde, war Deutschland immer noch eine Republik unter der Weimarer Verfassung. Aber Artikel 48 dieser Verfassung erlaubte die Aufhebung bürgerlicher Freiheiten, sofern die öffentliche Sicherheit und Ordnung ernsthaft gestört oder gefährdet seien. Diese Notstandsvollmachten wurden ständig missbraucht. Nach dem Reichstagsbrand 1933 übertrug das Ermächtigungsgesetz alle gesetzgebenden Vollmachten vom Parlament auf die Exekutive. Das ermöglichte es Hitler bis zum Kriegsende 1945 „per Dekret“ zu regieren.

Die legislativen Gewalten der Gliedstaaten und der Bundesregierung der USA (und anderer Länder weltweit) haben zwar während den letzten zwei Jahren Sitzungen abgehalten. In Wirklichkeit haben sie aber kaum je versucht, die Macht der Exekutive zu beschränken. Unter der Schirmherrschaft er CDC, der WHO, und anderer Organisationen, hat die Exekutive tatsächlich per Dekret regiert. Sie haben Geschäfte geschlossen, Masken und I. obligatorisch gemacht, Menschen gezwungen zuhause zu bleiben – meistens ohne die Legislative überhaupt zu konsultieren. Womit wurde das gerechtfertigt? Der „Notstand“. Wenn wir in der Zeit zurückreisen könnten bis 2019 und die Frage stellten, ob es einer Exekutive erlaubt sein solle, ihrem Volk willkürlich solch einschneidende Einschränkungen aufzuerlegen, auch mit legislativer Zustimmung, dann hätte sicher die grosse Bevölkerungsmerheit „Nein“ gesagt. Wie sind wir denn zur jetzigen Situation im 2022 gelangt? Mayers Freunde geben uns wertvolle Einsichten.

Das Gemeinwohl

Die Gemeinschaft ist plötzlich ein Organismus, ein einziger Leib und eine einzige Seele, der seine Glieder zu seinen eigenen Zwecken aufzehrt. Während der Dauer des Notstands existiert die Stadt nicht für ihre Bürger, sondern die Bürger für die Stadt. Je stärker die Stadt unter Druck steht, desto härter arbeiten ihre Bürger für sie, und desto produktiver und effizienter werden sie in deren Interesse. Der Bürgerstolz wird zum höchsten Stolz, denn das Endziel all der enormen Anstrengungen ist der Erhalt der Stadt. Gewissenhaftigkeit ist die höchste Tugend, das Gemeinwohl das höchste Gut. (255). 

Was wurde als Begründung angegeben für viele der Massnahmen der letzten zwei Jahre? Das Gemeinwohl. Wir müssen Masken tragen, um die andern zu schützen. Lass dich i. aus Liebe zu deinen Nächsten. Bleib zuhause, um Leben zu retten. Und nicht nur um unserer Nachbarn und individueller Menschen willen, sondern für die Gemeinschaft als ganzes. Wir müssen Schulen schliessen, um Spitalressourcen zu sparen. In Grossbritannien gab es eine Kampagne: „Schützt den nationalen Gesundheitsdienst“. Und unzählige ähnliche Slogans, die unsere gemeinschaftliche Tugend hervorheben.

Um Missverständnissen vorzubeugen: Ich bin nicht gegen eine Zusammenarbeit zum Gemeinwohl. Ich schätze meine Freiheiten nicht höher als die Leben anderer (das war eine der üblichen gemeinen Unterstellungen, die gegen jene ins Feld geführt wurde, die sich gegen den Machtmissbrauch der Regierung wehrten). Aber ich verstehe, wie Regierungen aller Zeiten das „Gemeinwohl“ als Vorwand gebrauchten, um sich mehr Macht anzueignen und diktatorische Massnahmen einzuführen, die unter normalen Umständen nie durchkämen. Genau das beobachteten Mayers Freunde:

Nehmen wir an, Deutschland sei eine Stadt, die vom Rest der Welt abgeschnitten wurde von einer fortschreitenden Überschwemmung oder einem Flächenbrand. Der Stadtpräsident ruft den Notstand aus und schliesst den Stadtrat. Er mobilisiert das Volk und weist jeder Gruppe ihre Aufgabe zu. Die Hälfte der Bürger sind plötzlich zugleich mit öffentlichen Aufgaben beschäftigt. Jede private Handlung – ein Telephonanruf, der Gebrauch einer Glühbirne, der Dienst eines Arztes – wird zu einer öffentlichen Handlung. Jedes private Recht – spazierenzugehen, eine Versammlung zu besuchen, eine Druckerpresse zu bedienen – wird zu einem öffentlichen [d.h. staatlichen] Recht. Jede private Institution – das Spital, die Kirche, der Verein – wird zu einer öffentlichen Institution. Auch wenn wir es nicht anders zu nennen wagen als den Druck der Notwendigkeit: hier haben wir die ganze Formel des Totalitarismus.
Das Individuum gibt seine Individualität ohne Widerrede auf, ja ohne überhaupt darüber nachzudenken
– und nicht nur seine individuellen Hobbies und Vorlieben, sondern auch seinen individuellen Beruf, seine individuellen Familienangelegenheiten, seine individuellen Bedürfnisse. (254, Hervorhebungen hinzugefügt).

Tyrannen verstehen es gut, unsere Fürsorglichkeit auszunützen. Wir müssen ihre Tendenz verstehen, unsere Gutwilligkeit auszubeuten. Wenn wir diese Taktik verstehen, und Widerstand leisten gegen die Angriffe auf die Freiheit, dann tragen wir zum Erhalt des wirklichen Gemeinwohls bei. Tragischerweise realisieren viele Menschen nicht, dass sie ausgenützt wurden – dass ihr Wunsch, zum Gemeinwohl beizutragen, zu einem bedingungslosen Gehorsam geworden ist. Mayers Beschreibung ist erstaunlich:

Für die übrigen Bürger – etwa 95 Prozent der Bevölkerung – ist „Pflicht“ jetzt das zentrale Element des Lebens. Sie gehorchen, zuerst unbeholfen, aber erstaunlich bald spontan. (255)

Diese Art von Willfährigkeit ist wohl am klarsten mit den Gesichtsbedeckungen geschehen. Wir gehorchen spontan, auch wenn niemand uns mit einer Waffe bedroht. Und wir gehorchen, ohne überhaupt über die Rationalität der Forderungen nachzudenken. Wir bedecken unser Gesicht, um zu einem Tisch in einem vollbesetzten Restaurant zu gehen; dort essen wir zwei Stunden lang, und dann fühlen wir uns verpflichtet, unser Gesicht wieder zu bedecken, um zum Ausgang zu gehen. Dasselbe müssen wir im Flugzeug tun, um „die Ausbreitung aufzuhalten“, aber nicht während wir essen oder trinken. Einige tun es sogar, wenn sie allein in ihrem Auto fahren. Ich möchte klarstellen, dass ich nicht die Menschen kritisiere, die in solchen Situationen ihr Gesicht bedecken. Was ich beklage, ist, wie die Propaganda uns derart beeinflusst hat, dass wir gehorchen, ohne überhaupt über unsere Handlungen nachzudenken. Oder vielleicht noch schlimmer, wir haben darüber nachgedacht, aber wir gehorchen trotzdem, weil es die andern auch tun, und weil es von uns erwartet wird.

Sehen Sie die gefährlichen Parallelen zwischen, dem, was heute geschieht, und was in Deutschland geschah? Es geht nicht bloss um Gesichtsbedeckungen. Es geht um die Bereitwilligkeit, jeder Forderung der Regierung nachzukommen, wie unlogisch oder schädlich sie auch sein mag. Können Sie sehen, wie diese Tendenzen zur Dämonisierung bestimmter Personen führen? Jene, die nicht mit einer Gesichtsbedeckung „ihre Nächsten schützen“, oder die nicht an einem medizinischen Experiment teilnehmen wollen „um der Verletzlichen willen“, gelten als Gefahr für die Gesellschaft und als Bedrohung für uns alle. Können Sie sehen, wohin diese Dämonisierung führen kann? Wir wissen, wohin es in Deutschland geführt hat.

Endlose Ablenkungen

Plötzlich sah ich mich in all diese neue Aktivität hineingeworfen, als die Universität in die neue Situation hineingezogen wurde: Sitzungen, Konferenzen, Interviews, Zeremonien, und vor allem Formulare zum Ausfüllen, Berichte, Bibliographien, Listen, Fragebögen. Und dazu kamen die Forderungen in der Gemeinschaft, die Dinge, wo erwartet wurde, dass man teilnahm, die es zuvor nicht gegeben hatte oder die nicht wichtig gewesen waren. Es war natürlich alles nur Geschwätz, aber es zehrte alle unsere Energie auf, da es zu der Arbeit hinzukam, die man wirklich tun wollte. Sie können sehen, wie einfach es dann war, nicht über die grundlegenden Dinge nachzudenken. Man hatte keine Zeit.(167).

Kombinieren wir den tyrannischen Gebrauch des „Gemeinwohls“ mit einem ununterbrochenen Notstand, dann haben wir ein totalitäres Regime, das nicht hinterfragt werden darf: „Diese Zeit ist vor allem keine Zeit für Spaltungen“ (Mayer, 256). Wenn dazu noch die unaufhörlichen Ablenkungen das Volk beschäftigt halten, dann hat niemand überhaupt Zeit, irgendetwas in Frage zu stellen. Hören wir einen von Mayers Kollegen:

Die Diktatur, und der ganze Prozess ihrer Entstehung, war vor allem Ablenkung. Das verschaffte eine Ausrede, um nicht zu denken, für Menschen, die sowieso nicht denken wollten. Ich meine damit nicht die „kleinen Menschen“, den Bäcker usw; ich spreche von meinen Kollegen und von mir selber, gelehrte Menschen, wissen Sie. Die meisten von uns wollten nicht über grundsätzliche Dinge nachdenken, und hatten das nie getan. Es war nicht nötig. Der Nationalsozialismus gab uns einige schauerliche grundsätzliche Dinge zum Denken – wir waren anständige Menschen -, und hielt uns so beschäftigt mit ständigen Änderungen und „Krisen“, und so fasziniert, ja, fasziniert, mit den Machenschaften der „Volksfeinde“ ausserhalb und innerhalb, dass wir keine Zeit hatten, um über diese schauerlichen Dinge nachzudenken, die überall rundherum allmählich wuchsen. Ich denke, unbewusst waren wir dankbar. Wer möchte denn denken? (167-168).

Ist es nicht das, was in der Welt um uns herum geschieht, sogar gerade während ich dies schreibe? Während der letzten zwei Jahre erlebten wir eine ständige Zerrüttung unserer Leben mit Hausarrest, Videokonferenzen, Online-Lernen, Verhüllungsvorschriften, „sozialem“ Abstandhalten, und mehr. Und dann wurde uns gesagt, wir müssten uns i, oder sonst würden wir unsere Arbeit verlieren, und manche von uns waren bereits zu müde, um Widerstand zu leisten, und andere noch erschöpfter, weil sie es versucht hatten. Und wer entschied, hier nicht mitzumachen, der muss seine Zeit – Unmengen von Zeit – darauf verwenden, Ausnahmegesuche für die verschiedenen Vorschriften zu schreiben und seine Gründe zu erklären.

Und dann, wenn es scheint, diese Verrücktheit käme allmählich zu einem Ende (zumindest vorläufig), da wird in Kanada ein „Notstand“ erklärt, der die Rechte der kanadischen Bürger mit Füssen tritt, und die Welt wird in eine weitere Krise geworfen wegen des Ukraine-Konflikts. Es geschieht so vieles, was zu Recht nach unserer Aufmerksamkeit ruft, dass viele von uns gar nicht merken, wie sich die totalitäre Schlinge um uns herum zuzieht. Und wir sind zu müde um zu untersuchen, was geschieht; zu erschöpft, uns überhaupt darum zu kümmern. Aber wir müssen uns darum kümmern! Sonst wird es zu spät sein, und es wird kein Zurück mehr geben.

Wissenschaft und Bildung

„Die Universitätsstudenten glaubten alles Mögliche, wenn es nur kompliziert war. Die Professoren ebenfalls. Haben Sie die „Rassenreinheitstabelle“ gesehen?“ „Ja“, sagte ich. „Dann kennen Sie das ja. Ein ganzes System. Wir Deutsche mögen Systeme, wissen Sie. Es passte alles zusammen, also war es Wissenschaft, System und Wissenschaft, wenn man nur die Kreise ansah, schwarz, weiss, und Grautöne, und nicht die wirklichen Menschen. Solche Dummheit konnten sie uns kleine Menschen nicht lehren. Sie versuchten es nicht einmal.“ (142).

„Vertraue der Wissenschaft.“ So hat man uns über zwei Jahre lang gesagt. Eine weitere Taktik autoritärer Leiter aller Zeiten besteht darin, an die Wissenschaft und die Experten zu apellieren. Mayers Freunde beschrieben, wie die Nazis die „Wissenschaft“ dazu gebrauchten, Studenten und andere davon zu überzeugen, dass die Juden minderwertig und Krankheitsüberträger seien. Aber das war nicht Wissenschaft, das war Wissenschaftsgläubigkeit. Genau wie heute.

Wissenschaft ist kein Dogma; sie ist kein System von Glaubenssätzen. Wirkliche Wissenschaft ist der Prozess, durch den wir die Wahrheit über die physische Welt entdecken. Wir beginnen mit einer Hypothese, die riguros überprüft werden muss durch Beobachtung und Experimente. Aber während der letzten zwei Jahre wurde als „Wissenschaft“ bezeichnet, was auch immer die Gesundheitsbehörden als wahr ausgaben, unabhängig davon, ob ihre Behauptungen von irgendwelchen Evidenzen gestützt wurden oder nicht. Tatsächlich hat sich vieles von dieser sogenannten Wissenschaft als falsch erwiesen.

Neben der „Wissenschaft“ bemühte sich die Reichsregierung zum Erreichen ihrer Ziele auch die Bildung unter Kontrolle zu halten. „Der Nationalsozialismus verlangte die Zerstörung der akademischen Unabhängigkeit“ (112). Wahrheit und die Suche nach Wahrheit wurden durch Loyalität zu den Nazi-Lehren ersetzt. Bemerkenswerterweise übernahmen die Nazis nicht nur die Sekundarschulen, sondern auch die Primarschulen, und schrieben sogar gewisse Fächer ganz neu, um sie in Einklang mit der Nazi-Propaganda zu bringen: „In Geschichte, in Biologie und in Wirtschaftskunde war das Lehrprogramm viel ausgefeilter als in Literatur, und viel strenger. Diese Fächer wurden wirklich neu geschrieben.“ (198). Mayers Freund, der Lehrer, erklärte, wie das Reich zudem „zuverlässige Ignoranten“ aus der Politik oder Wirtschaft als Vorgesetzte über die Lehrer einsetzte. Das gehörte zur Nazi-Art, die Bildung zu demütigen und sie der Verachtung des Volkes auszusetzen.“ (197). In der heutigen Welt wäre das vergleichbar damit, wie Bürokraten darüber bestimmen, was in den Klassenzimmern gelehrt wird, oder darüber, ob es überhaupt Klassenzimmer gibt, da ja so viele Schulen permanent geschlossen wurden.

Unterdrückung der freien Rede, und Verstärkung der Selbstzensur

Es wurde nie alles spezifisch reglementiert. So war es überhaupt nicht. Alles wurde der Entscheidung des jeweiligen Lehrers überlassen, wenn es nur im „deutschen Geist“ geschah. Das war alles, was nötig war; der Lehrer musste nur diskret sein. Wenn er sich fragen musste, ob vielleicht jemand Einspruch erheben würde gegen ein bestimmtes Buch, dann war es weise, jenes Buch nicht zu gebrauchen. Das war eine viel wirksamere Art der Einschüchterung, wissen Sie, als jede festgelegte Liste von akzeptablen oder inakzeptablen Veröffentlichungen. Die Art, wie es getan wurde von seiten der Regierung, war bemerkenswert schlau und effizient. Der Lehrer musste selber die Entscheidungen treffen und die Konsequenzen riskieren; das machte ihn nur noch vorsichtiger. (194).

Die Methoden des Reichs, die Bildung (und die freie Rede überhaupt) unter Kontrolle zu halten, verliess sich nicht auf detaillierte Regeln. In unserer modernen Welt geht diese Taktik weit über das Aufzwingen von „Gesundheitsprotokollen“ hinaus, schliesst diese aber zweifellos ein. Nur wenige Institutionen erlaubten persönliche Entscheidungen über Masken; die meisten Schulen entschieden, diese zu fordern, unabhängig von den persönlichen Überzeugungen der Schüler. Als Ergebnis lernten die Schüler schnell, dass sie ihre Gesichter bedecken mussten, um an der Gesellschaft teilnehmen zu dürfen. Manche glauben jetzt sogar, sie würden sich selber oder ihren Kameraden ernsthaften Schaden zufügen, wenn sie sie abnähmen. Und sogar nachdem diese Vorschriften aufgehoben wurden, schämen sich immer noch viele Schüler, vor andern ihr Gesicht zu zeigen. Was hat uns das gekostet inbezug auf die geistige Gesundheit dieser Schüler, und inbezug auf die Meinungsäusserungsfreiheit? Wir werden es nie genau wissen.

Und das geschah nicht nur in den Schulen. Diese Protokolle und Narrative wurden auch ausserhalb der Schulen durchgesetzt. Anfangs 2021 erlaubte nur eine kleine Minderheit von Geschäften ihren Kunden, mit unbedecktem Gesicht einzutreten; noch weniger erlaubten es ihren Angestellten. Obwohl die staatlichen Bürokraten es nicht zugeben wollen: die Masken behindern sehr wohl die zwischenmenschliche Kommunikation. (Täten sie das nicht, warum nehmen Leiter von Weltrang sie ab, wenn sie sprechen?) Und wo die Kommunikation behindert wird, da ist auch der freie Gedankenaustausch beeinträchtigt.

Was die Meinungsäusserungsfreiheit im allgemeinen betrifft, so verstärkt die von Mayer beschriebene Taktik die Selbstzensur. Jeder, der ehrlich darüber nachdenkt, wird zugeben, dass dasselbe auch heute geschieht. Wenn wir betrachten, was vor Jahrzehnten gesagt wurde und jetzt als „politisch inkorrekt“ angesehen wird, dann verstehen wir alle, dass zu verschiedenen Themen nur noch ganz bestimmte Standpunkte akzeptiert werden, von Rasse und Sexualität bis zu I. und Krankenbehandlungen.

Traue dich nicht, irgendetwas mitzuteilen, was dem offiziellen Narrativ widerspricht; sei es über die Krankheit oder über irgendetwas anderes. Etwas mitzuteilen, was einer Infragestellung des Narrativs nahekommt, kann tausende von Konsequenzen haben, sowohl persönlich wie beruflich. Du möchtest doch nicht angeklagt werden, Falschinformation zu verbreiten, nicht wahr? Oder als V-Theoretiker bezeichnet werden? So vermeiden wir es, Gegenargumente und Evidenz mitzuteilen, sogar wenn die Evidenz absolut legitim, überprüfbar und richtig ist.

Unsicherheit

„Sehen Sie“, fuhr mein Kollege fort, „man sieht nie genau, wohin oder wie man sich bewegen soll. Glauben Sie mir, das ist wahr. Jede Handlung, jede Gelegenheit, ist schlimmer als die vorhergehende, aber nur ein klein wenig schlimmer. So wartet man auf die nächste und die übernächste Gelegenheit. Man wartet auf die eine grosse schockierende Gelegenheit, wo man denkt, dass die anderen, wenn so ein Schock kommt, sich dir anschliessen und irgendwie widerstehen werden. Du möchtest nicht allein handeln, oder auch nur sprechen; du möchtest nicht deine gewohnte Routine unterbrechen und Probleme machen. Warum nicht? Weil du es nicht gewohnt bist. Und es ist nicht nur die Angst, die Angst allein zu stehen, die dich zurückhält; es ist auch echte Unsicherheit.

Diese Unsicherheit ist ein sehr wichtiger Faktor, und statt mit der Zeit abzunehmen, nimmt sie zu. Draussen auf der Strasse, in der allgemeinen Gesellschaft, ist „jedermann“ zufrieden. Man hört keinen Protest und sieht erst recht keinen (…) du sprichst privat mit deinen Kollegen, und einige fühlen wie du; aber was sagen sie? Sie sagen: „Es ist doch nicht so schlimm“, oder: „Du siehst Gespenster“, oder „Du bist ein Alarmist“.

Und du bist ein Alarmist. Du sagst, dieses muss zu jenem führen, und du kannst es nicht beweisen. Das sind die Anfänge, ja; aber wie kannst du es sicher wissen, wenn du das Ende nicht kennst; und wie kannst du das Ende kennen oder auch nur vermuten? Einerseits schüchtern dich deine Feinde ein, das Gesetz, die Regierung, die Partei. Auf der anderen Seite verachten dich deine Kollegen als pessimistisch oder gar neurotisch. Es bleiben dir einige nahe Freunde, die natürlich Menschen sind, die immer so gedacht haben wie du.“ (169-170).

Und so tun wir nichts. Mayer hat recht. Sein Kollege hatte recht. Was können wir dazu sagen?

Etwas, was wir sagen können, ist dies: Jene, die uns Masken aufgezwungen haben, haben dieses Gefühl der Unsicherheit – zufällig oder absichtlich – noch vergrössert. Wir wissen nicht mehr, was andere denken oder fühlen, weil unsere Gesichter verborgen sind. Alle spüren eine unterschwellige Angst, die macht, dass wir die anderen als Bedrohung ansehen und nicht mehr als Mitmenschen. Und wir sind unsicher darüber, warum die anderen ihr Gesicht bedecken. Tun sie einfach, was ihnen gesagt wird? Ist es aus Angst davor, was die anderen denken könnten? Oder ist es ihr echter Wunsch, ihr Gesicht zu verhüllen?

Wahrscheinlich würde die grosse Mehrheit der Angestellten keine Masken tragen, wenn ihre Vorgesetzten es nicht von ihnen verlangen würden. Aber wie wissen wir, was sie tun würden, wenn ihnen nicht die Wahl gelassen wird? In ähnlicher Weise, wenn verlangt wird, gewisse Dinge zu tun, um die Loyalität zur Partei unter Beweis zu stellen, wie kann man wissen, ob die anderen wirklich loyal zur Partei sind, oder ob sie nur äusserlich mitmachen, um nicht aufzufallen (oder um nicht in ein Lager gebracht zu werden)?

Allmählich, dann plötzlich

„Wenn man mitten in diesem Prozess lebt, ist man absolut unfähig, ihn wahrzunehmen – bitte versuchen Sie mir zu glauben -, ausser man hat ein viel grösseres politisches Gespür, eine Feinfühligkeit, als die meisten von uns je entwickeln konnten. Jeder Schritt war so klein, so folgenlos, so gut erklärt, oder manchmal auch „bedauert“, dass niemand – ausser man hätte von Anfang an ausserhalb dieses Prozesses gestanden und hätte verstanden, worum es im Prinzip ging und wozu alle diese „kleinen Massnahmen“, die kein „patriotischer Deutscher“ ablehnen konnte, eines Tages führen mussten – niemand diesen täglichen Prozess sehen konnte, ebensowenig wie ein Bauer auf dem Feld den Mais wachsen sehen kann. Aber eines Tages ist er ihm über den Kopf gewachsen.“ (168).

Von all den Taktiken, mit denen die Tyrannen ihr Ziel erreichen, ist vielleicht die wichtigste die Illusion, wir hätten jede Menge Zeit, allem zu entfliehen. Wie viele von uns hätten im Februar 2020 vorausgesagt, dass wir heute an diesem Punkt stehen würden? Wie geschah das alles? Allmählich, aber dann plötzlich. Mayer spürt unser Dilemma:

Wie kann man das vermeiden, unter gewöhnlichen Menschen, sogar hochgebildeten gewöhnlichen Menschen? Offen gesagt, ich weiss es nicht. Ich sehe es auch jetzt noch nicht. Sehr oft, seit das alles geschah, habe ich über diese zwei grossen Wahlsprüche nachgedacht: Principiis obsta und Finem respice – „Wehret den Anfängen“ und „Bedenke das Ende“. Aber man muss das Ende voraussehen, um gegen die Anfänge Widerstand zu leisten oder sie auch nur zu sehen. Man muss das Ende klar und sicher voraussehen; und wie können gewöhnliche Menschen das tun, oder sogar aussergewöhnliche Menschen? Die Dinge hätten anders verlaufen können, bevor es so weit kam; das taten sie nicht, aber es hätte sein können. Und jeder hofft auf dieses hätte. (168).

Denke an den März 2020. Wir hätten damals Widerstand leisten sollen. Wir hätten keinen Hausarrest tolerieren sollen, und auch keine unsinnigen Einschränkungen der örtlichen Geschäfte und des Privatlebens. Die Regierungen waren bereits zu weit gegangen. Und dann kamen die Masken, und einige sagten, hier müsse man widerstehen. Wer solche Sorgen äusserte, wurde als Fanatiker und V-theoretiker lächerlich gemacht – aber sie hatten recht.

Viele sahen es nicht, und noch weniger widerstanden. Ich sah es relativ früh, aber ich widerstand nicht so, wie ich es hätte tun sollen, und mein Versagen verfolgt mich bis heute. Hätten wir ernsthafter widerstanden, dann wäre die Idee eines I-Zwangs weitgehend in sich zusammengefallen. Es hätte keine politische, moralische oder praktische Unterstützung dafür (und für die noch hinterlistigeren I-Pässe) gegeben. Aber wir – aber ich – haben nicht so entschieden widerstanden, wie wir es hätten tun sollen.

Warum nicht? Ich sagte mir, es sei es wert, meine einflussreiche Arbeitsstelle zu behalten. Es war eine berechnete Entscheidung, um den Menschen um mich herum weiterhin helfen zu können. Und ich musste auch für Essen und eine Wohnung für meine Kinder sorgen, damit sie eine „normale“ Kindheit haben könnten.

Aber habe ich mit meinen guten und edlen Kompromissen – denn das waren es, Kompromisse – den Grund gelegt für weitergehende Eingriffe in das Leben und die Freiheiten meiner Familie? Habe ich die Samen einer Dystopie ohne Ende gesät, die meine Kinder und Kindeskinder für immer terrorisieren wird? Habe ich einen Pakt mit dem Teufel geschlossen? Und wenn ja, gibt es einen Weg, aus diesem Pakt wieder auszusteigen?

Die Macht des gewaltlosen Widerstands

Es ist der tatsächliche Widerstand, der den Tyrannen Sorge bereitet, nicht der Mangel an einigen Händen, die die schmutzige Arbeit der Tyrannei tun. Was die Nazis abschätzen mussten, war der Punkt, an dem ihre Gräuel die Gesellschaft zum Bewusstsein ihrer moralischen Gewohnheiten bringen würden. Dieser Punkt konnte weiter hinausgeschoben werden in dem Mass, in dem der nationale Notstand bzw. der kalte Krieg vorwärtsgetrieben wurde, und noch weiter im heissen Krieg. Aber das ist und bleibt der Punkt, dem sich der Tyrann annähern muss, den er aber nicht überschreiten darf. Wenn seine Berechnungen zu weit hinter dem Temperament der Bevölkerung zurückbleiben, dann riskiert er eine Palastrevolution; wenn er zu weit vorauseilt, einen Volksaufstand. (56).

Wir unterschätzen die Macht, die ein Volk hat, wenn es Widerstand leistet. Landesweit [in den USA] wehrten sich Eltern gegen die Maskenpflicht, und viele Schulleitungen gaben nach. Viele Angestellte weigerten sich, der I-pflicht nachzukommen, und viele Arbeitgeber gaben nach, oder machten zumindest grosszügige Ausnahmen. Eltern und Angestellte gewannen nicht in allen Fällen, aber sie haben mehr Auseinandersetzungen gewonnen, als vielen bewusst ist, und der Krieg ist noch nicht zu Ende. Starke und einige Opposition hat auch den Rückzug mehrerer Regierungsanordnungen bewirkt. Wir müssen weiterhin widerstehen und anderen helfen, dasselbe zu tun, und erkennen, dass der Preis, den wir bezahlen, das Endresultat wert ist.

Der Preis des Andersdenkens

Sie sind respektiert in der Gemeinschaft. Warum? Weil Ihre Standpunkte dieselben sind wie die der Gemeinschaft. Aber sind die Standpunkte der Gemeinschaft respektabel? Wir – Sie und ich – suchen die Anerkennung der Gemeinschaft zu den Bedingungen der Gemeinschaft. Wir suchen nicht die Anerkennung von Verbrechern, aber es ist die Gemeinschaft, die entscheidet, was verbrecherisch ist und was nicht. Das ist die Falle. Sie und ich und meine zehn Nazi-Freunde sitzen in dieser Falle. Das hat nicht direkt zu tun mit Angst um die eigene Sicherheit oder der Familie, um die Arbeitsstelle oder den Besitz. Ich kann all das haben und es nicht verlieren, und trotzdem im Exil sein. (…) Wenn ich es nicht gewohnt bin, ein Dissident zu sein, oder ein Einsiedler, oder ein Snob, dann besteht meine Sicherheit in der Zahl der Menschen, die mich bestätigen. Dieser Mann, der morgen gleichgültig an mir vorbeigehen wird, und der, obwohl er mich vorher immer grüsste, nie auch nur einen Finger erhoben hätte für mich, dieser Mann wird morgen meine Sicherheit um die Anzahl Eins verringern. (60).

In Hitlerdeutschland bedeutete es, sich einem Risiko auszusetzen, wenn man von den allgemein akzeptierten Sorgen abwich oder von dem allgemein akzeptierten Narrativ. Und so ist es auch heute. Dissidenten werden als Problemverursacher angesehen. Die allgemein akzeptierten Narrative herauszufordern, oder den „Konsens“ in Frage zu stellen, zieht den Zorn sowohl der gewöhnlichen Bürger als auch der kulturellen Eliten auf sich. Anders zu denken ist gefährlich, nicht weil man mit seinen Ansichten faktisch unrecht hätte, sondern weil andere Ansichten eine Herausforderung an die allgemein akzeptierten Dogmen darstellen.

Der Preis der Unterwerfung

Ein Dissident zu sein, kostet einen Preis. Mayers Freunde waren in ständiger Gefahr, ihre Arbeitsstelle, ihre Freiheit, und womöglich ihr Leben zu verlieren. Aber die Unterwerfung kostet auch einen Preis, und dieser Preis ist viel grösser als alles, was wir uns gegenwärtig vorstellen können. Hören Sie bitte Mayer aufmerksam zu:

Es wird ständig klarer, dass wenn du irgendetwas tun willst, dann musst du eine Gelegenheit herbeiführen, um es zu tun, und dann bist du offensichtlich ein Störefried. Also wartest du ab, und du wartest weiter. Aber die eine grosse schockierende Gelegenheit, wo Dutzende oder Hunderte oder Tausende sich dir anschliessen werden, kommt nie. Das ist die Schwierigkeit. Wenn die letzte und schlimmste Handlung dieser Regierung unmittelbar auf die erste und kleinste gefolgt wäre, dann wären Tausende, ja Millionen ausreichend schockiert gewesen. Wenn, sagen wir, das Vergasen der Juden von 1943 unmittelbar nach den „Deutsche Firma“-Aufklebern auf den Schaufenstern nichtjüdischer Geschäfte von 1933 gekommen wäre. Aber natürlich geschehen die Dinge nicht so. Dazwischen kommen all die hunderte von kleinen, fast unmerklichen Schritten, von denen dich jeder darauf vorbereitet, vom nächsten nicht schockiert zu sein.

Und eines Tages, wenn es zu spät ist, dann stürmen alle deine Prinzipien, wenn du ihrer je bewusst warst, auf dich ein. Die Last des Selbstbetrugs ist zu schwer geworden, und irgendein kleiner Vorfall lässt alles einstürzen. In meinem Fall geschah es, als ich meinen kleinen Jungen, fast noch ein Baby, „Judenschwein“ sagen hörte. Dann erst siehst du, dass alles, wirklich alles, sich direkt vor deiner Nase vollständig verändert hat. Die Welt, in der du lebst – deine Nation, dein Volk – ist überhaupt nicht mehr die Welt, in der du geboren wurdest. Die äusseren Formen sind zwar alle noch da, unberührt und beruhigend: die Häuser, die Geschäfte, die Arbeitsplätze, die Essenszeiten, die Besuche, die Konzerte, das Kino, die Feiertage. Aber der Geist, den du nie wahrgenommen hast, weil du ihn dein Leben lang irrtümlich mit den äusseren Formen identifiziert hast, der Geist hat sich verändert. Jetzt lebst du in einer Welt voll Hass und Furcht, und die Menschen, die hassen und sich fürchten, wissen es selber nicht einmal: wenn jedermann verändert ist, dann fühlt sich niemand verändert. Jetzt lebst du in einem System, das sogar ohne jede Verantwortung vor Gott regiert.

Du bist fast den ganzen Weg selber gegangen. Das Leben ist ein kontinuierlicher Prozess, ein Fluss, nicht eine Folge von Handlungen und Ereignissen. Es ist auf eine neue Ebene geflossen und hat dich mitgerissen, ohne jede Anstrengung deinerseits. Auf dieser neuen Ebene, auf der du jetzt lebst, hast du jeden Tag gemütlicher gelebt, mit einer neuen Moral, neuen Prinzipien. Du hast Dinge akzeptiert, die du fünf Jahre zuvor oder auch nur ein Jahr zuvor nie akzeptiert hättest, Dinge, die dein Vater, auch in Deutschland, sich nie hätte vorstellen können. Und plötzlich fällt es alles auf dich herunter, alles auf einmal. Du siehst, wer du bist, was du getan hast, oder genauer, was du nicht getan hast (denn das war alles, was von den meisten von uns verlangt wurde: dass wir nichts tun). Du erinnerst dich an jene ersten Sitzungen deiner Fakultät an der Universität, wo, wenn einer aufgestanden wäre, andere vielleicht auch aufgestanden wären; aber niemand stand auf. Eine kleine Angelegenheit, vielleicht die Frage, ob dieser oder jener Mann angestellt werden solle, und du hast diesen angestellt anstelle des anderen. Du erinnerst dich jetzt an alles, und dein Herz bricht. Zu spät. Du bist rettungslos kompromittiert.

Was dann? Dann musst du dich erschiessen. Einige taten es. Oder du musst deine Prinzipien anpassen. Viele versuchten es, und ich nehme an, einige hatten Erfolg damit, aber ich nicht. Oder du musst lernen, den Rest deines Lebens mit deiner Schande zu leben. Letzteres liegt unter diesen Umständen am nächsten beim Heldentum: die Schande. Viele Deutsche wurden zu dieser ärmlichen Art von Helden, viel mehr, denke ich, als die Welt weiss oder wissen möchte. (171-172). 

Ich habe diese Abschnitte öfter gelesen, als ich zählen kann, und während ich sie jetzt lese, weine ich um mein eigenes Versagen. Meine eigenen Ängste. Meine eigene Komplizenschaft mit dem langsamen Wachstum des Totalitarismus. Weil ich es den Regierungen und den Medien ermöglicht habe, ihre Narrative durchzusetzen. Weil ich nicht aufgestanden bin. Aber es ist nicht zu spät! Was noch kommt, mit digitalen Identitäten und digitalen Pässen, ist noch schlimmer und noch hinterlistiger, aber noch ist Zeit zum Widerstand. Aber wir müssen uns entschliessen, jetzt unseren Standpunkt einzunehmen. Wir müssen uns entschliessen, zusammenzustehen. Und wir müssen stehenbleiben, unabhängig davon, wie viel es kostet.

„Wissen Sie“, fuhr er fort, „wenn Menschen, die verstehen, was geschieht – das heisst die Bewegung der Geschichte, nicht die Berichte von einzelnen Ereignissen oder Entwicklungen -, wenn solche Menschen nicht widersprechen oder protestieren, dann können wir nicht erwarten, dass Menschen, die es nicht verstehen, es tun. Was würden Sie sagen, wie viele Menschen verstehen es – in diesem Sinne – in Amerika? Und wenn sich die Bewegung der Geschichte beschleunigt, und jene, die es nicht verstehen, vor Angst verrückt werden, wie es mit unserem Volk geschah, und sie zu einer riesigen patriotischen Menschenmasse werden, werden sie es dann verstehen, wenn sie es vorher nicht verstanden haben?“ (175).

Auf uns, die wir sehen, was geschieht, liegt die Pflicht aufzustehen und zu widerstehen. Wir alle werden einen Preis bezahlen müssen, entweder jetzt oder in der Zukunft. Einige von uns haben erlebt, was es kostet, aufzustehen: wir haben Arbeitsplätze verloren, Freunde verloren, einige haben die Freiheit verloren. Aber wir alle bezahlten den Preis der Tyrannei unter dem Vorwand der öffentlichen Gesundheit. Ich kann gar nicht mehr zählen, wie viele Menschen ich kenne, denen es verwehrt wurde, von ihren Lieben Abschied zu nehmen. Denen der Zugang zu möglicherweise lebensrettenden Behandlungen verwehrt wurde. Denen medizinische Behandlung verweigert wurde, im Namen des Gemeinwohls. Zweifellos haben wir alle gelitten während den letzten zwei Jahren, aber dieser sich ständig weiter ausbreitenden Tyrannei nicht zu widerstehen, wird mehr kosten, als wir verstehen können. Ich weiss nicht, was es uns kosten wird in den kommenden Monaten und Jahren, für die Wahrheit und die Freiheit aufzustehen. Aber ich kann mit fast völliger Sicherheit sagen, dass der Preis gegenwärtigen Widerstands viel erträglicher sein wird für unsere Gewissen und vielleicht für unsere Leben, als nicht zu widerstehen. Und noch wichtiger, jetzt zu widerstehen wird mit Sicherheit erträglicher sein für die Leben unserer Kinder.

Die Wahl, die vor uns liegt

Wegen der Risiken für ihre Leben und ihre Familien weigerten sich viele Deutsche, offen zu sprechen über das, was geschah, auch wenn sie es wussten. Und ihre Ängste waren gerechtfertigt:

Jene, die von Buchenwald zurückkamen in den ersten Jahren, hatten versprochen – wie jeder Insasse jedes deutschen Gefängnisses bei seiner Freilassung immer versprechen musste -, nicht über ihre Gefängniserfahrung zu sprechen. Man hätte das Versprechen brechen sollen. Man hätte seinen Landsleuten davon erzählen sollen; man hätte, auch wenn alle Chancen gegen einen standen, damit vielleicht sein Land retten können. Aber man tat es nicht. Man erzählte es vielleicht seiner Frau oder seinem Vater, und beschwor sie, es geheimzuhalten. Und so, obwohl Millionen es vermuteten, wussten es nur einige tausend. Wolltest du etwa zurück nach Buchenwald, und das nächste Mal schlimmer behandelt werden? Taten dir nicht jene leid, die dort zurückblieben? Und warst du nicht froh, draussen zu sein?“ (59).

Ist das nicht auch der Fall mit den vielen, die aus Lagern in Nordkorea geflüchtet sind? Oder mit den Uiguren, die aus „Umerziehungsanstalten“ in Xinjiang, China, entlassen wurden? Ich wage es nicht, jene zu richten, die nichts gesagt haben, weil ich nicht nachvollziehen kann, was sie erlebt haben. Aber ich wünschte, dass ich – und jeder, der diesen Artikel liest – die Festigkeit haben werde, in diesen dunklen Stunden aufzustehen und etwas zu sagen. Zusammenzustehen, und nicht unserer Verantwortung ausweichen für unsere Kinder, unsere Nachbarn, und die Generationen nach uns. Aber dann denke ich an meine Kinder – meine drei kostbaren Töchter -, und ich denke an den gegenwärtigen Preis für das Aufstehen.

Wenn ich etwas sage, dann kann ich verhaftet werden, mein Bankkonto kann eingefroren werden, meine Berufslizenz kann mir entzogen werden. Meine Möglichkeiten, meine Familie zu versorgen, können radikal verringert werden, und meine Mädchen könnten ihr Heim verlieren. Und wenn ich verhaftet und in ein Gefängnis oder Lager gebracht werde (oder wie immer jetzt die Orte genannt werden, wo Menschen gegen ihren Willen festgehalten werden), dann werde ich nicht da sein, um mit meinen Kindern Fangen zu spielen oder mit ihnen zu lesen. Ich werde sie nicht ins Bett bringen können, mit ihnen singen und beten können – und nicht nur für eine Nacht, sondern während Wochen und Monaten (wenn nicht Jahren). So bin ich hin- und hergerissen.

Soll ich etwas sagen, im Wissen, dass dies das Leben meiner Kinder zerstören und sie vaterlos machen könnte? Oder schweige ich und unterdrücke die Proteste meines Herzens, bis sie zusammenschrumpfen und zunichte werden? Soll ich die neue Normalität einer dystopischen Tyrannei akzeptieren, damit ich physisch anwesend sein kann bei meinen Kindern, auch wenn ich weiss, dass dies meine Kinder (und ihre Familien und Nachkommen) zu einem Totalitarismus verurteilt, der vielleicht nie gestürzt wird? Wozu drängt mich die Liebe? Was ist das Richtige? Wie werde ich entscheiden? Ich kenne die Hoffnung, die ich wähle, aber sehen Sie das Problem?

Wie werden wir entscheiden?

„Hier in Kronenberg? Wir waren zwanzigtausend Personen. Von diesen zwanzigtausend, wie viele leisteten Widerstand? Wie könnte man das wissen? Wie könnte ich es wissen? Wenn Sie mich fragen, wie viele im Geheimen Widerstand leisteten, was sie in grosse Gefahr brachte, dann würde ich sagen, vielleicht zwanzig. Und wie viele taten so etwas offen, und aus lauter guten Beweggründen? Vielleicht fünf, vielleicht zwei. So sind die Menschen.“ „Sie sagen immer, So sind die Menschen, Herr Klingelhöfer“, sagte ich. „Sind Sie sicher, dass die Menschen so sind?“ „So sind die Menschen hier“, sagte er. „Sind sie in Amerika anders?“ Ausreden, Ausreden, Ausreden. Ausreden für die Deutschen; und Ausreden für den Menschen, der, als er in alter Zeit gefragt wurde, ob er lieber Unrecht tun oder Unrecht leiden würde, antwortete: „Ich möchte keines von beiden.“ Die tödliche Wahl, die jeder Deutsche treffen musste – ob es ihm bewusst war oder nicht -, ist eine Wahl, mit der wir Amerikaner nie konfrontiert wurden.  (93-94).

Als Mayer sein Buch schrieb, waren die Amerikaner noch nicht den Entscheidungen gegenübergestanden, die seine Freunde treffen mussten. Aber seit den letzten zwei Jahren stehen wir diesen Entscheidungen direkt gegenüber. Ebenso die Australier und die Neuseeländer. Österreich, Spanien, Italien, und Kanada – ganz zu schweigen von den östlichen Ländern, stehen definitiv diesen Entscheidungen gegenüber. Und in vielen Städten und Staaten der USA mussten unsere Mitbürger das Gewicht der Trennung und der Diskriminierung spüren.

Oft stelle ich meinen Studenten die folgende Frage, wenn wir jeweils im Frühling dieses Buch behandeln: Was geschieht, wenn die USA und andere freie Länder unter eine Tyrannei fallen? In Deutschland vor dem 2.Weltkrieg war es immerhin möglich gewesen, auszuwandern. Wer die Mittel hatte, und es rechtzeitig kommen sah, konnte raus. Aber was geschieht, wenn wir den Kampf aufgeben? Wohin könnten wir gehen? Wohin können unsere Kinder fliehen? Wenn die ganze Welt so wird wie China, dann gibt es keinen Ort, wo man dem kommenden Sturm entfliehen könnte.

Was sollen wir also tun? Wir müssen uns heute entscheiden, eine Grenzlinie zu ziehen. Wie andere geschrieben haben, hätten wir diese Linie schon bei den Masken ziehen sollen. Regierungen weltweit haben ganze Gesellschaften unterwürfig gemacht, indem sie unsere Gesichter versteckten. In so vielen Fällen sehen wir einander nicht mehr als Mitmenschen. Stattdessen sehen wir einander als eine Bedrohung, als anonyme Krankheitsvektoren. Aber da wir im Jahr 2020 diese Linie nicht zogen, müssen wir jetzt den verlorenen Boden zurückgewinnen. Wir müssen kämpfen, um nicht nur die gegenwärtigen Obligatorien und Einschränkungen zu beenden, sondern bis auch nur die Möglichkeit solcher Massnahmen als politisch unrealisierbar und als moralisch und ethisch unhaltbar gilt. Und wie viel es auch kosten mag, wir dürfen keinesfalls digitale Pässe akzeptieren (dieses kurze Video zeigt warum). Und schliesslich soll es uns nicht nur darum gehen, die Politik zu ändern; wir müssen uns darum bemühen, Herzen und Gedanken zu verändern, und andere aufzuwecken für die Realität dessen, was geschieht.

Freunde, wir müssen handeln – Ich muss handeln. Es ist keine Zeit mehr zum Warten.

Der Autor

Joshua Styles ist Assistenzprofessor für Kriminaljustiz und Christliche Studien an der Universität North Greenville. Seine Leidenschaft ist es, die Wahrheit zu finden und bekanntzumachen.

Zwei verschiedene Konzepte von Menschenrechten

10. August 2022

„Dass man mit Füssen tritt alle Gefangenen der Erde,
dass man das Recht des Mannes beugt vor dem Höchsten,
dass man den Menschen bedrückt in seinem Rechtsstreit,
sollte der Herr das nicht sehen?“
(Klagelieder 3,34-36)

„Hat Gemeinschaft mit dir der Thron des Verderbens,
der das Gesetz vorschützt und Unheil schafft?
Sie rotten sich zusammen gegen das Leben des Gerechten
und verurteilen unschuldiges Blut.“
(Psalm 94,20-21)


Die erste offizielle Erklärung von „Menschenrechten“ wurde noch nicht ausdrücklich so genannt. Sie befindet sich in der Präambel zur amerikanischen Unabhängigkeitserklärung von 1776:

„Wir betrachten diese Wahrheiten als unmittelbar einsichtig (self-evident): dass alle Menschen gleich geschaffen wurden, dass sie von ihrem Schöpfer mit gewissen unveräusserlichen Rechten ausgestattet wurden, und unter diesen sind das Leben, die Freiheit, und das Streben nach Glück.
Dass zum Schutz dieser Rechte Regierungen eingesetzt werden unter den Menschen, die ihre gerechte Macht aus der Einwilligung der Regierten ableiten.
Dass wann immer eine Regierungsform destruktiv wird hinsichtlich dieser Ziele, es das Recht des Volkes ist, sie [die Regierung] zu ändern oder abzuschaffen, und eine neue Regierung einzusetzen, deren Grundlage auf solchen Prinzipien aufgebaut ist und deren Macht auf solche Weise organisiert ist, wie es ihm [dem Volk] am geeignetsten erscheint, um ihre Sicherheit und ihr Glück zu bewirken. (…)“

Der Begriff „Menschenrechte“ an sich taucht erstmals in der „Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte“ der Französischen Revolution von 1789 auf. Hier einige Auszüge daraus:

„Die Vertreter des französischen Volkes, konstitutiert in der Nationalversammlung, (…) haben beschlossen, in einer feierlichen Erklärung die natürlichen, unveräusserlichen und heiligen Menschenrechte darzustellen,
damit diese Erklärung, ständig allen Mitgliedern des Gesellschaftskörpers gegenwärtig, sie ohne Unterlass an ihre Rechte und Pflichten erinnere;
damit die Handlungen der legislativen und der exekutiven Gewalt in jedem Moment verglichen werden können mit dem Ziel jeder politischen Institution, und so eher respektiert werden;
damit die Forderungen der Bürger, von jetzt an gegründet auf einfache und unwiderlegbare Prinzipien, immer auf die Erhaltung der Verfassung und das Glück aller abzielen. (…)

Art.1: Die Menschen werden frei und mit gleichen Rechten geboren und bleiben so. Soziale Unterschiede können einzig mit dem Gemeinwohl begründet werden.

Art.2: Das Ziel jeder politischen Vereinigung ist die Erhaltung der natürlichen und unverjährbaren Menschenrechte. Diese Rechte sind die Freiheit, das Eigentum, die Sicherheit, und der Widerstand gegen Unterdrückung.

Art.3: Das Prinzip aller Souveränität wohnt wesentlich der Nation inne. Keine Körperschaft und keine Einzelperson kann irgendeine Autorität ausüben, die nicht ausdrücklich von ihr ausgeht.

(…)“

Auf den ersten Blick sieht diese Erklärung fast gleich aus wie die amerikanische. Es gibt eigentlich nur einen einzigen wesentlichen Unterschied – aber dieser ist so grundlegend, dass er als ausreichenden Grund für die so andersartige historische Entwicklung in den beiden Ländern angesehen werden kann. Vom historischen Hintergrund her möchte ich die beiden Konzepte als das „amerikanische“ und das „französische“ bezeichnen.

Der subtile Unterschied besteht darin, dass die französische Erklärung keinen Gott und Schöpfer kennt.

Die amerikanischen Unabhängigkeitskämpfer waren überzeugt, dass Gott ihnen ihre Rechte und Freiheiten gegeben hatte; und dass er deshalb ihre Bestrebungen nach Freiheit billigte, wenn nicht gar unterstützte. Sie rechneten damit, dass Gott selber als Garant ihrer Rechte auftreten würde.
Die französischen Revolutionäre dagegen rebellierten ausdrücklich gegen Gott. Einer ihrer Wahlsprüche lautete: „Ni Dieu ni maître“ („Weder Gott noch Meister“). Wer würde dann ihre Rechte garantieren, wenn Gott nicht mehr im Blickfeld ist?
Die Antwort liegt auf der Hand: der Staat. Der Staat tritt in gewisser Weise an die Stelle Gottes. Deshalb finden wir bei genauer Lektüre in den beiden oberflächlich so ähnlichen Menschenrechtserklärungen auch zwei gegensätzliche Auffassungen vom Staat.

Im französischen Konzept ist die Wahrung der Menschenrechte „das Ziel jeder politischen Vereinigung“. Diese politische Vereinigung, „die Nation“ (Art.3) bzw. der Staat, wird von Anfang an vorausgesetzt. Nur wird dieser von Anfang an existierende Staat jetzt in gewisser Weise auf die Menschenrechte verpflichtet – zu welchem Zweck? Damit seine Handlungen „eher respektiert werden“, heisst es in der Präambel.
Man stutzt, wenn man in der französischen Menschenrechtserklärung zu den Artikeln 12, 13 und 14 kommt: Da ist die Rede von der Einführung einer Polizeigewalt, und von der Erhebung von Steuern zu deren Unterhalt. In einer Staatsverfassung mögen solche Artikel vielleicht angebracht sein; aber in einer Menschenrechtserklärung? Steuern sind ja im Gegenteil Einschränkungen der Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Eigentum. Aber wenn man davon ausgeht, dass der Staat das Erste ist, ja dass er quasi göttlich ist, dann erscheint es logisch: dann stehen die „Rechte des Staates“ über den Rechten des Menschen, und müssen natürlich auch in der Menschenrechtserklärung erwähnt werden.

Im amerikanischen Konzept ist diese Ordnung umgekehrt. Die Menschenrechte sind das Primäre, denn sie gehen direkt auf den Schöpfer zurück, und existieren deshalb schon vor dem Staat. Die Regierung wird nachträglich eingesetzt „zum Schutz dieser Rechte“; ihre Macht wird aber abhängig gemacht von der „Einwilligung der Regierten“. Die Regierung steht also im Dienst des Volkes. Das ist ein weiteres Detail, das in der französischen Erklärung nicht vorkommt.

Verstehen wir jetzt, wie sich dieser subtile Unterschied in der so krass unterschiedlichen historischen Entwicklung auswirkte? Wenn die Menschenrechte von Gott kommen, dann ist keine Regierung der Welt berechtigt, sie einem Menschen wegzunehmen. Wenn es aber die Regierung ist, welche diese Rechte garantiert, dann kann die Regierung auch entscheiden, sie gewissen Menschen unter gewissen Umständen wieder wegzunehmen. Und genau das ist es, was in Frankreich geschah. Wir wissen, dass die Revolution nicht etwa zu einer friedlichen und gerechten Gesellschaft führte, sondern im Gegenteil zu blutiger Tyrannei. Und das revolutionäre Zeitalter endete nicht etwa mit der Einführung einer Demokratie, sondern mit dem Kaisertum Napoleons.
In den USA dagegen verwirklichte sich, was den idealistischeren unter den Franzosen ebenfalls als Ziel vorgeschwebt haben mag, was aber unter ihren gottlosen Denk- und Lebensvoraussetzungen unerreichbar war: Die USA blühten tatsächlich von ihrer Gründung an jahrzehntelang unter so demokratischen und freiheitlichen Bedingungen, wie sie kaum ein anderes Land der Erde je gekannt hat.

Dementsprechend ist in der Verfassung der USA auch die Figur eines „Notrechts“ nicht vorgesehen. Den Gründern der USA war klar, dass die Möglichkeit der Ausrufung eines „Ausnahmezustands“ (oder ähnlich) sofort Tür und Tor geöffnet hätte zu diktatorischem Missbrauch der Regierungsgewalten (wie es jetzt am Tage ist); und genau das wollten sie verhindern.
Die ursprüngliche Idee des „Rechtsstaats“ besteht darin, was Voltaire in seinen „Briefen über die englische Nation“ (1733) schrieb: „Die Engländer sind das einzige Volk auf Erden, denen es gelungen ist, der Macht der Könige Grenzen zu setzen, indem sie sich ihnen widersetzten; und die in einer Reihe von Auseinandersetzungen schliesslich (…) eine weise Regierung etablierten, in der der König alle Macht besitzt, um Gutes zu tun, aber daran gehindert wird, Böses zu tun (…)“ Mit anderen Worten:
In einem Rechtsstaat (nach englischem oder amerikanischem Muster) sind die Verfassung und die Gesetze dazu da, die Bürger vor Übergriffen des Staates zu schützen.

Aber in den Ländern, wo das französische Konzept vorherrscht, da dienen Verfassung und Gesetze dazu, die Übergriffe des Staates zu legitimieren. Und das ist leider gegenwärtig in fast allen Ländern der Welt der Fall, und natürlich auch in den Vereinten Nationen.

Die heute bekannteste Menschenrechtserklärung ist ja die „Allgemeine Erklärung der Menschenrechte“ der Vereinten Nationen. Und diese folgt klar dem französischen Konzept und nicht dem amerikanischen. Das wird deutlich in Art.29.3, der folgende Einschränkung festlegt: „Diese Rechte und Freiheiten dürfen in keinem Fall ausgeübt werden im Widerspruch zu den Zielen und Prinzipien der Vereinten Nationen.“ In der Weltanschauung der Vereinten Nationen gibt es keinen Gott, der über der Regierung steht und vor dem sie Rechenschaft ablegen müssten. Nein, die Vereinten Nationen bestimmen selber, wer seine Menschenrechte ausüben darf und wer nicht.

Schon in der französischen Erklärung von 1789 haben wir gesehen, wie Rechte und Pflichten miteinander vermengt werden (so auch wörtlich in der Präambel). Und in den letzten Jahrzehnten sind in der Praxis immer mehr Menschenrechte in Pflichten verkehrt worden. Nur einige Beispiele:

– Das „Recht auf Bildung“ wurde pervertiert zu einer Pflicht, eine staatlich kontrollierte und reglementierte Schule zu besuchen. Im Endergebnis erhalten manche Schüler kaum noch Bildung, sondern hauptsächlich ideologische Indoktrination. Und Alternativen werden mit bürokratischen Hindernissen blockiert, oder gleich ganz verboten.

– Das „Recht auf Identität“ wurde umgewandelt in eine Pflicht, sich überall und immer detaillierter ausweisen zu müssen und überwachen zu lassen. Und im Zusammenhang damit nehmen sich immer mehr Regierungen das Recht heraus, ihren Bürgern die mit ihrer Identität verbundenen Rechte willkürlich wegzunehmen (z.B. Zugang zu Verwaltungsgebäuden, zu Bankkonto und Kreditkarte, zu Verkehrsmitteln, usw).

– Das „Recht auf Gesundheit“ wurde umgedeutet zu einer Pflicht, sich willkürlichen Beschränkungen der Freiheit sowie medizinischen Experimenten zu unterziehen (letzteres in krassem Widerspruch zum Nürnberger Kodex und zur Helsinki-Erklärung). Als Folge sind viele Menschen in ihrer Gesundheit geschädigt worden.

Im Prinzip steht hinter all diesen Umdeutungen dieselbe Art von Argumentation:

„Die Menschenrechte gelten zwar für eine abstrakte „Allgemeinheit“, aber nicht für dich als konkrete Einzelperson.“
Du wirst also deiner individuellen Rechte beraubt, um die imaginären „Rechte der Allgemeinheit“ zu wahren. Was diese „Allgemeinheit“ genau fordert, darüber hast du kein Mitspracherecht; das bestimmen irgendwelche mächtige Personen oder Gremien, die sich aus irgendeinem Grund ermächtigt fühlen, die „Allgemeinheit“ zu vertreten.
Auch diese Idee ist keimhaft bereits in der französischen Erklärung von 1789 angelegt, wo z.B. Art.1 einräumt, dass „soziale Unterschiede“ gemacht werden dürfen, wenn es „mit dem Gemeinwohl begründet“ werden kann. Ebenso erklären andere Artikel, dass Menschen enteignet werden können, wenn das „Gemeinwohl“ es erfordert.
Dem amerikanischen Konzept sind solche Ideen fremd. Dort ist klar, dass die Menschenrechte jedem (einzelnen) Menschen gelten. Regierungen sind dazu da, die Rechte des Einzelnen zu schützen. Und wenn „die Regierten“ (also die Einzelpersonen) nicht mehr einwilligen in die Art, wie sie regiert werden, dann dürfen sie die Regierung absetzen oder stürzen. Ein imaginäres „Gemeinwohl“ aber, das als Vorwand dienen könnte, dem Einzelnen seine Rechte wegzunehmen, das kommt im amerikanischen Konzept nicht vor. Auch in der Verfassung der USA existiert der Begriff „Gemeinwohl“ nicht.

Doch wir haben gesehen, dass die Welt jahrzehnte-, wenn nicht jahrhundertelang daraufhin propagandisiert wurde, das französische Konzept dem amerikanischen vorzuziehen. Und so bist du jetzt also verpflichtet, dich u.U. drakonischen Einschränkungen deiner Rechte zu unterwerfen, um die angeblichen „Rechte der Allgemeinheit“ zu wahren – Rechte, die du selber im konkreten Fall aber nicht beanspruchen darfst.

So darf z.B. ein Arzt – unter Androhung, sein Recht auf Berufsausübung zu verlieren – seinen Patienten gewisse Behandlungen nicht mehr verabreichen, obwohl diese zur Gesundung des Patienten beitragen würden, also dessen individuelles Recht auf Gesundheit schützen würden. Als Begründung wird angegeben, der Arzt würde damit (nach Meinung gewisser Regierungsexperten) „die öffentliche Gesundheit“ (also das „Recht der Allgemeinheit auf Gesundheit“) gefährden. Und umgekehrt muss der Arzt gewisse Behandlungen vornehmen, die voraussichtlich die Gesundheit des Patienten schädigen werden, weil das angeblich „die öffentliche Gesundheit“ fördere.

Und du darfst nicht mehr frei deine Meinung äussern, weil du dadurch das „Recht der Allgemeinheit auf Nichtdiskriminierung“ verletzen würdest. Dass du selber damit diskriminiert wirst, weil dir das Recht auf freie Meinungsäusserung verwehrt wird – das andere (d.h. Regierungstreue) sehr wohl beanspruchen dürfen -, das wird als vernachlässigbarer Kollateralschaden betrachtet.

Ja, in manchen Ländern kannst du sogar in ein geschlossenes „Zentrum“ verschleppt und eingesperrt werden, weil deine Anwesenheit angeblich die Freiheit der „Allgemeinheit“ behindert, sich auf der Strasse zu bewegen. Dein persönliches Recht auf Freiheit zählt dabei nicht. Und es wird völlig ausser Acht gelassen, dass ja nicht du es bist, der es den anderen verwehrt, auf die Strasse zu gehen; sondern dass es die Regierung selber ist, die den andern gesagt hat – ohne hinreichende Begründung -, es sei gefährlich, auf die Strasse zu gehen.

Ihre letzte und schlimmste Konsequenz erreicht diese Idee in der Behauptung, die von den malthusianischen Entvölkerungsaposteln schon seit Jahrzehnten vorgebracht wird: Alle Probleme der Menschheit seien auf die „Übervölkerung“ zurückzuführen, und seien deshalb mittels Reduktion der Bevölkerung zu lösen. Konkret und krass: „Die Menschheit“ hat ein Recht auf Überleben, du als Einzelperson aber nicht. Wenn die globalen Machthaber deine Existenz als eine Bedrohung des Überlebens der Menschheit ansehen, dann können sie dir ohne weiteres das Recht auf Leben entziehen.
So weit sind wir in der Praxis zwar noch nicht. Das theoretische Fundament dazu ist aber von der Propaganda der letzten Jahrzehnte ausreichend zementiert worden. Wenn sich ein passender konkreter Anlass findet, dann werden diese Ideen zweifellos in die Tat umgesetzt werden – ausser Milgrams 62% würden ganz überraschend doch noch ihr Gewissen wiederfinden.

Auf diese Weise kann genau jenes Konzept, das oft als Garant der Freiheit und Rechtsstaatlichkeit betrachtet wird – eben die Menschenrechte – als Instrument der Unterdrückung und Diktatur missbraucht werden. Es ist mit ihnen dasselbe geschehen wie mit der Verfassung und den Gesetzen: Statt die Bürger vor den Übergriffen des Staates zu schützen, dienen sie jetzt zur Legitimierung der Übergriffe des Staates.

Und das ist natürlich eines der hervorstechenden Merkmale der Kultur der Lüge, in der wir jetzt leben. Das Wort „Menschenrechte“ in den obengenannten Zusammenhängen zu verwenden, ist bereits eine Lüge, denn es geht ja nicht um Rechte, sondern im Gegenteil um die Verweigerung der Rechte. Wie ich schon im vorherigen Artikel sagte: Lüge und Propaganda beginnt oft damit, dass man die Dinge nicht mit ihrem richtigen Namen nennt. Man sagt vielleicht noch keine direkte Unwahrheit, aber man verwendet Worte auf eine Art und Weise, die ihrer eigentlichen Bedeutung widerspricht. Klammheimlich werden die Definitionen umgebogen, bis schliesslich das ganze Denken der Menschen verbogen ist und sie tatsächlich denken, die „Menschenrechte“ legitimierten den Entzug von Rechten.

Es dürfte eine der wichtigsten Aufgaben von geistig wachen Menschen – und besonders natürlich von Nachfolgern Jesu – in dieser Zeit sein, Lügen wie diese aufzudecken und ihnen zu widerstehen.

Die Begründung, die alle Diktaturbefürworter schuldig bleiben

5. August 2022

Wenn ich mich gegen die Diktatur und den Machtmissbrauch von seiten der Regierungen ausspreche, dann muss ich mich auf alle Arten von Anwürfen gefasst machen:

„Du bringst Menschenleben in Gefahr!“

„Du willst bloss egoistisch auf deinen Freiheiten beharren!“

„Hast du denn nicht verstanden, dass wir in einer *SC’H:R+ECK*LI;CH’EN_ *P’A·N*D+EM’I*E_ sind?!“

Meine Antwort auf alle diese Anwürfe kann mit zwei Worten zusammengefasst werden: „Begründung bitte.“

  • Begründe bitte wissenschaftlich, warum ich, wenn ich mit unbedecktem Gesicht auf der Strasse gehe, eine Gefahr für meine Mitmenschen darstellen soll. Und vor allem, warum diese Gefahr geringer sein soll, wenn ich mein Gesicht verhüllte.
  • Begründe bitte wissenschaftlich, warum ich, wenn ich normal zur Arbeit gehe, eine Gefahr für meine Mitmenschen darstellen soll. Und vor allem, warum diese Gefahr geringer sein soll, wenn ich zuhause bliebe.
  • Begründe bitte wissenschaftlich, warum ich, wenn ich an einem risikoreichen medizinischen Experiment nicht teilnehme, eine Gefahr für meine Mitmenschen darstellen soll. Und vor allem, warum diese Gefahr geringer sein soll, wenn ich an dem Experiment teilnehme.
  • Und falls deine Begründung davon ausgehen sollte, dass ich krank bin, dann solltest du zusätzlich wissenschaftlich begründen, warum du glaubst, ich sei krank. (Wenn nicht, dann hast du eine noch schwierigere Aufgabe: Dann müsstest du nämlich wissenschaftlich erklären, wie ein Gesunder eine Krankheit, die er gar nicht hat, auf andere Menschen übertragen kann.)

Nun muss ich aber noch etwas weiter ausführen, wie eine solche Begründung aussehen müsste, damit sie als wissenschaftlich gelten kann.

Das grundlegende Axiom

Soweit ich bis jetzt beobachten konnte, stützen sich alle Diktaturbefürworter in ihrer Argumentation auf dieselbe Voraussetzung, die etwa so lautet:

„Die stattgefundene Aufhebung von Rechtsstaat und Menschenrechten diente der Krankheitsbekämpfung, und hat diesen Zweck auch erfüllt.“

Sie nehmen das für so selbstverständlich, als sei es ein Dogma ihrer Religion, oder ein nicht hinterfragbares Axiom der Logik. Aber in Wirklichkeit handelt es sich um eine unbewiesene Behauptung. Und falls diese grundlegende Behauptung falsch sein sollte, dann fällt die ganze Argumentation der Diktaturbefürworter in sich zusammen.

Um diese Behauptung zu beweisen, müsste man nachweisen, dass das, was sie behauptet, tatsächlich eingetroffen ist. Es gibt ja jetzt immerhin über zwei Jahre an Erfahrungsdaten mit diesen drakonischen Eingriffen in die bürgerlichen Freiheiten und Rechte. Also:

  • Wäre die Behauptung wahr, dann müsste regelmässig an allen Orten, wo bestimmte „Massnahmen“ eingeführt wurden, rund zwei Wochen später eine statistisch signifikante Abnahme der Krankheitsfälle zu beobachten sein; und einige weitere Wochen später eine ebenso signifikante Abnahme der Todesfälle.
  • Ebenso müsste im internationalen oder regionalen Vergleich festzustellen sein, dass Länder oder Landesteile mit strengen „Massnahmen“ signifikant niedrigere Krankheits- und Todeszahlen (im Verhältnis zur Bevölkerung) aufweisen als Länder ohne oder mit nur geringfügigen „Massnahmen“.

Ich bitte also alle Diktaturbefürworter, die wünschen, dass ich ihren Standpunkt ernst nehme, mir wissenschaftliche Untersuchungen oder offizielle Statistiken (mit Quellenangaben) zu senden, welche obige Behauptungen belegen. Solange ich keine überzeugende Begründung erhalte, werde ich mir weiterhin das Recht vorbehalten, ihren Standpunkt als irrational, unwissenschaftlich und vor allem unbelehrbar zu bezeichnen.

Noch einige Klarstellungen darüber, was als „wissenschaftliche Untersuchung“ gilt:

– Gemäss obiger Beschreibung soll untersucht werden, was in der wirklichen Welt wirklich geschehen ist; also „Real World Data“. Ob etwas zur Krankheitsbekämpfung dient oder nicht, kann nur dadurch verifiziert werden, dass man Krankheits- und Todesfallstatistiken untersucht. Solche Statistiken können aus unterschiedlichen Quellen stammen wie z.B. Regierungsstellen, Spitäler, Krankenkassen, Lebensversicherungen, usw. In einigen Fällen ist eine Statistik in sich selber schon genügend aussagekräftig, um gewisse Schlüsse ziehen zu können.
Ebenso gültig sind Analysen solcher Statistiken, oder eigens durchgeführte Erhebungen, sofern die verwendeten Statistiken überprüfbar sind, und korrekte statistische und mathematische Methoden angewandt werden. Solche Analysen können u.a. in medizinischen und anderen wissenschaftlichen Fachzeitschriften gefunden werden, oder auch in den Veröffentlichungen von Universitäten.

– Zeitungsartikel sind natürlich keine wissenschaftlichen Untersuchungen! Ich begegne manchmal journalistischen Ergüssen, die Dinge behaupten wie: „Wissenschaftlich erwiesen: Gesichtsbedeckungen sind zu 70% wirksam!“ – Sucht man dann aber im Text nach Quellenangaben, dann findet man entweder keine; oder als Quelle wird die persönliche Aussage eines vom Staat bezahlten Bürokraten (z.B. Institutsleiters) genannt, der wiederum nicht sagt, auf was für eine Untersuchung sich seine Aussage stützt. Oder wenn man ganz viel Glück hat, findet man als Quelle tatsächlich eine wissenschaftliche Studie; nur dass diese nicht das beweist, was der Journalist behauptet.

– Computermodelle und Laborsimulationen gelten zwar als „wissenschaftlich“, sind aber zum Beweis der obigen Behauptung nicht tauglich. Die Behauptung bezieht sich nämlich auf etwas, was tatsächlich geschehen sein soll. Modelle und Simulationen dagegen sagen voraus, was unter bestimmten Bedingungen geschehen würde; oder spekulieren darüber, was unter anderen Bedingungen geschehen wäre. Was aber nicht nachweisbar ist, da es ja keine überprüfbaren Daten gibt über Dinge, die gar nicht geschehen sind.
Das Ergebnis eines Computermodells ist vollständig abhängig von den Algorithmen und Anfangsparametern, die der Programmierer (bzw. sein Auftraggeber) willkürlich bestimmt. Diese Parameter und die sich daraus ergebenden Resultate können also nach Belieben verändert werden. Die wichtigste Frage dabei ist aber, ob diese Parameter und Algorithmen die Wirklichkeit zutreffend nachmodellieren oder nicht. Und genau diese Frage kann das Modell, für sich allein genommen, nicht beantworten. Man müsste dazu die Daten, die das Modell aufnimmt und liefert, vergleichen mit den Daten darüber, was in der wirklichen Welt wirklich geschehen ist. Soll das Modell also irgendwelchen wissenschaftlichen Wert haben, dann kommt man nicht darum herum, „Real World Data“ heranzuziehen.
Ähnliches gilt für Laborsimulationen. Diese untersuchen, was geschieht, wenn die Bedingungen dieselben sind wie im Labor. Aber die Bedingungen der wirklichen Welt sind nie dieselben wie in einem Chemie- oder Biologielabor. Z.B. ist meine Lunge nicht identisch mit einem Haufen im Labor gezüchteter Lungenzellen. Die Luft in meinem Wohnzimmer hat nicht dieselbe Temperatur, Feuchtigkeit, Strömungsverhältnisse und chemische Zusammensetzung wie die Luft im Labor. Usw. Deshalb sind auch solche Simulationen nicht aussagekräftig, solange nicht zusätzlich nachgewiesen wird, dass auch in der wirklichen Welt dasselbe geschieht wie im Labor.


Ich möchte hinzufügen, dass für unvoreingenommene Leser allein schon die Erfahrung hier in Perú ausreichen sollte zur Widerlegung der obigen Behauptung. Kaum ein Land hat im Jahr 2020 so strenge und langandauernde Einschränkungen durchgeführt wie Perú. Niemand durfte sein Haus verlassen, ausser um Lebensmittel oder Medikamente einzukaufen, oder wer im Lebensmittelhandel oder Gesundheitswesen arbeitete. Geschäfte, die nicht zu diesen Sparten gehören, mussten schliessen. Zusätzlich waren nur noch Banken, offiziell genehmigter Journalismus, sowie natürlich Polizei und Militär erlaubt. In den Geschäften galten strengste Desinfektionsvorschriften für Räumlichkeiten, Waren, Angestellte und Kunden. Nur eine Person pro Haushalt durfte einkaufen gehen; waren es zwei, dann wurden sie verhaftet. Überall galt Maskenzwang, sogar im Wald und auf dem Feld. Polizei und Militär patrouillierten ständig in den Strassen, um die Einhaltung der Vorschriften zu überwachen. Ein Taxifahrer, der einer Anweisung eines Soldaten nicht Folge leistete, wurde erschossen. Der Gebrauch sowohl öffentlicher wie privater Verkehrsmittel war verboten. Auch Warentransporte (ausser Lebensmittel), Post- und Kurierdienste waren stillgelegt; Geschäfte durften also auch keine Hauslieferungen durchführen. Nachts und sonntags herrschte totale Ausgangssperre.
Diese ganzen Massnahmen wurden eingeführt, als es noch keinen einzigen Toten wegen des Virus gegeben hatte, und in vielen Regionen noch nicht einmal einen Krankheitsfall. Und das Ganze dauerte – je nach Region – rund vier bis sechs Monate.
Das Ergebnis? Wäre das Axiom der Diktaturbefürworter wahr, dann hätte Perú den Virus restlos besiegen müssen. Aber das Gegenteil war der Fall. Nach vier Monaten dieses Hausarrests befand sich Perú an der Spitze der Weltrangliste von Toten pro Million, übertroffen nur noch vom Zwergstaat San Marino. Einen klareren Beweis kann es kaum geben, dass alle diese „Massnahmen“ kontraproduktiv waren.

Im übrigen sind auf dieser Seite über 400 (vierhundert) wissenschaftliche Studien aufgeführt, welche die Unwirksamkeit der Massnahmen belegen. (Zusätzlich hier zur I.) Solltest du also zehn oder zwölf finden, die deine Behauptung stützen, dann wäre das zwar ein Achtungserfolg. Aber du stündest damit immer noch gegen eine Übermacht von mehreren hundert.

Abschliessend möchte ich nochmals klar die Bedeutung dieser Überlegungen herausstellen:

Wenn du die obige Behauptung nicht belegen kannst, d.h. dass die „Massnahmen“ zur Krankheitsbekämpfung dienten, dann wird deine ganze Verteidigung der Diktatur sinnlos. Wenn der behauptete Zweck nicht erfüllt wurde noch wird, dann ist die ganze Aufhebung unserer verfassungsmässigen Rechte tatsächlich blosse Unterdrückung um der Unterdrückung willen, und nichts anderes.

Einige werden gegen den Ausdruck „Diktaturbefürworter“ protestieren. Sie werden sagen: „Ich bin gar nicht für eine Diktatur. Ich bin nur dafür, dass man die unbedingt notwendigen Massnahmen einhält.“
Aber es ist mir wichtig, die Dinge mit ihrem richtigen Namen zu nennen. Lüge und Propaganda beginnt da, wo man die Dinge nicht beim richtigen Namen nennt, wo man Definitionen nach Gutdünken abändert und umbiegt. Deshalb zur Erinnerung nochmals:
– Wenn die Regierung per Dekret regiert und grundlegende Menschenrechte mit Füssen tritt, dann nennt man das eine Diktatur, unabhängig davon, was als Begründung für ihre Einführung angegeben wird. Die meisten grossen Diktaturen des 20.Jahrhunderts wurden damit gerechtfertigt, dass ein „Notstand“ herrsche.
– Wenn eine Massnahme ihren angeblichen Zweck gar nicht erfüllt, dann kann man sie natürlich nicht „unbedingt notwendig“ nennen. Im Gegenteil, sie ist dann überflüssig und schädlich. Deshalb bestehe ich so sehr auf überprüfbaren Belegen für das grundlegende Axiom der Diktaturbefürworter.